Nach dem Impfgipfel: Hoffnung auf Normalität rückt in weite Ferne

Der heutige Impfgipfel wirft wieder einmal mehr offene Fragen auf, als er beantwortet – die von den gewohnt „investigativen“ Leitmedien in diesem Land natürlich wieder einmal nicht gestellt werden. Vor allem die Aufhebung der Priorisierung „noch im Juni“ wird als Erfolg der Kampagne gefeiert, weil ja bis dahin angeblich genug Impfstoff geliefert sei. Zwei wesentliche Fragen bleiben hierbei jedoch unberücksichtigt: Was, wenn die „Doppelmutanten“ (oder bis dahin weitere neuartige Sars-CoV2-Varianten) die Impfstoffe ausbooten – und welche Folgen ergeben sich aus den neuen Beschlüssen für das Ende der Corona-Maßnahmen?

Denn das „Ende der Pandemie“, „Öffnungsperspektiven“ und die Rücknahme aller Beschränkungen, von Merkel für das Ende des Sommers (und damit in etwa zeitgleich mit dem Ende ihrer Amtszeit) angekündigt, sollte bisher ja eigentlich davon abhängen, dass „jedem Bürger ein Impfangebot“ gemacht wurde. Konkret war damit gemeint: Erst wenn jeder Deutsche geimpft ist oder dazu die Gelegenheit bekam, die er auf eigene Verantwortung ausschlug, werden jegliche Freiheiten restituiert; mögliche Einschränkungen hätten dann, so Merkel im Februar vielsagend, allenfalls noch denen gedroht, die sich der Impfung trotz des Angebots weiter verweigern.

Nun aber wird, ab Juni, dieses „Angebot“ – nichts anderes bedeutet die Beseitigung der Priorisierung und völlige Freigabe der Impfungen ja – auf einen Schlag jedem erteilt. Bedeutet dies also, dass damit auch die Corona-Maßnahmen entfallen? Natürlich nicht – weil die Regierung erst den weiteren Fortschritt der Impfkampagne abwarten will. Bislang, bei Fortbestand der Prioritätenlisten, bestand das „Angebot“ in konkreten Einladungen zu Impfterminen, die zeitlich konkret planbar und relativ zeitnah waren. Wenn sich ab Juni jeder, der Lust hat, selbst um seine Impfung kümmern darf, muss er die Termine hinnehmen, die ihm genannt werden – und die können sich theoretisch endlos in die Zukunft verschieben.

Angebote für jeden – mit fragwürdigem Zieldatum

Zum Beispiel, weil es – wie die Regierung selbst warnend ins Kalkül zieht – durchaus zu Engpässen und Verzögerungen bei den bestellten Impfstoffen kommen kann. Im zweiten Quartal erwarte Deutschland 80 Millionen Impfdosen, so Merkel heute, von denen der Großteil – 50 Millionen Dosen – von den Herstellern BioNTech und Pfizer kommen soll. Wohlweislich dämpft Merkel die Hoffnungen auf allzu große Beschleunigung: Ein Ende der Reihenfolge bedeute nicht, dass „dann jeder sofort geimpft werden kann„, betonte Merkel. Doch es könne sich dann jeder um einen Impftermin „bemühen“. Unausgesprochener Hintergedanke: Wenn dann ein 30-jähriger etwa die Nachricht erhalt, sein Erstimpfungstermin ist im Januar 2022 und der Zweittermin im April 2022, dann dürfen wir uns auf mindestens noch ein Jahr Lockdown oder Dauerschikanen mit Tests und Maske einrichten.

Die zweite große Unwägbarkeit jedoch stellen hier die immer neuen „Mutanten“ dar. Auf die brasilianische „Horrormutation“ P.1, die Karl Lauterbach seit Wochen wie das nahende Jüngste Gerücht beschwört, folgt nun aktuell die indische „Doppelmutante“ B.1617 (die neueste Steigerung von „tödlichster Virus aller Zeiten“). Es wird absehbar immer weitere Mutanten geben – das Natürlichste der Welt und bei der Virenevolution schon immer ein natürlicher Prozess, der in früheren Jahren, ohne Ausrufung des globalen Pandemie-Protokolls, schlichtweg niemanden interessiert hatte. Bei Corona wird das virologische Dauersequenzieren zur Obsession.

Mutanten für alle Zeiten

Und da ständige Weiterentwicklungen des Virus, so wie bei allen saisonalen Grippevirenstämmen, auch eine ständige Anpassung und Neujustierung von Impfstoffen erfordert, ist schon jetzt absehbar, das wir uns ständig und immer wieder neu impfen lassen dürfen – viermal pro Jahr oder öfter – und dies mit potentiell ewigen Einschränkungen und Lockdowns einhergehen wird. Für die „Indien-Mutante“ gelten ja jetzt schon die meisten Vakzine als unwirksam.

Insofern sind die Inaussichtstellungen von Freiheiten durch die Kanzlerin vor dem heutigen Impfgipfel nur Schall und Rauch, ebenso wie Merkels explizite Trennung zwischen Getesteten und Geimpften, die bei der „Rückgabe von Freiheitsrechten“ nicht gleichgestellt werden dürften: Für Getestete könne nicht das gelten, was für vollständige Geimpfte gelte, hatte die Kanzlerin Merkel nach Teilnehmerangaben in der hybriden Sitzung des CDU-Präsidiums vor dem Impfgipfel gesagt, und zudem erklärt, dass die Sicherheit der Impfung „viel robuster“ sei als die Sicherheit von Tests. Die von der Kanzlerin geschürte Hoffnung, dass die gerade erst gezogene „Bundes-Notbremse“ in Kürze schon wieder gelockert werden könne, scheint jedoch mit Blick auf die „Mutanten“ und die weiter ungerichtet laufenden Tests völlig unrealistisch. (DM)