Bezahlen wir wirklich mit unserer Gasrechnung Putins Krieg?



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Russische Militärfahrzeuge (Symbolbild:Imago)

Mit dem Bezug von russischem Gas und Öl finanzieren wir den russischen Angriffskrieg in der Ukraine – das behaupten jedenfalls unsere Leitmedien unablässig; die Politiker allerlei Geschlechts schwätzen dies nach und schicken sich an – stets zulasten der Bevölkerung, für deren Wohl sie verantwortlich sein sollen -, das halbschmutzige russische Gas so schnell wie möglich durch komplett schmutziges und extrem umweltschädlich gefördertes und zu uns transportiertes Fracking-Flüssiggas aus den USA zu ersetzen. Doch um dieses ökologische Verbrechen soll es in dieser Untersuchung nicht gehen; vielmehr um die Beantwortung der Frage, ob es wirklich zutrifft, dass wir die Toten in der Ukraine auf dem Gewissen haben, solange wir Energieträger aus Russland beziehen und so angeblich Putins Krieg finanzieren. Das Ergebnis vorweg: NEIN, keinesfalls. Nachfolgend die Beweiskette (die Summen sind der Einfachheit halber in Euro angegeben, ohne Umrechnung in Dollar oder Rubel).

Die deutschen Verbraucher bezogen seit Kriegsbeginn für 9,1 Milliarden Euro fossile Energieträger (Gas, Öl und Kohle) aus Russland. Das entspricht „stolzen“ 135 Millionen Euro pro Tag. Viel, viel Geld, gewiss – doch auch viel Existenzsicherung für uns. Doch während die gesamte Heizwärme, der Sprit und die daraus gewonnenen chemischen Produkte uns allen zugutekommen, fließt unser Geld nicht zur Gänze in die Taschen Putins; im Gegenteil. Dort landet eigentlich überhaupt nichts. Wieviel davon kommt nun bei seinem Militär an?

Nur Bruchteile fürs Militär

Die meisten Erlöse Russlands aus den Energieexporten geht für die Förderung der fossilen Rohstoffe und deren Transport drauf – so wie überall auf der Welt. Wobei die Förderung in Sibirien schwieriger ist als etwa am Persischen Golf. Nehmen wir einmal für Russland eine höhere Umsatzrendite der Branche an, sagen wir sieben Prozent: Bei 135 Millionen Euro täglich wären dies dann 9,45 Millionen Euro Gewinn pro Tag. Gazprom gehört nun zu 50 Prozent dem russischen Staat. Nehmen wir weiter an, diese Rendite träfe auch auf die Unternehmen der anderen Energieträger zu, und dass diese ebenfalls zur Hälfte dem Staat gehören. Somit verbliebe insgesamt ein Gewinn von 4,725 Mio. Euro, der an die staatlichen Eigner als Dividende ausgeschüttet werden. Die Aktionäre der anderen Hälfte zahlen für ihre Dividenden neun Prozent Steuern, also nur 425.250 Euro. Somit nahm der russische Staat 5,15 Millionen Euro täglich für die Energie ein, die an uns Deutsche verkauft wurde.

Doch nicht alles, was ein Staat einnimmt, gibt er für das Militär aus; auch bei uns noch nicht. Die Staatsausgaben Russlands betrugen 2020 umgerechnet 276 Milliarden Euro. Davon flossen rund Milliarden Euro in den Militärhaushalt, ökonomisch an sich selbstmörderische 20 Prozent. Von den täglich rund fünf Millionen Euro Staatseinnahmen flossen somit eine Million Euro in Putins Militärapparat – der davon dann Waffen beschaffen konnte – darunter auch die Angriffswaffen gegen die Ukraine, doch die meisten Waffensysteme stehen immer noch irgendwo sonst entlang der rund 20.000 Kilometer langen Außengrenze Russlands.

Kein Grund für schlechtes Gewissen

Von dem Geld, das wir für die benötigte Energie aus Russland ausgeben, kommen also rechnerisch ganze 0,74 Prozent Putins Militär zugute – von jedem Euro sind das nicht einmal ein dreiviertel Cent. Seit Kriegsbeginn wären das 67,4 Millionen EUR – der Preis für zehn Panzer. In der gleichen Zeit haben die Russen 490 Panzer „verloren“ (respektive wurden diese –  auch von deutschen Panzerfäusten – geschrottet). 67,4 Millionen Euro sind keine 9,1 Milliarden. wie von unseren Medien behauptet!. Wer angesichts dieser Verhältnisse weiterhin behauptet, unsere warmen Stuben würden den Krieg in der Ukraine finanzieren, lügt und spekuliert auf die Leichtgläubigkeit der Menschen gegenüber unseren Meinungsmachern. Das „Sondervermögen“ für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro für nur ein Jahr (!) entspricht übrigens 274 Millionen Euro pro Tag!

