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Selbstgemachter Modezauber in der Nachkriegszeit

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Verlegerin, Unternehmerin, Stilikone, Grande Dame, Mutter und Ehefrau: Aenne Burda … [Wikipedia] hatte viele Gesichter. Von einer Zeitschriftenauflage von mehr als einer Million Exemplaren konnten andere Publizisten nur träumen. Aenne Burda gelang es. 1949 entwickelte sie das größte Modemagazin der Welt. Der Weg dahin war kein einfacher. Sie lehnte sich gegen die gesellschaftliche Stellung der Frau auf, allerdings ohne moralisch daherzukommen oder es auch nur zu wollen. Sie hatte einen Traum und den galt es zu leben, dass sie zufälligerweise damit das Frauenbild veränderte, war ein Nebenprodukt. Aenne Burda war eine Verlegerin, wie es sie im Deutschland der Fünfzigerjahre eigentlich gar nicht hätte geben dürfen.

„Wichtig ist vor allen Dingen der Glaube an sich selbst und an die eigene Kraft.“
– Aenne Burda (1909-2005) –

Aenne Burda, war die Tochter eines Lokomotivführers in der Offenburger Gaswerkstraße. Geboren am 28. Juli des Jahres 1909, erlebt sie in der Kleinstadt eine schwierige Kindheit in bescheidenen Verhältnissen. Ihre Mutter war tief religiös und verbrachte die meiste Zeit in der Kirche. Die Abwesenheit der Mutter ist für Anna Magdalena schwer zu ertragen. Später wird sie sagen, dass die Mutter immer in der Kirche gewesen sei, wenn sie und ihre Geschwister aufwachten. Die Familie lebte in einer Straße unter ihresgleichen, bescheiden und unauffällig. Allein Tochter Anna fiel durch Streitlust und eisernen Willen auf.

Eigenwilligkeit als Markenzeichen

Anna Magdalene – ein eigenwilliges junges Mädchen. Sie besucht zunächst die staatliche Volksschule Offenburg, überzeugt ihre Eltern jedoch, eine Klosterschule zu besuchen, die eigentlich nur „höheren Töchtern“ vorbehalten war. Da sie sich keine Schuhe mit Ledersohlen leisten konnte, sondern genagelte Sohlen trug, wurde sie zum Gespött der Schule. Was heute die sogenannten Mules … [Rеklаmе] sind, waren damals die grazilen Pantoletten, davon konnte ein Mädchen damals nur träumen. Nach dem Schulabschluss mit der Mittleren Reife wechselt sie auf die höhere Handelsschule und schließt diese als Klassenbeste ab. Sie beginnt eine kaufmännische Lehre im Offenburger Elektrizitätswerk und lernt dabei Franz Burda kennen und lieben.

Ein einflussreicher Mann, dieser Doktor Franz Burda. Drucker, Verleger, König von Offenburg. Ein Patriarch. Aber einer von der Sorte, die stark genug sind, eine ebenso starke Frau zu heiraten. Während der Kriegsjahre lebte sie, im Gegensatz zu ihrer Familie, in guten Verhältnissen. Er feierte unternehmerische Erfolge mit einer der ersten Rundfunkzeitschriften Deutschlands, indessen Anna drei Söhne zur Welt brachte, Hausfrau und Mutter war. „Da träumt man nicht viel“, erinnerte Aenne Burda später, „da lebt man sehr in der realen Welt.“

Anno 1949 wird Anna zu Träumen beginnen. Von einer Modezeitschrift mit eigenen Schnittmustern. Ihr Mann tut diesen Gedanken als Unsinn ab, den er, mit einer eigenen Druckerei im Rücken, ohne Probleme hätte erfüllen können. Für ihn galt das Argument: „Die Leute brauchen keine Schnittmuster. Sie brauchen Brot“. Anna Burda aber beobachtete ihre Geschlechtsgenossinnen auf der Straße in ihren praktischen und unschönen Nachkriegskleidern aus Stoffen, die schon zweimal aufgetrennt und wieder zusammengenäht worden waren. Die Frauen träumten von weiten Röcken statt Kittelschürze und Kopftuch, von zeitgemäßer Mode, von Seidenstrümpfen statt Wollsocken. Auch die Sonnenbrillen Damen … [Rеklаmе] kamen langsam in Mode. Endlich mal wieder ein schönes Kleid tragen, die Sehnsucht nach nur ein bisschen Schönheit, nach ein wenig Stil, ohne teuer zu sein.

