Bessermenschen (Bild: shutterstock.com/Vulp)
Bessermenschen (Bild: shutterstock.com/Vulp)

Die große Not der Bessermenschen

Gerade in Zeiten, in denen sich Hinz und Kunz gemüßigt fühlt, sein gesamtes Seelenleben vor der Welt auszubreiten und jeder an exhibitionistischen Zwangsstörungen leidende Narzisst seine ganz persönliche Hirn-Diarrhoe samt sämtlicher Intimitäten für eine angemessene Dreingabe an den Altar der Weltseele hält, liegt es nur in der Natur der Sache, dass Sozialen Medien und die „Qualitäts-Journaille“ sehr gerne jene breite Bühne bieten, die dem explodierenden Ego dieser Zeitgenossen gerecht wird. Doch wenn dann, neben der unentwegten medialen Bauchpinselei auch mal Kritik an solchen Klugscheißern laut wird, dann wird geheult.

Heutige Umweltaktivisten erkennt man nicht an ihren wettergegerbten Gesichtern oder an den abgetragenen Allwetter-Ponchos, in denen sie sich todesmutig zwischen Walfängern und deren Opfern positionieren. Heutige „UmweltaktivistINNEN“ setzen sich nicht der sturmgepeitschten See aus, setzen nicht kilometerweise „Benjeshecken“, mähen nicht unzugängliche Bereiche von Trockenheiden mit der Sense, buddeln keine Froschtümpel mit dem Spaten und pflanzen keine ortsüblichen Bäume. Heutige „UmweltaktivistINNEN“ umarmen bestenfalls jene Bäume, die von Anderen gepflanzt wurden und halten sich, wie der Terminus bereits nahelegt, lieber „INNEN“ auf – vor dem Computer, auf dem gemütlichen Sofa aus der energieintensiven Massenproduktion.

Von dieser Warte aus geben dann Mittzwanziger den Unwissenden da draußen wertvolle Tipps zur Rettung unseres Planeten. Speziell geht es hier um eine rotgrüne „Umweltaktivistin“ und „Influencerin“ aus Österreich, die sich „Dariadaria“ nennt.

„Jetzt“, das „Jugend-Info-Portal“ der Süddeutschen Zeitung, Letztere auch und nicht zu Unrecht bekannt unter dem Namen „Alpen-Prawda“, titelte im Vorfeld der Bundestagswahl 2021:[1]

Die Influencerin Dariadaria gerät in einen Shitstorm, wenn sie vegetarisch statt vegan isst. Eine Umweltaktivistin muss sich für ihren Urlaub in Portugal rechtfertigen. Wenn von Menschen erwartet wird, dass sie sich wie Heilige verhalten.

Bevor wir zum Casus Knaxus kommen, erst einmal ein paar Worte zum Umweltengel Dariadaria, hinter dem sich die „Sinnfluencerin“ (so ihre Selbstbeschreibung) Madeleine Darya Alizadeh verbirgt. Madeleine, so erklärt die „SZ“:

setzt sich seit elf Jahren für eine gute und grüne Welt ein. So betreibt die Unternehmerin und Influencerin auf Instagram vor allem „sinnfluencing“: Sie macht sich seit Jahren für Flüchtlinge stark, schreibt über Feminismus, Body Neutrality und Rassismus ebenso wie über Veganismus und Fair Fashion. 2019 ist sie für die Grünen bei der Wahl fürs Parlament angetreten. Und im Frühjahr dieses Jahres schaffte es ihr eigenes Fair-Fashion-Label Dariadéh sogar in die Vogue. Natürlich ließ sie die Stücke ihrer Kollektion nicht von herkömmlichen Models präsentieren, sondern von Frauen unterschiedlichen Typs, Gewichts und Alters. Kein Wunder also, dass eine Journalistin sie unlängst als die „Gutfrau von Instagram“ bezeichnete. Und dennoch wird Madeleine „geshamed“– das heißt, im Internet an den Pranger gestellt, sobald ihr vermeintlich grüne „Fehler“ unterlaufen.

Das gesamte rotgrüne Programm also, wie nicht anders zu erwarten war, von „Flüchtlingen“, um die sich dann, nach erfolgreicher Ankunft hierzulande in Folge das Sozialamt zeitlebens kümmern kann – also der hart arbeitende Steuerzahler – oder die Justiz, weil nur allzu viele (sicherlich nicht alle) der „Schutzsuchenden“ sich nur schwer an hiesige traditionelle Gepflogenheiten gewöhnen mögen, wie etwa der Gleichstellung der Frauen, dem Gewaltmonopol des Staates, den Rechten der Mitbürger am eigenen Besitz, körperlicher Unversehrtheit oder Meinungsfreiheit in religiösen Fragen, über die Bekämpfung von Rassismus, also jeglicher Kritik an der Masseneinwanderung aus völlig inkompatiblen Kulturen, Genderismus, also der politisch korrekten Umdeutung, oder vielmehr Leugnung der Natur hin zur Laune abhängigen Beliebigkeit, über Ernährungsvorschriften und „grünes“ Einkaufen.

