Der Staat als Datenkrake: Die Steuer-ID wird zur Bürgernummer

Bei den vielen Tabubrüchen und Anmaßungen des übergriffigen Corona-Regimes, das in dieser selbstgeschaffenen Krise die Spielregeln unseres Zusammenleben nachhaltig, weit über diesen Ausnahmezustand hinaus verändert, fallen die Folgenschwersten mittlerweile gar nicht mehr auf. Ablenkung ist das Geheimnis jeden gelungenen Zaubertricks. Und während die Menschen mit Dauerangst, permanenten Zahlen-Verwirrspielen und Verhaltenskonditionierungen beschäftigt waren, ließ die Bundesregierung – und viele andere westliche Regierungen – trickreich im Windschatten der Pandemie so manches „verschwinden“: Unveräußerlich geglaubte Grundrechte, bürgerliche Selbstbestimmungselemente und demokratische Kontrollmechanismen.

Da ist es kaum noch überraschend, dass jetzt auch noch die totale Kontrolle eines jedes Einzelnen – unter finaler Preisgabe seines informationellen Selbstbestimmungsrechts und bei Aushöhlung der letzten verbliebenen Datenschutzvorbehalte – perfektioniert werden soll: Sang- und klanglos – gänzlich ungestört von irgendeinem unter normalen Umständen zu erwartenden, absolut angebrachten öffentlichen Aufschrei – bastelt die Groko an der Zusammenführung aller zu jedem Bürger bei unterschiedlichen Behörden gesammelten Daten in einer einzigen Identifikations-Nummer. Hierfür soll die Steuer-ID genutzt werden, die damit zu der seit langem befürchteten, nunmehr konkret werdenden Bürgernummer wird.

In den blumigen Regierungserklärungen ist natürlich beschönigend davon die Rede, es handele sich um eine bürgernahe, effiziente und im Interesse der „Digitalisierung der Verwaltung“ überfällige Innovation, die Bürokratie abbaue und die Erledigung von mehr Verwaltungsabläufen online – respektive, pandemiegerecht ausgedrückt: „per Homeoffice“ – ermögliche. Tatsächlich ist das wahre Ziel der Reform weitaus profaner: Es geht darum, ausnahmslos alle Informationen, die der Staat zu seinen Untertanen (vormals: seinem Souverän) gespeichert hat, blitzschnell abruf- und verfügbar zu machen – mit im Bedarfsfall schier grenzenlosen, blitzschnellen Kontroll- und Sanktioniserungsmöglichkeiten. Statt der alten Weisheit „von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare“ gilt ab sofort dann von Geburt bis zum Tod nur noch die ID als zentrale Informationsbasis. So wird aus dem einzelnen Menschen eine Nummer – überall blitzschnell zu identifizieren. Beurkundungen, Verträge, Mitgliedschaften, Bauanträge, Gesundheitsdaten, Bewegungsprofile, Kommunikation bis hin zum Konsumverhalten: alles wird bald nur noch einer Nummer zugeordnet sein, auf die jede Behörde, vom Bundesnachrichtendienst oder BKA über die Zulassungsstelle, Gesundheitsamt oder Versicherungsanstalten bis hin zur Friedhofsgärtnerei Zugriff hat.

Totalüberwachung in Echtzeit

Mit ihrem Vorhaben setzt sich die Groko über die massive Kritik von Datenschützern hinweg, die seit langem vor der Transformation der Steuer-ID hin zu einer Bürgernummer – unter anderem, wegen der inflationären Nutzbarkeit „personenbezogener Daten„. Auch die Opposition im Bundestag hatte massiv gegen den vom Bundesratbeschluss aufgegriffenen Entwurf gewettert. Zwar soll die Umwandlung der ID diesem zufolge auch künftig nur mit Zustimmung des Betroffenen erfolgen; ob sich die Bürger, die diese Zustimmung etwa aus Arglosigkeit oder Unwissenheit erteilen, allerdings der Tragweite der Konsequenzen bewusst sind, ist hier die entscheidende Frage. Dass jedem Einzelnen fortan ein „sicherer Zugang“ über ein sogenanntes „Datencockpit“ eingeräumt werden soll, über das jeder selbst einsehen kann, welche Behörden untereinander gerade welche Daten über ihn ausgetauscht haben, ist da nur ein schwacher Trost.

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Zumal schon diese „Transparenz“ schnell zu einer Wissenschaft für sich werden könnte: Konkret nämlich wird, wie die „Tagesschau“ berichtet, dem Entwurf zufolge an 50 weiteren staatlichen Stellen mehr als bisher die Steuer-ID der Betroffenen hinterlegt (wenn auch eine „zentrale Abspeicherung“ nicht erfolgen soll)  – etwa im Melderegister, im Führerscheinregister und im Waffenregister sowie bei der Rentenversicherung und den Krankenkassen. Und natürlich wird diese zentrale Bündelung der Daten ebenfalls wieder – welche Überraschung! – mit Corona gerechtfertigt: Die Pandemie habe gezeigt, „wie dringend Deutschland die Digitalisierung der Verwaltung“ brauche, so der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings. Ihm widerspricht der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber: Die „bereichsübergreifende Verwendung“ eines einheitlichen ID-Kennzeichens schaffe das „übermäßige Risiko der Katalogisierung der Persönlichkeit„. Genau um diese jedoch geht es früher oder später sowieso – wie uns spätestens der Impfpass ab Sommer oder Herbst es unerbittlich vor Augen führen wird. (DM)