Die Reiter der grünen Apokalypse Foto: Collage

Dauerkrieg gegen die Marktwirtschaft

Eine Klimasteuer oder Sondersteuern auf bestimmte Produkte nähern sich immer mehr einer Planwirtschaft an. Wenn der Staat anfängt festzulegen, welche Produkte moralisch gut sind und welche schlecht, werden Wirtschaft und Bürger ihrer Souveränität beraubt.

Von Alexander Meschnig

Im Ersten Weltkrieg zeigten die industriellen Feldschlachten vor Verdun oder an der Somme vor allem eines: die Bedeutung der Wirtschaft für den Krieg. Mobilisierung und Ausnutzung wirtschaftlicher Ressourcen waren nun die entscheidenden Faktoren für einen Sieg auf dem Schlachtfeld. Der Krieg wurde nicht mehr allein von Armeen geführt, sondern von ganzen Volkswirtschaften und ihrem ökonomischen Potenzial. Die Anerkennung der Notwendigkeit einer Konzentration der ökonomischen Kräfte unter staatlicher Aufsicht für die Kriegsführung ging in Deutschland von der Privatwirtschaft aus. Die bereits im August 1914 geschaffene Kriegsrohstoffabteilung (KRA) war auf die Initiative eines leitenden Angestellten der AEG, Wichard von Moellendorff, zurückzuführen. Der Präsident der AEG und spätere Außenminister der Weimarer Republik, Walther Rathenau, überzeugte schließlich den preußischen Kriegsminister Falkenhayn von der Notwendigkeit einer zentralen KRA, deren Leitung Rathenau bis Mai 1915 zunächst selbst übernahm.

Aufgrund der englischen Blockade und der Abschneidung Deutschlands von wichtigen Rohstoffen kam der KRA v.a. im Hinblick auf die Entwicklung von Ersatzstoffen (etwa für Salpeter aus Chile) eine große Bedeutung für die Kriegführung zu. Die Mobilisierung der staatlichen Kräfte und gesellschaftlicher Ressourcen im Krieg hatte über sein Ende hinaus einen bleibenden Eindruck auf viele Beobachter hinterlassen. Manche sahen bereits das Ende der kapitalistischen Marktprinzipien und die Übernahme eines Kriegssozialismus in den Frieden.

Was lernen wir aus dem Kriegsverlauf?

Nach der Niederlage im November 1918 stellte sich auf deutscher Seite die drängende Frage: Was lernen wir aus dem Kriegsverlauf? Nüchternen Betrachtern war klar, dass die Niederlage aufgrund der materiellen Überlegenheit der Alliierten unausweichlich war. Im Umkehrschluss hieß das: Die Koordination und Konzentration der nationalen Kräfte war unzureichend gelungen, die Organisation der Kriegswirtschaft mangelhaft. Dass man aber trotzdem so lange durchgehalten hatte, war ein Hinweis darauf, dass die im Krieg gewonnenen Erfahrungen in den Frieden hinein transportiert werden mussten. Wirtschaft und Volksgemeinschaft fusionierten in einem Typus der „Gemeinwirtschaft“. Der Konflikt zwischen Befürwortern der Marktwirtschaft und staatssozialistischen Auffassungen bestimmte die unmittelbare zeitliche Periode nach Kriegsende, wobei Erstere sich am Ende durchsetzen konnten.

Das Konzept der Gemeinwirtschaft fand aber insbesondere in der revolutionären Sowjetunion großen Anklang. Lenin, Bucharin und ihre engsten Wirtschaftsberater bezogen sich ausdrücklich auf Rathenaus Konzept als Modell für die am weitesten entwickelte Mischform kapitalistischer Technik und organisatorischer Planung. Auch die Nationalsozialisten übernahmen die Ideen des Juden Rathenau. Albert Speer, ab 1942 Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, ließ sich so etwa von der Kriegsrohstoffabteilung inspirieren und erreichte bei knapper werdenden Ressourcen bis 1944 enorme Produktionssteigerungen. Roosevelts New Deal, eine Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen von 1933 bis 38, nahm ebenso Anleihen am Konzept der Gemeinwirtschaft, worauf der Kulturhistoriker Wolfgang Schivelbusch in seiner Studie Entfernte Verwandtschaft aufmerksam macht.

