Foto: Scholz bei Stimmabgabe am 26.09.2021 (über dts Nachrichtenagentur)

Neues aus dem Kasperletheater

Hier wieder einige aktuelle Meldungen der parlamentarischen Scheindemokratie:

Scholz drückt bei Regierungsbildung aufs Tempo

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz drückt bei der Bildung einer neuen Bundesregierung aufs Tempo. Er wolle „so schnell wie möglich“ eine Regierung mit Grünen und FDP bilden, sagte er am Montag nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums. Nach Möglichkeit solle dies vor Weihnachten geschehen.

Über Gesprächsverläufe werde man sich schnell mit den anderen Parteien abstimmen. Sondierungen sollten nicht zu lange dauern, bevor es zu Koalitionsverhandlungen komme, fügte Scholz hinzu. Eine Regierung müsse zudem so miteinander arbeiten, „dass sie wiedergewählt werden kann“.

Überstimmenden Medienberichten zufolge bereitet sich auch die Union auf mögliche Verhandlungen mit Grünen und FDP vor. Laut eines Berichts der „Bild“ soll CDU-Chef Armin Laschet bereits länger mit dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner geredet haben. Ein Gespräch mit Grünen-Chefin Annalena Baerbock soll noch am Montag geplant sein.

Eine Personaldiskussion um Laschet soll es dem Vernehmen nach in der Union trotz des schwachen Abschneidens bei der Bundestagswahl vorerst nicht geben.

FDP-Generalsekretär mahnt Union zur Reformbereitschaft

FDP-Generalsekretär Volker Wissing hat die Union nach der Bundestagswahl aufgefordert, reformbereit zu sein. „Die Union ist eine Reformverhinderungspartei gewesen“, sagte Wissing dem Fernsehsender Phoenix. Grundsätzlich lägen die im Unionsprogramm niedergeschriebenen Positionen der FDP näher als die von SPD und Grünen, „aber die Union hat ein solches Programm in den letzten 16 Jahren wiederholt vorgelegt, aber immer daran gearbeitet, es selbst nicht umzusetzen“.

Wissing verwies auf die von der Union wiederholt vertagten Steuerreformen. Jetzt würden die Liberalen genau darauf achten, ob CDU und CSU bereit seien, neue Wege zu gehen. „Das lethargische Wir verändern nichts, dann müssen wir es auch nicht erklären ist nicht mehr angebracht.“

Die Ankündigung der Union, jetzt ein „Modernisierungsjahrzehnt“ einläuten zu wollen, „zeigt die ganze Zerrissenheit und Misere“, die durch die Große Koalition verursacht worden sei. Eine Dreier-Koalition müsse einen Mehrwert für die Menschen in Deutschland bringen, daran werde man gemessen. Das gelinge nur, wenn man ein überzeugendes Regierungsprogramm vorlegen könne, das von allen Partnern gemeinsam getragen werde.

„Wichtig ist, dass man sich auf Ziele verständigt, hinter denen sich alle versammeln können. Jeder muss hinter allem stehen“, sagte Wissing.

Linken-Chefin pocht nach Wahl-Desaster auf Fehleranalyse

Linken-Chefin Janine Wissler fordert nach dem Absturz ihrer Partei bei der Bundestagswahl eine umfangreiche Fehleranalyse. „Mein Eindruck ist, dass die Fehler nicht in den letzten zwei Monaten in der heißen Wahlkampfphase entstanden sind, sondern deutlich tiefer liegen“, sagte sie am Montag in der Bundespressekonferenz. Sie seien über längere Zeit entstanden.

Auf den letzten Metern habe man sicherlich aber auch „ein Prozent nachgegeben“, fügte Wissler hinzu. Flächendeckend habe man „schmerzliche Verluste“ erlitten. Dies sei ein „tiefer Einschnitt“.

Über die drei Direktmandate aus Berlin und Leipzig sei man besonders dankbar. Nur ihnen habe man es zu verdanken, in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen, so die Linken-Vorsitzende. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sprach unterdessen von „externen Faktoren“, die für die Linke „ungünstig“ gewesen seien.