Zwischenfazit: Nein, wir brauchen ganz sicher kein schlechtes Gewissen zu haben und uns zu sorgen, dass die Toten in der Ukraine auf unser Konto gingen! Im Übrigen muss man sich über die flexible Rhetorik fast aller Parteien und deren Ideologie wundern. Bis vor kurzen wurde uns insbesondere von Grünen verkauft, der Import von Rohstoffen aus dem Süden bedeute eine Ausbeutung dieser Länder. So lautet auch die bisherige Lehrmeinung in Schulen, Universitäten und in den Medien. Überträgt man diese These auf die Länder der nördlichen Hemisphäre, hätten wir nun die Chance, Russland „auszubeuten”. Irgendwann gehen nämlich dessen Rohstoffreserven zur Neige, und dann hätte der Westen endlich erreicht, was bisher in all den Kriegen von Napoleon bis zum 2. Weltkrieges nie erreicht wurde. Russland wäre auch ohne Dritten Weltkrieg am Ende. Natürlich ist dies kein ernstgemeintes Szenario; es geht soll hier nur darum gehen, allen vor Augen zu führen, wie die propagandistische Rhetorik der Herrschenden der Seriosität geopfert wird. Und die Mainstream-Medien machen dieses infame Spiel mit bzw. führen diesen Propagandafeldzug sogar an.

Die falschen Ersatzpartner

Wirtschaftsminister Habeck ging ausgerechnet bei solchen Staaten auf Betteltour, welche die noch größeren Kriegstreiber auf dem Globus sind: Die USA finanzieren ihre blutigen Kriege in aller Welt mit dem größten Militärhaushalt in Höhe von 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukt, sie verzeichnen also Rüstungsausgaben von rund 800 Milliarden US-Dollar – und sie verdienen auch ordentlich an ihren Rüstungsexporten selbst in Schurkenstaaten. Saudi-Arabien, mit dem achtgrößten Militärhaushalt der Welt, steckt 6,6 Prozent seines fossil-ökofeindlich gespeisten Haushalts in die Rüstung und setzt sein Waffenarsenal ebenfalls völkerrechtswidrig im Jemen ein. Die Militärintervention dort steht seit 2015 unter Saudi-Leitung, und dieser Krieg kostete bisher schon 377.000 Menschen – darunter viele Kinder – das Leben. Nicht genug damit, ließ Saudi-Arabien jüngst an einem einzigen Tag 81 Menschen hinrichten.

Katar lässt die Infrastruktur für die Fußball-WM 2022 von ausländischen Arbeitskräften zu menschenverachtenden sklavenähnlichen Bedingungen bauen. Bisher fielen bereits 15.000 Arbeiter alleine deshalb den unmenschlichen Arbeitsbedingungen dort zum Opfer. Man konnte – auf gut Deutsch – nur noch kotzen, wenn man ansehen musste, wie ein deutscher Minister vor den für diese Zustände verantwortlichen Scheichs devote Verbeugungen zelebriert. Deutschland, wie tief bist du gesunken!

Nichts zu verlieren

Es gibt so gesehen auch moralisch keinen vernünftigen Grund, Energie ausgerechnet  aus Russland nicht mehr zu beziehen und stattdessen nun in das nicht minder dreckige Geschäft mit den USA und den islamischen Golfstaaten einzusteigen. Dem „Weltklima“ tut dies definitiv nicht gut – weder ökologisch noch ökonomisch, und schon gar noch politisch,  vor allem nicht welt-, friedens- und sicherheitspolitisch. Jede weitere Milliarde Erhöhung der Rüstungsausgaben und deren Konzentrierung vor Russlands Haustür sind ein Ritt auf Messers Schneide. Angesichts der Aufrüstungsspirale in Europa, die Russland nie gewinnen kann, ist es meines Erachtens daher nur eine Frage der Zeit, bis Putin kapitulieren muss.

Oder bis er, in die Enge getrieben, aus Verzweiflung tatsächlich zu seinen Atomwaffen greift. Er hat nichts mehr zu verlieren; seinen Ruf hat er bereits lebenslänglich eingebüßt. Der auf die Raketenstationierung der USA in der Türkei folgende Machtpoker vor 60 Jahren, als die Sowjets im Gegenzug auf Kuba Raketen installieren wollten, ging damals unentschieden aus, ohne dass es zum Dritten Weltkrieg kam. Das sollte uns immerhin eine Lehre sein: Wir dürfen die Chance nicht verspielen, die erneute Eskalation friedlich zu beenden. Deshalb schickt gewichtige und ernstzunehmende Diplomaten statt schwere Waffen. Das ist unsere letzte Chance!

Dieser Artikel erscheint auch auf der Webseite des Autors.

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