Die EU will die totale Chatkontrolle – angeblich im Kampf gegen Kindesmissbrauch



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Texting oder Sexting? Die EU will es ab sofort genau wissen – und gleich alle Chats mitverfolgen (Symbolbild:Imago)

Dass man nur möglich mehrheits- und gesellschaftsfähige honorige Ziele vorgeben muss, um Tabubrüche, „Kompromisse” und Rechtsgüterabwägungen politisch durchzusetzen, hat Corona gezeigt: Ein abstrakter „Gesundheitsschutz“ sorgte dafür, dass noch vor zweieinhalb Jahren völlig unvorstellbare Grundrechtseinschränkungen und staatliche Übergriffigkeiten als notwendiges Opfer hingenommen wurden – bis hin zur Restaufweichung des Datenschutzes und der versuchten Kraftloserklärung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit im Zuge einer (vorerst gescheiterten) Impfpflicht.

An angeblichen „Alternativlosigkeiten”, Sonderumständen, „Notlagen” oder Dringlichkeiten, die angeblich „besondere Maßnahmen” erfordern und mit denen sich die schleichende Etablierung einer Diktatur begründen lässt, ist kein Mangel; Klimakatastrophe, Terrorabwehr, Kriegsgefahr und natürlich der Klassiker Verbrechensbekämpfung – vor allem, wenn es um emotional aufgeladene Tatbestände wie sexuellen Kindesmissbrauch geht. In Brüssel hat man zwar überhaupt kein Problem mit kindlicher Frühsexualisierung durch eine kranke Gender-„Philosophie”, auch werden migrantische Gruppenvergewaltigungen in vielen Mitgliedsstaaten verharmlost und kleingeredet – aber wenn sich das Entsetzen über Kinderpornographie im Netz nutzen lässt für die Einführung neuer Überwachungsregularien, dann ist jedes Mittel recht.

Bedrohliche Technik kommt zum Einsatz

Auf genau diese Masche setzt nun die EU-Kommission, die gestern ein „Gesetz zur Chatkontrolle” vorstellt, das der Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder Vorschub leisten soll. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) sollen Messenger-Dienste wie Whatsapp, Signal, Threema oder Apples iMessage dazu gezwungen werden, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch in den Nachrichten ihrer Nutzer ausfindig zu machen und an die Strafverfolgungsbehörden zu melden. Dazu soll auch eine neue EU-Zentralstelle bei der EU-Polizeibehörde in Den Haag eingerichtet werden.

Die Absicht ist zwar honorig; wer wollte etwas dagegen einwenden, dass die Behörden mit allen Mitteln gegen Kinderschänder vorgehen? Doch was die EU hier umsetzt, sind eben technische Optionen, die sich auch für alle anderen „Nutzungszwecke” gebrauchen lassen – und die Überwachung eben auch von völlig anderen Zielpersonen als Sexualverbrechern erlaubt. Daran ändert auch nichts, dass die Anordnungen zum Aufdecken von Missbrauchsmaterial „zeitlich begrenzt“ seien und „auf eine bestimmte Art von Inhalten in einem bestimmten Dienst“ abzielten, wie Brüssel erklärt.

Angriff auf jede Vertraulichkeit

Datenschützer warnen nicht von ungefähr vor den erheblichen Gefahren einer Zweckentfremdung eines solchen Systems, wenn es einmal installiert ist: Bereits im März äußerten 39 Bürgerrechtsorganisationen der EU die Sorge, das geplante Gesetz mache die EU „zum Weltmarktführer bei der Massenüberwachung ganzer Bevölkerungen.“ Ein interner Bericht des EU-Ausschusses für Regulierungskontrolle warf denn auch die Frage auf, ob die Chatkontrolle überhaupt mit geltendem EU-Recht gegen Massenüberwachung vereinbar sei. Am Montag äußerte auch der „Chaos Computer Club” (CCC) heftige Kritik an dem Gesetz: Die Chatkontrolle wäre „ein Angriff auf jegliche vertrauliche Kommunikation“, da „alle Kommunikationsinhalte direkt auf unseren Geräten zu untersuchen und im Verdachtsfall auszuleiten“ wären.

Zudem handele es sich um eine „fehlgeleitete Überwachungsmaßnahme“, da die Täter bereits andere Kanäle nutzen würden, um ihr Material zu verbreiten. Somit würde das Gesetz sein Ziel verfehlen. „Ein derart intransparentes System kann und wird nach seiner Einführung leicht erweitert werden. So ist schon heute absehbar, dass sich die Rechteverwertungsindustrie für das System ebenso brennend interessieren wird wie demokratiefeindliche Regierungen. Umso erschreckender ist, mit welcher Arglosigkeit es nun eingeführt werden soll“, gibt der CCC zu bedenken.

Theoretische Riesenbußgeldsummen

Obwohl derzeit auch noch nicht klar ist, wie das EU-System aussehen soll, ist dennoch zu befürchten, dass Anbieter zur Installierung automatischer Überwachungssysteme gezwungen würden, die eben nicht nur auf kinderpornographisches oder ähnliches Material beschränkt wäre. Nach dem EU-Vorschlag müssten nämlich sämtliche Anbieter von Hosting- oder interpersonellen Kommunikationsdiensten in der EU eine Risikobewertung zum möglichen Missbrauch ihrer Dienste für die Verbreitung von Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs oder für Cyber-Grooming vornehmen – und dann die bereits ergriffen Schutzmaßnahmen vorlegen.

Wenn diese nach Ansicht der Behörden unzureichend sind, können die Anbieter per Anordnung verpflichtet werden, Missbrauchsmaterial zu löschen oder den Zugang dazu in allen Mitgliedstaaten zu blockieren. Abgesehen vom riesigen bürokratischen Aufwand könnten Zugangsprovider so gezwungen werden, URLs zu blockieren, die auf entsprechende Bilder oder Videos hinweisen und die sie selbst gar nicht mehr entfernen könnten. Bei Nichtbefolgung drohen theoretische Geldstrafen von bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Am Ende stünde, aufgrund der völligen Unverhältnismäßigkeit des Gesetzentwurfs, zumindest das Potential zu einer unbegrenzten Massenüberwachung, weil jegliche vertrauliche Kommunikation überwacht werden könnte.

 

 

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