Erst die Wahl, dann die Qual (Foto: Von StunningArt/Shutterstock)

Nach der Wahl ist vor dem Aufwachen

Die Propagandaheere der Massenmedien und Parteiapparate versuchen mit wenig Erfolg, die Bundestagswahl am 26. September 2021 zu einem wichtigen politischen Ereignis hochzujubeln. Was in der Vergangenheit noch meist gelang, nämlich der nationalen Parlamentswahl mittels eines mächtigen Trommelwirbels Bedeutung zu verleihen, die sie tatsächlich nicht hat, will diesmal kaum gelingen. Denn die künftige Machtverteilung in dem real existierenden Kartell der etablierten politischen Kräfte lässt die Wähler recht unbeeindruckt. Nur die Entscheidung, ob nun der SPD-Kandidat oder jener von CDU/CSU Angela Merkel ins Kanzleramt folgen wird, kann auf einiges Interesse stoßen.

Von Wolfgang Hübner

Da die SPD-Strategen frühzeitig erkannt haben, dass die Kanzlerfrage die einzige ist, die das Publikum der auf trostlosem Niveau agierenden Politbühne in Spannung halten kann, hat Olaf Scholz bessere Chancen als der selbst in den eigenen Reihen ungeliebte Armin Laschet. Doch ob nun Scholz oder Laschet: Jeder der beiden wird Kanzler einer Koalition von höchstwahrscheinlich drei Parteien sein. Diese Koalition erbt eine solche Vielzahl von aufgestauten Problemen der Merkel-Ära, um mit einiger Sicherheit daran zu scheitern. Was übrigens nicht zwangsläufig den Bruch der Koalition bedingt, sondern den Problemstau durch faule Kompromisse und Nichtstun nur noch unlösbarer machen könnte.

Keine Stimme für die Parteien des Kartells

Was bedeutet all das für patriotische, rechtsdemokratische, systemkritische Deutsche mit Wahlrecht? Ganz grundsätzlich keine, auch keine „taktische“ Stimme für eine der fünf Kartellparteien CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke. Es gibt keinen einzigen überzeugenden Grund zu glauben, ein Kanzler Laschet sei das „kleinere Übel“ im Vergleich zu Kanzler Scholz: Denn ein Übel sind sie beide samt ihren Parteien. Und wer aus Frust über das Trauerspiel der von Merkel ruinierten Union, den noch offenen Richtungskampf in der AfD oder den andauernden Corona-Notstand notfalls FDP wählt, will einfach nicht wahrhaben, wie tief die Verwerfungen, wie groß die Lasten in Deutschland sind.

Diese Weigerung, den bedrohlichen Realitäten ins Auge zu sehen, ist noch immer weit verbreitet. Sie ist aber nicht zukunftsfähig: Alle Bereiche der Politik in Deutschland bedürfen radikaler Veränderungen zum Nutzen von Volk und Staat. Mit den Parteien des Kartells ist das in ihrer gegenwärtigen und wohl auch künftigen Verfassung nicht möglich. An dieser Situation wird jeglicher möglicher Wahlausgang nichts ändern. Auch eventuelle erfreuliche Stimmenzugewinne der AfD oder ein achtbares Ergebnis der neuen Basispartei machen kaum etwas besser, aber selbstverständlich auch nichts schlechter. Und mehr wird am 26. September systemoppositionell nicht herausspringen.

Gleichwohl ist es richtig und sinnvoll, die Stimmabgabe wenigstens für dieses Zeichen des Widerstandes zu nutzen. Denn Wahlverweigerung, die nicht organisiert und in großer Zahl erfolgt, bleibt realpolitisch folgenlos, schadet aber den derzeit noch minderheitlichen oppositionellen Parlamentskräften. Sollte die AfD unter oder nur knapp oberhalb ihres Wahlresultats von 2017 bleiben, dann muss sie sich allerdings der Frage stellen, warum sie in so geringer Weise als die Alternative betrachtet wird, die sie zu sein beansprucht. Ob die AfD eine zukunftsweisende Antwort darauf findet, ist ungewiss.

Der Problemstau in Deutschland erzwingt Bewegung

Gewiss ist allerdings, dass die aufgestauten Probleme in Deutschland (Migration, Energie- und Klimapolitik, Demographie, Renten, Pflege, Sicherheit, Militär, EU-Kosten, Ökonomie, Inflation, Corona usw.) hohes systemoppositionelles Protest- und Widerstandspotential in sich bergen. Dieses wird sich auf vielerlei Wegen entladen, wenn der Wahl mit dem zu erwartenden unbefriedigendem Ergebnis das ernüchternde Aufwachen folgt. Mit diesem Aufwachen ist nicht aus Optimismus zu rechnen, sondern weil die bleierne Zeit der Merkel-Ära weder unter Scholz, Laschet oder gar Baerbock einfach fortgesetzt und verlängert werden kann, auch wenn das versucht werden sollte.

Ich habe in vielen meiner politischen Kommentare immer wieder darauf hingewiesen, dass nur machtvolle systemoppositionelle außerparlamentarische Bewegungen den faktischen Stillstand in Deutschland positiv verändern können. Die vielen ungelösten politischen und gesellschaftlichen Defizite und Herausforderungen machen die schon bald zu erwartende Verletzung von Schmerzgrenzen bei größeren Bevölkerungsgruppen auch deshalb wahrscheinlich, weil die politische Autorität der Kartellparteien schon vor der Wahl am 26. September auf einem Tiefpunkt angelangt ist.

Wenn der Wahl ein Erwachen folgt, weil die Verhältnisse das erzwingen – erst dann fängt eine neue Ära an, nämlich die der Unruhe. Diese Unruhe ist so notwendig wie gewiss, wenngleich ihr Ergebnis – wie immer in der Geschichte – unsicher ist.

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