Man muss sich wirklich fragen, was in manchen Politikerköpfen eigentlich so vorgeht: Wofür beim Maskenskandal die Namen Nüsslein, Löbel, Kaufmann stehen und beim Abkassieren für Schnelltests der Name Sauter, das ist beim Thema Impfen der Name Dr. Bernd Wiegand. In puncto Vordrängelei und Amtsmissbrauch machte ihm diesbezüglich keiner etwas nach. Halles parteiloser Oberbürgermeister gerät aktuell immer mehr unter Druck, und dies nicht nur wegen seiner eigenen eigenmächtig vorgezogenen Corona-Impfung außerhalb der Reihenfolge, sondern inzwischen auch wegen „veruntreuender Unterschlagung von Impfstoff.“ Er dürfte die längste Zeit im Amt gewesen sein.
Denn nun kommen Interna der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ans Licht, die für Wiegand schwer belastend sind – und für ihn weit ernstere Konsequenzen bedeuten, als die bloße Ausnutzung seiner Position zum Behufe der vorgezogenen Impfung (denn hierfür droht ihm nur ein Disziplinarverfahren). „Bild“ berichtet nun über ein vertrauliches Schreiben der Ermittler zum Stand der Ermittlungen an die Hallenser Linkspartei-Stadtratsvorsitzende Katja Müller, demzufolge Wiegand dreist versucht hatte, seine Impfung zu vertuschen – und damit andere sozusagen ins Boot zu holen. Der OB soll Untergebene zum Schweigen angewiesen haben – und zugleich seinem engeren Umfeld ebenfalls vorgezogene Impfungen ermöglicht haben.
16 Impfungen – davon acht für Stadträte, sieben Mitglieder des Katastrophenschutzstabes sowie eine für den Kulturbeigeordneten wurden verabreicht, angeblich nur von Impfdosen, die andernfalls ohnehin wegen Ablauf der Haltbarkeit aus dem Verkehr gezogen worden wären, wie Wiegand als Schutzbehauptung erklärt hatte. Dies war offenkundig eine Lüge: „Bei keiner dieser Impfungen drohte aktuell und zeitnah ein Verwurf der Impfdosen nach Ablauf der Haltbarkeit„, zitiert „Bild“ die Staatsanwaltschaft.
Schamlose Lügen über Haltbarkeit
Tatsächlich existierte sehr wohl für die angeblich entsorgungsreifen Restdosen, die sich der OB und seine Spezis unter der Ausrede „wird ansonsten doch eh weggeschmissen“ gesichert haben wollen, eine Liste von Impfberechtigten – und darauf standen periodisierte Empfänger, etwa Pflegepersonal, das die Dosen dringend gebraucht hätten. Obwohl ihm dies sehr wohl bekannt war, soll der OB laut den Anklägern schamlos Druck auf sowohl eine Amtsärztin als auch den Chef des Impfzentrums ausgeübt haben, um – nach seiner eigenen Impfung – auch die der Stadträte und sonstigen Bevorzugten zu erwirken.
Heute soll jetzt entschieden werden, ob der längst unhaltbar gewordene OB „beurlaubt“ wird. Für die politische Hygiene wäre dies wohl das Mindeste – obwohl Wiegand mit seinem Verhalten, verglichen mit dem unseriösen Gebaren etlicher von Merkels Ministern, in der politischen „Kultur“ dieses Landes weiß Gott keine Ausnahme darstellt. (DM)