Verfassungsschutzbeobachtung (Bild: shutterstock.com/Von B.Forenius)

„Das eigentliche Ziel ist die AfD“ – VS und IfS – Erik Lehnert im Gespräch

Der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt stuft das neurechte „Institut für Staatspolitik“ (IfS) als „gesichert rechtsextrem“ ein. Im TAGESSTIMME-Interview spricht IfS-Leiter Erik Lehnert über die neue Einstufung, die Vorwürfe des Verfassungsschutzes und was aus seiner Sicht dahintersteckt.

Erschienen bei Sezession

Vorab wurden die Medien informiert, dann wurde der Verfassungsschutzbericht online gestellt: Das IfS wird nun in Sachsen-Anhalt beobachtet.

Dr. Erik Lehnert, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik, stand direkt nach Bekanntwerden des Vorfalls der Grazer Tagesstimme Rede und Antwort. Wir geben das Gespräch im folgenden wieder. 


Der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt stuft das neurechte „Institut für Staatspolitik“ (IfS) als „gesichert rechtsextrem“ ein. Im TAGESSTIMME-Interview spricht IfS-Leiter Dr. Erik Lehnert über die neue Einstufung, die Vorwürfe des Verfassungsschutzes und was aus seiner Sicht dahintersteckt.

Tagesstimme: Gestern brachten allen großen Zeitungen die Meldung, dass das „Institut für Staatspolitik“ nun vom Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde. Was heißt das zunächst einmal?

Erik Lehnert: Die Meldung bezieht sich auf den noch unveröffentlichten Verfassungsschutzbericht des Landesamtes für 2020. Wir haben von der Einstufung auch erst aus der Presse erfahren. Zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet diese Einstufung zunächst einmal viele Presseanfragen von den üblichen Verdächtigen, die sich die Hände reiben. Kritische Berichterstattung findet nicht statt, weil die Presse mit dem Parteienstaat an einem Strang zieht und zu einem Verlautbarungsorgan der Behörden verkommen ist.

Tagesstimme: Ihr Institut ist wie alle oppositionellen Gruppen und Denker schon länger im Visier der Repressionsorgane. Haben Sie die „Heraufstufung“ bereits erwartet oder kommt diese nach nunmehr 20 Jahren erfolgte Einschätzung überraschend?

Lehnert: Wir mussten damit rechnen, dass irgendwann aus dem Verdachtsfall ein Beobachtungsfall wird. Allerdings würde uns schon interessieren, welche neuen Erkenntnisse die Behörde hat, um zu dieser Einstufung zu kommen.

Ich kann nicht finden, dass sich unsere Arbeit in den letzten Jahren so verändert hat, dass diese Verschärfung gerechtfertigt wäre. Es drängt sich ja förmlich der Verdacht auf, dass man das Jahr zwischen Verdachtsfall und Beobachtungsfall nur aus formalen Gründen verstreichen ließ, die Einstufung aber längst beschlossene Sache war.

Die Landesämter müssen offensichtlich Munition für das Großvorhaben „Beobachtungsfall AfD“ liefern, da die von den Konkurrenzparteien geführten Innenministerien realisiert haben, dass die AfD nicht von allein wieder verschwindet.

Tagesstimme: Die AfD ist nur ein Beispiel für Organisationen, die in den letzten Jahren ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sind, hinzu kommen beispielsweise auch das Bürgernetzwerk „Ein Prozent“ und die Zeitschrift „Compact“. Was steckt dahinter?

Lehnert: Dabei handelt es sich um eine konzertierte Aktion gegen die „Neue Rechte“, zu der Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes, im letzten Jahr den Startschuss gegeben hat. Er konnte dabei allerdings auf die Arbeit seines Vorgängers aufbauen, der für die Beobachtung der Identitären Bewegung gesorgt hatte. Ziel ist es, Kritiker mundtot zu machen.

Das eigentliche Ziel ist zweifellos die AfD, bei der sich der Angriff aber aufgrund ihres Parteienstatus‘ und dem hohen Zuspruch, den sie in einigen Bundesländern genießt, schwieriger gestaltet. Wenn der Verfassungsschutz es in dieser Richtung übertreibt, droht die schon geringe Akzeptanz für diese Einrichtung weiter zu schwinden.

Also nimmt man sich erst einmal alles vor, was kleiner ist und über irgendeinen Bezug zur AfD verfügt. Mit diesem Vorgehen erhöht man den Druck auf das Milieu insgesamt und hofft vermutlich weiterhin, dass sich dadurch Distanzierungen und womöglich die Parteispaltung provozieren lassen. Es handelt sich um ein Spiel über Bande.

Tagesstimme: Das IfS vertrete „rassistische und biologistische Sichtweisen“ und sei ein „geistiges Gravitationszentrum“ für die ganze deutsche Neue Rechte, wird Ihnen vom Verfassungsschutz vorgeworfen. Was sagen Sie dazu?