Der neue Dauerkriegszustand

Über 100 Jahre nach der Gründung der Kriegsrohstoffabteilung haben Politik und Medien spätestens mit dem Klimathema, verstärkt danach durch Corona und ab Februar 2022 durch den Krieg in der Ukraine, abermals eine martialische Sprache übernommen, in der Kriegsmetaphern eine wichtige Rolle spielen. Wir befinden uns nun seit Jahren in einer Art „Dauerkriegszustand“ (gegen die Klimaerhitzung, gegen das Virus). Dieser erfordert, so die Überzeugung insbesondere auf Seiten der politischen Linken, einschneidende Maßnahmen des Staates, um unser aller Überleben zu sichern. So heißt es etwa in einem offiziellen Papier der EU, das Ideen des Washingtoner Center for Strategic and International Studies (CSIS) aufnimmt, Brüssel solle ein EU-„Verteidigungsproduktionsgesetz“ auf den Weg bringen. Ziel: „100 Millionen Wärmepumpen bauen und installieren“. Für diese staatlich gesteuerte „Kriegswirtschaft“ müssen Bauvorschriften für erneuerbare Energien gelockert und, man achte auf die Begriffswahl bei der das Superlativ regiert, „gewaltige“ Investitionen in den Netzausbau und dessen Dezentralisierung erfolgen, die „alles bisher Dagewesene in den Schatten“ stellen.

Der Ukrainekrieg gilt nur als der letzte Weckruf an Politiker und Entscheidungsträger, der endlich zum Handeln zwingt. Denn, und diese Argumentation ist uns vor allem beim Thema Klima schon vertraut, die Zeit ist knapp und eigentlich ist es schon fast zu spät. Deshalb dürfen jetzt keine Rücksichten mehr auf Einzelinteressen genommen werden, auch dauern demokratische Abstimmungen hier viel zu lange und müssen durch schnellere und zügigere Verfahren ersetzt werden, die keinen Widerspruch dulden oder erlauben. Die ausgerufenen, von einer politmedialen Elite erwünschten Ziele können, so ein Herr Stöcker Anfang März 2022 im SPIEGEL, nur noch im Rahmen einer „Kriegswirtschaft“ realisiert werden. Das klinge zwar schrecklich, sei aber angesichts der Lage notwendig. Der Europaabgeordnete Michael Bloss (Grüne) forderte bereits, die EU müsse „in eine Art Kriegswirtschaft eintreten“, der notwendige Aus- und Umbau bei erneuerbaren Energien, „müsse staatlich priorisiert werden“. Da durfte selbst ein zumindest auf dem Papier liberaler Finanzminister wie Christian Lindner nicht hinten anstehen, es gelte einen „Energiekrieg“ zu gewinnen, maximaler Einsatz und maximale Geschwindigkeit sei nun erforderlich um „auf Freiheitsenergien“umzustellen. Für diese Freiheit sind staatliche Eingriffe von bis dato in Friedenzeiten unbekanntem Ausmaß unabdingbar.

Sind Sie förderungswürdig?

Seit den Diskussionen um den Klimawandel und die Corona-Maßnahmen ist die Krise in Deutschland als Dauerzustand institutionalisiert. Entscheidend ist, dass alle ausgerufenen Krisen ein scharfes Eingreifen des Staates erfordern, das der Bürger honorieren soll, da jeder Eingriff als alternativlos erscheint. In einem Krieg, im Namen des Überlebens, stellt die Volksgemeinschaft keine Fragen. Corona diente dabei als Blaupause für staatliche Interventionen und Restriktionen, die das Leben aller Bürger in seiner Substanz betraf, von den meisten aber als Notwendigkeit stillschweigend hingenommen wurde. Die durch die Regierung verordneten Lockdowns schlossen einzelne Branchen vom regulären Wirtschaftskreislauf aus (Touristik, Gastronomie, Kultureinrichtungen, Einzelhandel) und privilegierten andere (Gewerbe, Bau, Onlinehandel, Finanzwirtschaft). Dasselbe Prinzip finden wir bei der angestrebten „Klimarettung.“