Ansonsten teilte er die Einschätzung seiner Co-Spitzenkandidaten bei der Wahl. Die Linke hatte am Sonntag mit einem Ergebnis von 4,9 Prozent knapp die Fünf-Prozent-Hürde verpasst, konnte aber drei Direktmandate gewinnen und somit über die Grundmandatsklausel in den Bundestag einziehen. Sie kommt auf 39 Mandate im neuen Parlament.

Weil: Mitgliederbefragung zur Regierungsbildung nicht notwendig

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erteilt Forderungen nach einer Mitgliederbefragung in der SPD über eine Regierungsbildung eine Absage. „Derzeit kann ich nicht erkennen, warum das notwendig sein sollte“, sagte Weil der „Welt“. Man habe mit der Regierungsbildung noch nicht mal begonnen.

„Zuletzt bestand in der SPD in allen wichtigen Fragen große Geschlossenheit.“ Eine Mitgliederbefragung mache man, wenn man sich bei wesentlichen Themen uneinig sei und wichtige inhaltliche Weichenstellungen klären möchte. „Aber das ist doch gar nicht absehbar.“

Parteivize Kevin Kühnert hatte eine solche Befragung ins Spiel gebracht. Weil sieht den Auftrag zur Regierungsbildung klar bei der SPD. „Es wird nicht jeder jeden anrufen, sondern Olaf Scholz wird die Initiative zu Sondierungen ergreifen“, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die Ankündigung von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU), ebenfalls eine Regierungsbildung ausloten zu wollen.

„Richtig ist, dass es eine komplizierte Regierungsbildung wird. Drei Parteien zusammenzubringen, ist nicht einfach“, so Weil. „Aber alle Beteiligten wissen, dass Olaf Scholz durch das Ergebnis gestärkt in die kommenden Verhandlungen geht. Das Comeback der SPD in den vergangenen zwei Monaten ist klar mit seiner Person verbunden.“ Eine monatelange Hängepartei bei der Regierungsbildung 2017/18 dürfe es nicht noch einmal geben, mahnte der SPD-Politiker. „Ich teile uneingeschränkt die Einschätzung, dass das viel zu lange gedauert hat und diesmal deutlich schneller laufen muss. Ich hoffe, dass alle aus den damaligen Erfahrungen gelernt und die richtigen Schlussfolgerungen gezogen haben. Die jetzt notwendigen Gespräche müssen möglichst rasch abgeschlossen werden. Beim letzten Mal hat die Politik die Geduld der Bevölkerung enorm strapaziert.“ Eine erneute Koalition mit der Union schloss er aus. „Allen, hier wie dort, ist klar, dass eine Fortsetzung der GroKo keine gute Idee wäre. Zunächst wäre eine solche Koalition nach dem aktuellen Wahlergebnis gar keine große mehr. Hinzu kommt, dass wir mit der Union keine ausreichende Schnittmenge für einen Neuanfang hätten“, sagte Weil. Auch im Land Niedersachsen seien die Gemeinsamkeiten von SPD und Union erschöpft. Man sei sich „auch in Niedersachsen der Nachteile einer GroKo bewusst“, so Weil. „Und wir streben nach der kommenden Landtagswahl auch andere Mehrheiten an.“

Bericht: Streit im CDU-Präsidium um Wahl des Fraktionsvorsitzenden

Im CDU-Präsidium ist am Morgen nach der Bundestagswahl offenbar ein Streit um die Wahl des Fraktionsvorsitzenden entbrannt. Das berichtet die „Welt“ unter Berufung auf eigene Informationen. Demnach soll CDU-Chef Armin Laschet vorgeschlagen haben, dass der amtierende Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus den Fraktionsvorsitz zunächst nur „kommissarisch“ weiterführen soll.

Der Amtsinhaber will sich aber dem Vernehmen nach erneut für ein Jahr wählen lassen. Die neue Fraktion kommt am Dienstag erstmals zusammen. Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, dass Laschet als Partei- und Fraktionsvorsitzender in mögliche Koalitionsverhandlungen gehen will.