Die persönliche Katastrophe als Motor

Als Anna erfährt, dass ihr Mann sie mit seiner ehemaligen Sekretärin Elfriede Breuer betrügt und ein uneheliches Kind mit ihr hat, welches nur wenige Monate jünger als ihr Sohn ist, zerbricht für sie das Bild der Ehe. Sie lebt ab dato ihr Leben. Sie lernt einen französischen Presseoffizier kennen und verliebt sich in ihn. Er bringt sie auf die Idee, ein Modemagazin nach französischem Vorbild zu veröffentlichen. Sie erzählt Franz Burda davon, der erwähnt die Idee gegenüber seiner Geliebten. Da diese ebenfalls begeistert von der Idee ist, unterstützt er seine Geliebte anstelle von Anna in der Gründung eines kleinen, erfolglosen Verlags.

Als Anna davon erfährt, tobt sie und droht mit einer Scheidung. Ihre Ehe, ihre Träume – in Trümmern – aber sie wird nicht einknicken. Ihr Ehemann hat sich verschätzt. Anna, das kleine Mädchen aus der Gaswerkstraße, mit einem wilden und unbändigem Willen, aufsteigen zu wollen, will sich nicht mit Schmuck und Pelzen zufriedengeben. Franz Burda der König von Offenbach, kapituliert vor seiner Frau. „Dann mach’s halt du“, so Franz Burda und schenkt ihr den Verlag, samt der Schulden ihrer Vorgängerin. Im Oktober 1949 übernimmt Anna, die sich nun Aenne nennt, den Verlag „Breuer Moden“ und nennt ihn in „Burda Moden“ um.

Die Erfolgsgeschichte

Es beginnt eine unaufhaltsame Erfolgsgeschichte, die Franz Burda in den folgenden Jahren auch mit viel Häme ertragen muss. In seiner patriarchischen Welt gibt es weit und breit keine Ehefrauen, die arbeiten und erst recht keine, die mehr verdienen, als der Patriarch selbst. Trotzdem begegnet sich das Paar später auf Augenhöhe und führt bis zum Schluss eine offene Beziehung.

Aenne Burdas erstes selbst produziertes Magazin „Favorit Moden“ erscheint am 1. Oktober 1949. Beigelegt sind Schnittmusterbögen, mit denen Leserinnen die im Heft abgebildeten Kleider selbst nachschneidern können. Auf den Straßen trifft sie jetzt Frauen, die ihre Kleider tragen und sieht den Stolz in den Augen dieser Frauen. Sie hatte den Eindruck, den Frauen ein Stück Ehre damit zurückzugeben, wird sie später einmal sagen. Und weiter: „Ich bin durch und durch praktisch. Ich wusste, was normale Frauen wollen“, so Aenne Burda im Rückblick auf ihr Leben und ihre Erfolgsstory, die es so kein zweites Mal in Deutschland gibt.

Am 1. Oktober 1961 ist Burda Moden mit einer Auflage von 1,2 Millionen die größte Modezeitschrift der Welt. Das Heft erscheint in 18 Sprachen und wird in über 120 Ländern verkauft. Aenne zieht sich im Alter von 85 Jahren aus dem Geschäftsleben zurück. Am 3. November 2005 starb Aenne Burda im Alter von 96 Jahren in ihrer Heimatstadt Offenburg. Eine Woche später folgte ein Trauerzug durch die Stadt. Die Menschen verbeugten sich vor einer Frau, die die „Welt am Sonntag“ 1979 noch vor Mildred Scheel und Hildegard Knef als „erfolgreichste Frau der Bundesrepublik“ bezeichnet hatte.

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