Einer der Vorzüge neuer Parteien ist, dass sie optimale Entfaltungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten für Parvenüs und politische Seiteneinsteiger bieten – umso mehr, je schneller die Partei vom eigenen Erfolg überrascht wird und deshalb ihre heile Not hat, errungene Mandate zu besetzen. So erging es der AfD in den ersten Jahren seit Gründung und erst recht nach der Bundestagswahl 2017. Zwei Problemgruppen stiegen auf diese Weise in der Partei kometenhaft auf: Extremisten mit unappetitlicher Vergangenheit – und Karrieristen, die vor allem ihr eigenes Süppchen kochen wollen.
Zu letzteren gehörte offenkundig auch der 55-jährige baden-württembergische Abgeordnete Lars Patrick Berg: Schon kurz nach Gründung 2013 in die damalige Lucke-Partei eingetreten, fiel er dort schnell die Treppe hoch; 2016 Abgeordneter im Stuttgarter Landtag – und 2019 dann Einzug ins Europaparlament, wo er als AfD’ler der Fraktion “Identität und Demokratie” (ID) angehörte. Dort begibt er sich jetzt auf einen Ego-Trip – und verlässt die Fraktion. Dürftige Ausrede: Berg sieht die AfD “zur Protestbewegung abdriften“, wie ihn die “Stuttgarter Nachrichten” zitieren.
War sie das nicht von Anfang an? Ist ihr Berg nicht aus eben diesem Grund einst beigetreten? Statt den Kampf um eine “konservative, bürgerliche AfD fortzusetzen, kehrt er ihr eher den Rücken – ein neuerlicher Fall von Polit-Partikularismus, für die neben Parteigründer Bernd Lucke auch seine Nachfolgerin Frauke Petry Pate standen und der derzeit bereits in mehreren Landtagen und auch im Bundestag als Folge der Flügel-Parteispaltung zum Schisma ganzer Fraktionen führte.
Dauerhafte Spaltung
Statt berechtigte Kritik innerhalb der Partei zu artikulieren und zu versuchen, die AfD von innen heraus zu verändern, gibt Berg sie gleich ganz verloren. Was er dabei vergisst: Noch vor der geschmähten Alternative wird er selbst in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden – denn die Abtrünnigen vergessen gerne, dass sie ohne die sie tragenden Parteistrukturen rasch den Weg alles Irdischen gehen und ihre Chancen auf Wiederwahl in lukrative und einflussreiche Ämter als One-Man-Kandidaten gleich Null sind.
Auf solche flatterhaften Figuren kann und muss die AfD genauso verzichten wie auf den Bodensatz einstiger Rechtsauslegerparteien, die in ihr leider allzulange eine unkritische neue Heimat fanden. (DM)