Bestimmte Industriezweige und Technologien, Windkraft, Elektroautos, Wärmepumpen, Batterien, werden bevorzugt und staatlich subventioniert. Mit Hilfe einer sog. Taxonomie will die Europäische Kommission in Zukunft entscheiden, was förderungswürdig ist und was nicht. All das multipliziert Lobbyismus und bringt Unsicherheiten in Investitionsentscheidungen, denn niemand kann genau wissen, wo und zu welchem Zeitpunkt was gefördert wird. Diese Flut von Fördergeldern und Zuschüssen erzeugen, so der Journalist Jürgen Zietlow, immer mehr Abhängigkeiten seitens der Unternehmen, denn Staaten regulieren, verbieten und orchestrieren in einer Weise, die in dieser Form bisher nur in klassischen Planwirtschaften üblich war – und das in atemberaubendem Tempo.

Der Glaube an den guten Staat ist ungebrochen

In der Coronakrise unterwarfen sich große Teile der Bevölkerung schnell und unwidersprochen den staatlichen Restriktionen, die als „Schutzmaßnahmen“ eingeführt wurden. Kritik an den grundrechtswidrigen Einschnitten war faktisch nicht vorhanden, der Glaube an einen paternalistischen Staat, der uns Bürgern nur Gutes will, scheint in weiten Teilen der Gesellschaft ungebrochen, vorausgesetzt ein Notstand wird ausgerufen und permanent Angst erzeugt. Aufmerksame Beobachter ließ der Umgang mit Corona in Bezug auf die „Klimarettung“ Böses ahnen, denn wenn erneuerbare Energien „der öffentlichen Sicherheit dienen“, wird jeder Widerstand, etwa gegen Windparks, obsolet bzw. ein Verbrechen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat nicht umsonst als Reaktion auf die Coronakritiker aktuell einen neuen „Phänomenbereich“, die „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, eingerichtet. Ich zitiere wörtlich:

„Insoweit ist anzunehmen, dass über die Coronapandemie hinaus auch künftig andere gesellschaftliche Krisensituationen von Angehörigen des Phänomenbereichs dazu genutzt werden, um staatliche Stellen und politisch Verantwortliche herabzusetzen. Hier ist beispielsweise eine verstärkte Thematisierung der politischen Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels durch Akteure des Phänomenbereichs in Betracht zu ziehen. Hierdurch wird einem Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit des demokratischen Staates Vorschub geleistet.“

Die staatlich unterstützten „Rebellen“

Der Staat übernimmt, indem er Kritiker der Klimapolitik zu potenziellen Verfassungsfeinden erklärt, affirmativ die Position der selbsternannten Klimaretter, deren zunehmende Militanz und Allmachtsphantasien längst Normalität und deren Positionen in den Medien weitgehend akklamiert wird. Publizistisch finden wir bereits eine unüberschaubare Menge von Büchern (eigentlich Pamphleten), in seriösen Verlagen erschienen, die die Militanz der Bewegung offen aussprechen. Der Übergang von einer Marktwirtschaft in eine staatliche Planwirtschaft, die einer Kriegswirtschaft ähnelt, wird von vielen Akteuren begrüßt und als einziger Ausweg aus der Klimakrise betrachtet. Exemplarisch hier nur das Buch des schwedischen Humanökologen Andreas Malm mit dem Titel „Klima|x“.

Malm ruft zunächst einen „Kriegskommunismus“ des 21. Jahrhunderts aus, denn nur die radikale Abkehr von der kapitalistischen Marktgesellschaft wird das Klima – und dadurch uns – noch retten können. Der Begriff Kriegskommunismus ist hier nicht metaphorisch gemeint, denn der Autor hält allen Ernstes den Bolschewiki zugute, eine historische Katastrophensituation, wenn auch mit brachialen Mitteln, gelöst zu haben (hat hier ein Lektor mitgelesen?). Klar, so Malm, es gab Massenerschießungen, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit war eingeschränkt, aber die objektive Situation, in der wir uns heute befinden, lasse auch keinen anderen Ausweg als drakonische Maßnahmen zu. Fleischverbot, Autoverbote, Verbot von Flügen, Kreuzfahrten usw. Dass harte Einschränkungen von den Betroffenen akzeptiert werden, das zeige die Coronakrise in aller Deutlichkeit, die Verbote müssten nur gut erklärt und demokratisch legitimiert sein. Kurze Zeit nach „Klima|x“ erschien ein weiteres Buch des Autors: Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Das war durchaus nicht ironisch gemeint.