Scholz bekräftigt Anspruch auf Regierungsbildung

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat auch am Morgen nach der Bundestagswahl den Anspruch seiner Partei bekräftigt, die neue Bundesregierung anzuführen. „Drei Parteien haben gestern gewonnen und damit einen Auftrag bekommen, zu regieren: Die SPD, die Grünen und die FDP“, sagte er im Willy-Brandt-Haus. Die Union habe auch eine „klare Botschaft“ bekommen: „Sie soll in die Opposition“, fügte Scholz hinzu.

Bei der Bundestagswahl war die SPD laut vorläufigem Endergebnis mit 25,7 Prozent stärkste Kraft geworden. Dahinter folgen CDU/CSU (24,1), Grüne (14,8), FDP (11,5), AfD (10,3) und Linke (4,9 Prozent). Die anderen Parteien kommen auf 8,7 Prozent.

Realistische Koalitionen sind ein Jamaika-Bündnis (Union, Grüne, FDP) oder eine „Ampel“ (SPD, Grüne, FDP). Auch eine Fortsetzung der Großen Koalition wäre möglich, dann aber unter Führung der Sozialdemokraten. Letztere Option wird allerdings von Vertretern beider Seiten mit sehr viel Skepsis gesehen.

Özdemir will mit FDP „Modernisierungspakt“ schließen

Der ehemalige Grünen-Chef Cem Özdemir hat sich für baldige Gespräche seiner Partei mit der FDP ausgesprochen. „Ich halte es für ratsam, wenn Grüne und FDP als integrale Bestandteile einer künftigen Bundesregierung jetzt miteinander besprechen, auf welche Ziele wir uns verständigen können“, sagte Özdemir der „Welt“. Wenn das gelänge, „sind wir einen großen Schritt weiter“.

Die Lage sei anders als 2017: „Ich halte es diesmal für möglich, mit der FDP einen Modernisierungspakt für Deutschland zu schließen.“ Die nächste Bundesregierung dürfe den Kampf gegen den Klimawandel nicht nur einem Koalitionspartner zuweisen, sondern müsse diesen Kampf als gemeinsame Aufgabe begreifen. „Umgekehrt sind wir Grüne auch an einer starken deutschen Wirtschaft, sozialer Gerechtigkeit und einer menschenrechtsorientierten Außenpolitik interessiert.“

Ob Jamaika oder Ampel, es gehe „nicht um die jeweilige Verlängerung von Rot-Grün oder Schwarz-Gelb mit einem weiteren Koalitionspartner“. Von diesem Lagerdenken müsse man sich verabschieden, mahnte Özdemir. Im Wahlkampf seien FDP und Grüne Konkurrenten gewesen.

„Jetzt geht es darum, aufeinander zuzugehen. Beide Parteien müssen über sich hinauswachsen.“ Das Binnenverhältnis in einer Dreier-Koalition müsse neu austariert werden.

„Die bisherigen Hierarchieverhältnisse, die Koalitionen oft geprägt haben, gehören der Vergangenheit an. Die nächste Bundesregierung kann nur eine sein, in der partnerschaftlich und auf Augenhöhe agiert wird“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete der Zeitung. „Die Zeiten von Koch und Kellner sind lange vorbei.“

Esken gegen Vorab-Sondierungen von Grünen und FDP

Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken erwartet von Grünen und FDP, dass sie für eine mögliche Ampel-Koalition keine Vorab-Sondierungen führen. „Selbstverständlich“ sei es die SPD, die zu Sondierungsgesprächen einlade, sagte sie den Sendern RTL und n-tv. Präsidium und Parteivorstand kämen am Montag zusammen, um zu besprechen, wie die Einladungen aussehen werden.

„Wir sitzen nicht am Katzentisch.“ Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hatte die Grünen aufgefordert, zunächst unter den beiden Parteien zu sprechen. Die Grünen-Spitze zeigte sich dafür offen.

 

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