Wer kein Astrazeneca will, wird niedergemacht – außer er heißt Horst Seehofer

In Deutschland wird beim Impfen mit zweierlei Maß gemessen, was Skepsis und Ablehnung einzelner Impfstoffe betrifft – aktuell insbesondere gegen den in Verruf geratenen Astrazeneca-Impfstoff, der im Verdacht steht, Thrombosen der Hirnvenen insbesondere bei Frauen jüngeren und mittleren Alters auszulösen. Anscheinend kommt es nämlich ganz darauf an, WER gerade Vorbehalte anmeldet: Normalsterbliche Bürger mit Impftermin – oder der deutsche Bundesinnenminister.

Im niedersächsischen Lingen im Emsland hatte eine Frau von ihrem Arzt eine ärztliche Bescheinigung erhalten, dass sie wegen einer besonderen Prädisposition für Blutgerinnsel und bei individuell in ihrem Fall massiv erhöhten Thrombose-Neigung nicht mit dem Astrazeneca-Vakzine geimpft werden darf. Grund ist, dass das – auf die Gesamtbevölkerung bezogen generell auch bei diesem Impfstoff sehr geringe – Risiko von Komplikationen in ihrem Fall deutlich erhöht ist, weshalb aus medizinischer Sicht die Impfung mit anderen Covid-Vakzinen vorzuziehen wäre.

Mit dem entsprechenden Attest im Gepäck kam die Frau, die einer Risikogruppe angehört und deshalb einen prioritären Termin erhielt, zu ihrem Impftermin, und zeigte die Bescheinigung vor. Daraufhin wurde sie respektlos behandelt, wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet – und auf ihre Bitte nach Impfung mit einem anderen Wirkstoff auf rüde Weise abgewiesen. Insbesondere durfte sie sich vom Impfpersonal anhören, es gäbe keinen Impfzwang, alle Impfungen seien gleich gut, sie solle froh sein überhaupt geimpft zu werden. In sozialen Medien wurde die Echtheit des Attests angezweifelt, und selbst Ärzte ließen sich ein, hier würden schließlich „keine Extrawürste gebraten.“ Und all dies, wohlgemerkt, obwohl am selben Tag die Gesundheitsminister der Empfehlung der Ständigen Impfkommission gefolgt waren, Astrazeneca nur noch Menschen zu spritzen, die älter als 60 Jahre alt sind.

Anfeindungen vom Impfpersonal für Lieschen Müller, Lob für Minister Seehofer

So wie beispielsweise Bundesinnenminister Horst Seehofer, für den als Mann von 71 Jahren Astrazeneca ein völlig unproblematischer, nach EMA- und PEI-Kriterien einwandfreier Impfstoff ist. Dennoch weigerte sich Seehofer, sich das Vakzine verabreichen zu lassen, und machte deutlich, dass er sich keinesfalls mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen werde. Dies, obwohl anders als bei der Lingener Patientin (und bei vielen anderen) bei ihm keine medizinische Indikation dagegenspricht, er gar nicht zur Thrombosen-Risikogruppe gehört und man von einem Bundesminister eigentlich eine vertrauensstiftende Vorreiterrolle erwarten sollte.

Bei einem Bundesminister allerdings fällt die Reaktion trotzdem ganz anders aus: Servil und voller Verständnis sprang der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, Seehofer prompt bei und verteidigte ihn in aufbrausenden Debatte gegen jede Kritik verteidigt: „Auch ein 71-jähriger Bundesminister hat das gleiche Recht wie jeder andere„, so Brysch zum „Redaktionsnetzwerk Deutschland„. Die Corona-Impfung sei schließlich freiwillig, dann dürfe mann auch niemanden bevormunden. „Impffreiheit braucht endlich auch Wahlfreiheit bei den Impfstoffen„, so der der Patientenschützer: „Das wird deutlich mehr Vertrauen in die Impfstrategie bringen. Dabei muss aber an den Prioritäten festgehalten werden.“ Gut gebrüllt, Löwe! Allein wie diese Wahlfreiheit dann in der Praxis aussieht, das hat sich im Lingener Impfzentrum eindrucksvoll gezeigt. Um einen Einzelfall handelte es sich hierbei nicht. (DM)