Repressionen gegen Abweichler als Gebot der Stunde

Wir befinden uns also in einem permanenten Krieg und müssen alles mobilisieren, was für einen Sieg notwendig ist – auch Repressionen gegen Abweichende, siehe Ungeimpfte, sind dafür ein legitimes Mittel. Die Einschränkung unseres täglichen Lebens – die SPD-Domina Saskia Esken denkt bereits laut über mögliche Fahrverbote nach – sind notwendige Kollateralschäden. Opfer müssen im Dienst einer höheren Sache eben gebracht werden. Die Heizung herunterzufahren und ein wenig zu frieren, das empfahl auch Robert Habeck, der im SPIEGEL nicht zufällig als „Kriegswirtschaftsminister“ betitelt wird. Habeck lässt schon einmal prüfen, Mehrwertsteuersätze bei Lebensmitteln auf ihre Klimatauglichkeit „anzupassen“. Bald werden wir uns nur noch „klimafreundlich“ ernähren, die tägliche Propaganda für vegane Produkte auf allen Kanälen wird sich steigern, der Fleischesser gilt jetzt schon als unmoralisches Subjekt und roher Geselle (Anm. d. Red.: Im Internet kursierte ein Meme mit dem Text „Es ist das Jahr 2200: Die Statue von Präsident Obama wird gestürzt, weil er sich an der barbarischen Sitte des Fleischessens beteiligt hatte.“) Zum ersten Mal seit der Ölkrise der 70er Jahre könnte auch Energie wieder bewirtschaftet werden, indem der Staat, hier die Bundesnetzagentur, zuteilt, wer Energie erhält und wer nicht. Hier sind wir nah an einer Kriegswirtschaft, die Ressourcen von oben verteilt. Die aktuelle Novelle des Energiesicherungsgesetzes kann im Krisenfall Firmen unter treuhänderische Verwaltung stellen, bis hin zur Enteignung, was, der Ehrlichkeit halber, bereits das Gesetz von 1975 in Reaktion auf die Ölkrise vorsah.

Eine Klimasteuer oder Sondersteuern auf bestimmte Produkte nähern sich immer mehr einer Planwirtschaft an, die Unternehmen auch ideologisch auf Linie bringen will. Wenn der Staat anfängt festzulegen, welche Produkte moralisch gut – neudeutsch: woke – sind, also förderungswürdig und welche schlecht, wird man als Bürger in seiner Souveränität und Freiheit massiv beschnitten. Die Restriktionen und staatlichen Eingriffe rund um Corona gehen unmittelbar, wie vorherzusehen, in die sog. Klimarettung über, eine Gemeinwirtschaft im ökosozialistischen Gewand wird mehr und mehr zur Realität. Der Krieg in der Ukraine und die mit den Sanktionen einhergehenden Versorgungsprobleme sind dabei nur der Beschleuniger für alle Weltrettungsphantasien und grandiosen wirtschaftlichen Umbaupläne, die in einem „vergrünisierten Deutschland“ besonders gut gedeihen. Nun können sie, Putin sei Dank, wahrscheinlich ohne größeren Widerstand von der Ampel durchgesetzt werden, alternativlos, das versteht sich von selbst. Die einst liberale FDP wird sich dem kleinlaut fügen. Keine guten Aussichten für ein freiheitliches und demokratisches Land. Man kann nur auf die Wirklichkeit hoffen, zumindest beim Thema Energie reicht der ideologische Furor auf Dauer nicht aus. Lediglich die Physik könnte noch ein fieser Spielverderber für die Träume einer „grünen Kriegswirtschaft“ sein.

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