Lehnert: Natürlich erheben wir den Anspruch ein geistiges Gravitationszentrum zu sein, wenn man darunter einen zentralen Anziehungspunkt des freien Geistes versteht. Dass das den Mächtigen nicht schmeckt, darf einen nicht wundern. Die Macht ist ihren Kritikern nie wohlgesonnen.

Was an diesem Vorgang heute so abstoßend wirkt, ist weniger die Tatsache als solche, sondern vielmehr die moralische Verbrämung des Machterhalts. Dem Kritiker wird die Satisfaktionsfähigkeit abgesprochen, um sich mit seinen Argumenten nicht auseinandersetzen zu müssen.

Der Vorwurf, wir würden „rassistische und biologistische Sichtweisen“ vertreten, ist Blödsinn. Da würden mich mal die Belege interessieren.

Tagesstimme: Weiter wird ihnen vorgeworfen, eine „vermeintliche linke Hegemonie in Gesellschaft und Politik aufbrechen“ zu wollen und eine „Diskursverschiebung nach ,rechts’“ anzustreben.

Lehnert: Das ist das normale Geschäft einer oppositionellen Denkrichtung, dass sie den politischen Gegner angreift. Dass es eine linke Hegemonie gibt, wird niemand ernsthaft bestreiten. Schon das gemeinsame Vorgehen von Politik und Presse in unserem Fall beweist das doch zur Genüge.

Wenn es diese Hegemonie nicht gäbe, wären irgendwo wenigstens Zwischentöne in der Berichterstattung zu hören, oder ein Politiker würde zur Mäßigung aufrufen. Insofern ist auch dieser Vorwurf absurd und entlarvt diejenigen, die ihn erheben.

Tagesstimme: Mutmaßlich um den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln als angemessen und notwendig erscheinen zu lassen, wird die mangelnde Transparenz des IfS kritisch vermerkt. Das Institut habe bisher weder Ideologie noch Struktur offengelegt, heißt es.

Lehnert: Das ist etwas merkwürdig, weil es ja gleichzeitig heißt: „Stärker als viele andere rechtsextremistische Gruppierungen setzt das IfS auf die Schrift als Mittel zur Verbreitung der eigenen Ideologie.“ Dass wir nicht sagen, was wir meinen, kann man uns daher eigentlich nicht vorwerfen. Alles, was wir tun, ist öffentlich, sei es als gedrucktes oder gesprochenes Wort.

Aber ein Geheimdienst braucht natürlich irgendeine Begründung für seine Arbeit. Wenn es da nichts Verborgenes gibt, das zu erschnüffeln wäre, behauptet er einfach, es gäbe etwas.

Da ausgerechnet beim Verfassungsschutz die Beweislastumkehr gilt, muss der Verfassungsschutz seine Behauptungen nicht belegen. Und das Gegenteil zu beweisen, ist beim Vorwurf der mangelnden Transparenz unmöglich solange es keine vollends gläsernen Menschen gibt und Gedanken nicht lesbar sind.

Tagesstimme: Inwieweit sind Ihrerseits Gegenmaßnahmen geplant, beispielsweise eine Klage gegen die Einstufung?

Lehnert: Nun, wir prüfen das, allerdings sind die Aussichten nicht besonders gut. Seitdem die Verfassungsschutzbehörden den Joker „Menschenwürde“ entdeckt haben, und die Gerichte ihnen darin folgen, ist jede Aussage, die sich beispielsweise positiv auf den Fortbestand des deutschen Volkes bezieht, ein potentieller Verstoß gegen diese Menschenwürde.

Das klingt im ersten Moment absurd, denn auch Deutsche sind ja Menschen, aber das Prinzip „Menschenwürde“ wird so ausgelegt, dass jede Differenzierung innerhalb der Menschheit als Exklusion von anderen Menschen interpretiert wird. Normalerweise wäre das eine philosophischen und keine juristische Auseinandersetzung.

Tagesstimme: Die Einstufung ermöglicht sowohl weitere Maßnahmen gegen Sie, wie nachrichtendienstliche Überwachung, als auch gegen Unterstützer und Besucher von Veranstaltungen. Was heißt das konkret für eine Person die beispielsweise eine der Akademien in Schnellroda besuchen will?

Lehnert: Wie der Presseberichterstattung zu entnehmen war, werden wohl schon seit zwei Jahren nachrichtendienstliche Mittel gegen uns eingesetzt. Insofern wird sich an der Praxis nicht viel ändern, nur dass manch einer die anderen Teilnehmer mit etwas Argwohn betrachten wird. Genau das will der Verfassungsschutz erreichen.

Wer nach einem historischen Vorbild für dieses Vorgehen sucht, wird bei der Staatsicherheit der DDR fündig, Stichwort „Zersetzung“. Auch damals haben sich Leute, die ernsthaft an Veränderungen interessiert waren, davon nicht abschrecken lassen.

Es erfordert Mut zu seinen Überzeugungen zu stehen, auch im offiziell „freiesten Staat der deutschen Geschichte“.

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