Doch wie hat sich die österreichische Jean D´Arc der ganzheitlichen Lebensart nun den Zorn einiger Jünger oder erklärter Kritiker zugezogen? Na mit dem in linksgrünen Kreisen üblichen „Wasser predigen und Champagner saufen“ natürlich! Die laut Süddeutscher Zeitung „vermeintlichen Fehler“, die der Sinnfluencerin unterliefen, die also eigentlich gar keine wirklichen Fehler sind, sondern nur durch das Gemoser all jener zu einem Problem aufgebauscht werden, die solche Internet-Klugscheißer wie Dariadaria irrsinnigerweise beim Wort nehmen und etwas Integrität einfordern, seien schlicht Banalitäten. Zumindest sind sie dies, wenn sie von Sinnfluencern begangen werden – verachtenswert und gnadenlos zu verurteilen wären sie nur dann, wenn sie uns, dem gemeinen Volk unterlaufen!

Konkret hat sich Dariadaria eine biologisch-dynamisch erzeugte Süßkartoffel im Backofen zurechtgemacht – und den Hergang dann auf Instagram breitgetreten. Die Betonung liegt auf EINE Süßkartoffel, so die SZ. Würde ja auch niemanden jucken, wenn Dariadaria nicht zu jenen Weltuntergangs-Propheten gehörte – sorry ProphetINNEN (nicht außen, denn dort ist es oft arschkalt) – die ununterbrochen und glasklar die Apokalypse als Menetekel an der Wand sehen, wenn Andere sich ebenso bescheuert verhalten, wie sie selbst. Es geht hier um den Overkill durch zu viel Stromverbrauch – es sei denn, einer Sinnfluencerin gelüstet es nach stundenlangem Auskotzen von Lebenstipps einer gerademal dem Teeniealter Entwachsenen nach EINER gebratenen Süßkartoffel. Da muss man schon mal ein oder beide Augen zudrücken, denn was bei einem Arbeiter nach einer 10-Stunden Schicht partout nicht sein darf, ist im Falle Dariadarias doch nur billig!

Die ehemals angeblich rein vegan sich ernährende Aktivistin aß auch während dieser Phase vegetarisch – in Veganerkreisen schlimmer als Kindesmord – allerdings war dies auf einer Zugreise (sicherlich klimaneutral!) durch die Ukraine, im Dienste der Caritas. Auch dafür wurde sie von ihren „FollowerINNEN“ scharf kritisiert. Um dieser ewigen Nörgelei zu entgehen und weil es auch wesentlich besser schmeckt, isst Dariadaria heute – zumindest auf Reisen (alle sicherlich klimaneutral!) vegetarisch. Die Süddeutsche Zeitung füllt diese unter linksgrünen Heilsbringern extrem verbreitete Flexibilität der eigenen Lebensweise wie folgt mit Sinnhaftigkeit:

So proklamiert sie in ihrem Kodex auf ihrer Website nicht nur, was sie nicht unterstützt – etwa die Milchindustrie, Fast-Fashion oder Mineralölunternehmen, sondern erklärt auch, warum sie manchmal von ihrem Lebensstil abweicht. Zum Beispiel bei Reisen in Länder, in denen es nur eine limitierte Auswahl an Speisen gibt.

Na dann ist ja alles in Butter, frisch und klimaneutral auf dem Lastenfahrrad geliefert vom Biobauern, nicht wahr!? Wird’s mal etwas unbequem, wenn man versucht, sich an den weltfremden Kack zu halten, den man – Entschuldigung – frau in Gardinenpredigten ins Internet raushaut, als gäbe es kein Morgen, dann wird Frau Sinnfluencerin ganz schnell großmütiger und etwas lockerer in der Hüfte. Und eine „limitierte Auswahl an Speisen“ geht ja mal schon gar nicht. Da macht der Gaumen einer ansonsten pure Askese predigenden Dariadaria nicht mit.

Doch damit nicht genug. Auch andere „SinnfluencerINNEN“, wie die 38jährige Deutsche, die im Artikel der Süddeutschen Zeitung „Flora“ genannt wird, machen sehr gerne Urlaub in fernen warmen Ländern und dorthin jetten sie dann, gemessen an ihren täglichen Predigten fürs dumme Volk, völlig sinnfrei mit dem Flugzeug, wie es sich für Privilegierte schließlich gehört. Deshalb wurde sie nach ihrer Rückkehr von Arbeitskollegen kritisiert:

Als sie einmal von einem Portugal-Urlaub zurückgekommen war, erntete sie den Kommentar: Da könne man aber nicht mit dem Zug hinfahren. Ein Scherz, aber gesessen hat er trotzdem. Durch ihren neuen Job (bei einer großen deutschen Umweltorganisation – Anmerkung des Autors) habe sich ihr Reiseverhalten noch mal verändert, erzählt sie. So habe sie beim Freundinnen-Trip nach Barcelona gesagt: „Sorry, da müssen wir in Zukunft mehr Zeit einplanen, denn solche Strecken fliege ich nicht mehr.

