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Alternative oder Alternativchen?

Es gibt sicher einige Erklärungen für den Absturz der AfD in Schleswig-Holstein. Schwacher Auftritt, ängstliche Führung, quälende parteiinterne Auseinandersetzungen, kein erkennbares landespolitisches Konfliktthema, auch noch die 1,1 Prozent für die Basis-Partei.

Von Wolfgang Hübner

Doch in Anbetracht einer politischen Situation, die geradezu nach einer politischen Alternative zu den etablierten Kräften des Parteienspektrums schreit, sind die 4,4 Prozent für die Landes-AfD erbärmlich wenig. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 60 Prozent, vier Prozent weniger als 2017, gibt es ein riesiges Potential von Wählern, die im Angebot der Parteien nichts entdeckt haben, was sie zur Stimmabgabe motivieren könnte – offensichtlich auch und gerade nicht zu einer Wahlentscheidung für die AfD.

Warum? Eine Partei mit dem Anspruch, nicht nur eine, sondern die Alternative zum etablierten Parteienblock zu sein, muss ein klares, sich scharf von den anderen politischen Kräften unterscheidendes Profil haben. In der gegenwärtigen Ukraine-Krise mit ihren dramatischen Folgen für Deutschland heißt das: Keine deutschen Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet, keine Deutschland extrem schädigenden Sanktionen gegen Russland, humanitäre Hilfe für die Ukraine. Das mag nicht die Mehrheitsmeinung sein, weder in Schleswig-Holstein noch in Deutschland. Aber es ist zumindest eine beträchtliche Minderheit, die damit übereinstimmt. Daraus genügend Stimmen zur Überwindung der Fünfprozent-Hürde zu gewinnen, sollte möglich gewesen sein.

Diese Stimmen können jedoch nicht aus dem selbstzufrieden-saturierten, ziemlich vergreisten „bürgerlichen“ Lager kommen, sondern nur von denjenigen, die ihre Existenz mühsam bestreiten und das bald noch viel mühsamer tun müssen. Es wird sich bei näherer Betrachtung des Wähler- und des Nichtwählerverhaltens wahrscheinlich abermals herausstellen: Das gegenwärtige Wählerpotential der AfD in den westlichen Bundesländern ist unter den sozial schwächeren sowie den vom Abrutschen bedrohten mittleren Schichten zu finden. Wer denen sich betont „bürgerlich“ gebende Kandidaten und Parolen anbietet, verfehlt das Ziel, die Alternative zu sein. Das kann man den Verantwortlichen der AfD in Schleswig-Holstein in besonderem Maße zum Vorwurf machen. Doch ist es eine erkennbare Schwäche in allen Landesverbänden der alten Bundesrepublik.

Dort hat man aus Angst vor Extremismus fast jegliche Radikalität geopfert. So sehr Extremismus abzulehnen und auch nur kontraproduktiv ist, so notwendig ist aber Radikalität für den Anspruch, in der Analyse und in den Positionen die Alternative zu sein. Radikalität bedeutet, die politischen und gesellschaftlichen Probleme an den Wurzeln zu erfassen und ans Licht zu bringen. In einer Situation, in der Deutschland vor aller Augen zum Vasall der Biden-USA und der aggressiven NATO-Strategie degradiert wird, ist es radikal, den eigenen nationalen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen den Vorrang zu geben und das auch deutlich zu machen.

Das mag gegen den medialen Strom und den aktuellen Zeitgeist sein. Aber es kann verständlich und attraktiv gemacht werden für all diejenigen, die jetzt schon und erst recht künftig unter der Selbstsanktionierung Deutschlands leiden. Nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in allen westlichen Bundesländern muss sich die AfD die Frage stellen, ob sie die Alternative oder doch nur ein Alternativchen sein will. Erstere sein zu wollen, bietet eine harte, aber Erfolg versprechende Perspektive. Als Alternativchen wird die AfD nicht gebraucht und auch keine Zukunft haben.

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