Jetzt dampft Flora wahrscheinlich klimaneutral mit dem von Elektro- und Diesellok gezogenen Reisewagon durch die Prärie, anstatt wirklich klimaneutral ihren Urlaub zuhause auf Balkonien zu verbringen, wie sie es wahrscheinlich dem Volk empfehlen würde.

Die Quintessenz dieses ganzen, an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbietenden Theaters ist: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, oder einzeln gebacken, wie Dariadarias Süßkartoffel, vor allem nicht, wenn es dann die Lebensweise der „Umweltengel, WeltuntergangspropheteINNEN und SinnfluencerINNEN“ betrifft. Denn dann ist nämlich Flexibilität das Gebot der Stunde, ja spätestens dann muss man die eigenen Tipps und Tricks für eine gerechtere Welt nicht mehr ganz so ernst nehmen.

Aber lassen wir doch Dariadaria und ihre allwissenden MitstreiterINNEN noch einmal zu Wort kommen und sehen, wie diese ihren eigenen ehernen Regeln entkommen und sich trotzdem noch zu den Bessermenschen zählen dürfen:

Sie habe keine moralische Hoheit gepachtet, beteuert sie. Aber als Dariadaria wird sie dennoch auf ein Podest gestellt – die moralische Erhabenheit wird von ihr kompromisslos erwartet. „Die Leute glauben, wenn du dich für ein bestimmtes Thema einsetzt, dass du 360 Grad fehlerfrei Regenbogen scheißt – aber das ist halt nicht so.

Ich denke, auf dieses „Podest“ stellt sich Jeder, der seine Weisheiten unbedingt in die Welt hinaustragen muss, schon selbst und dies ganz bewusst. Dann aber bitte nicht weinen, wenn es Leute gibt, die Eure Verlogenheit thematisieren! Dafür schämt Ihr Euch allerdings keine Sekunde, sondern rechtfertigt exakt das, was Ihr bei Anderen mit Bannflüchen belegt. Und Scham, wie etwa die neudeutsche „Flugscham“ ist nur angebracht, wenn sich Andere schämen sollen. Wird das eigene „Fehlverhalten“ aber offenbar und ist nicht mehr zu kaschieren, dann hat man flugs eine Ausflucht parat:

Dennoch sieht Flora auch einen positiven Effekt im Schämen. Nämlich als regulierendes Moment: „Schämen kann eine unglaubliche Kraft entfalten, aber auch unglaublich destruktiv sein – nämlich dann, wenn aus Shaming Shitstorm wird.

Also kurz gesagt – völlig „legitime“ Blockwartmentalität wird spätestens dann illegitim, wenn es die Blockwarte selbst trifft. Die Süddeutsche Zeitung assistiert natürlich in dieser typisch linksgrünen Schizophrenie und erklärt uns:

Es gibt eben einen Unterschied zwischen sich selbst schämen und beschämt werden. Der spürbare Druck gehöre trotzdem zur Pionierarbeit der grünen Bewegung dazu: Ohne ihn würde Flora beispielsweise nicht so überzeugt vegan leben, Second-Hand kaufen und komplett auf Kurztrips verzichten. „Ich will ja den Change – ich will, dass Tiere nicht weiter so gehalten werden und unser Planet drauf geht.“ Bloß dürfe es nicht elitär werden, ergänzt sie.

Die Welt ist also solange in Ordnung, wie die Rollen klar verteilt sind und die Vertreter der „grünen Bewegung“ stets diejenigen sind die kritisieren dürfen, der Rest, nämlich der wirklich arbeitende und steuerzahlende, unwissende, der Weltseele weniger verbundene Dummkopf der ewig Kritisierte bleibt und die “Elite”, also Flora, Dariadaria und Konsorten durch diesen ganzen Terror in ihrem Tun und Lassen nicht beeinträchtigt werden.

Blöde nur, wenn man – Entschuldigung – frau dann doch an den eigenen Worten gemessen wird, nicht wahr?! Gottseidank verzichtet Flora nun auf Kurztrips und verlegt sich lieber auf Fernreisen (klimaneutral, versteht sich)!

Doch was nun? Ich würde sagen – Keiner erwartet, liebe Dariadaria, dass Du Regenbogen scheißt. Will ich mir auch garnicht vorstellen. Es würde schon genügen, wenn Leute wie Du zwischendurch einfach mal die Fresse halten und ihre Umwelt nicht andauernd mit Maßregelungen traktieren würden, vor allem dann, wenn Du und Deinesgleichen zuweilen dazu neigt, nen alten Eimer auf ebendiese zu geben, wenn’s gerademal gut passt. Capishi?

So – und jetzt erstmal nen großen Pott Kaffee aus garantiert unfairem Handel!

Euer Alp Mar

 

[1] https://www.jetzt.de/umwelt/dariadaria-shitstorm-gruener-aktivismus-moral

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