Börse (Bild: shutterstock.com/Joyseulay)

Staatsanwaltschaften in vier Ländern ermitteln: Millionenbetrug am Gasmarkt

Die Preise für Gas sind zwar erst in den letzten Monaten explodiert, doch der Markt war wohl schon vor Jahren auch für Betrüger interessant. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen eines wahrscheinlichen Millionenbetruges auf europäischer Ebene. Bei dem Verdachtsfall sollen vier mutmaßliche Täter schon im Jahr 2018 über den Großhandel Gaskontingente verkauft haben, die sie in Wahrheit nicht besaßen. Der geschätzte Schaden beläuft sich nach derzeitigem Erkenntnisstand allein in Deutschland auf rund 40 Millionen Euro. Es ermitteln auch Staatsanwaltschaften anderer Länder gegen das internationale Gaunerquartett, welches den Millionenbetrug begangen haben soll (t-online, 06.09.2022).

Ein Beitrag von Blackout News

Betrügernetzwerk aus Dubai?

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob ein Netzwerk hinter den vier Personen steht, das von aus Dubai agiert. Es ermitteln in dem Fall neben den deutschen auch niederländische, österreichische und irländische Behörden. Einer der Verdächtigen wurde inzwischen in Italien festgenommen. In Österreich befasst sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit dem Fall. Die niederländische Staatsanwaltschaft bestätigte ebenfalls ihre Ermittlungen wegen Betrugsverdachts. Demnach soll der Schaden in den Niederlanden rund 16 Millionen Euro. betragen.

Die Niederländer ermitteln nach Angaben einer Sprecherin gegen einen Briten, einen Deutschen, einen Iren und einen Österreicher. Ein weiterer Verdächtiger war schon 2021 in Griechenland aufgegriffen worden. Er wurde nach Deutschland ausgeliefert und in Untersuchungshaft genommen, aus der er aber inzwischen entlassen wurde. Die irischen Behörden äußern sich zu diesem Fall bislang nicht gegenüber der Presse.

Wie war der Millionenbetrug möglich?

Informierte Kreise tragen zum Hintergrund des Betrugs zwei wesentliche Gründe vor, die erst im Zusammenspiel den kriminellen Coup ermöglichten:

  1. Gasgroßhändler dürfen den Rohstoff verkaufen, bevor sie ihn besitzen. Das ermöglicht es ihnen, sogenannte Leerverkäufe zu tätigen, die auch bei anderen Rohstoffen und erst recht beim börslichen Aktienhandel gang und gäbe sind. Sie sind eine Spekulation auf fallende Preise: Wenn ein Händler glaubt, dass ein Handelsgut momentan sehr teuer ist und sein Preis ganz sicher fallen dürfte, kann er sich seine Lieferung sichern und es auch verkaufen, ohne das Gut (Rohstoff oder Aktie) zu besitzen. Er ist natürlich dann verpflichtet, das Gut an den Käufer auch zu liefern. Andernfalls muss er es zurückkaufen. Sollte der Preis dabei gefallen sein, macht er einen Gewinn. Sollte dieser wider Erwarten gestiegen sein, muss der Händler den Verlust einstecken. Diese Vorgänge haben zunächst einmal rein spekulativen Charakter und nichts mit Betrug zu tun. Zu diesem wurden die 2018er Deals am Gasmarkt erst dann, als die Betrüger das gekaufte Gas gar nicht lieferten. Die Großhändler hatten ihnen die Kontingente bezahlt, weil dies zu den Usancen des Geschäfts gehört. Hier ist Vorkasse durchaus üblich. Auch dass ein Händler schnell zu einem hohen Preis verkaufen will, weil er vielleicht einen Leerverkauf tätigen möchte, wissen die Händler und nehmen es achselzuckend hin. Nur dass dann weder eine Lieferung noch ein Rückkauf des Kontingents erfolgt, macht die Sache kriminell – und das in einer gigantischen Größenordnung.
  2. Normalerweise vertrauen sich die Händler untereinander und schließen daher auch solche schnellen Geschäfte mit einem Akteur auf der Gegenseite ab. Die Gasgroßhändler gehen davon aus, dass die Offerte von einem Lieferanten kommt, der vielleicht neu im Markt, aber doch irgendwo registriert ist und wahrscheinlich von einer einheimischen Handelskammer oder Finanzaufsicht überwacht wird. Doch das war 2018 nicht der Fall. Damals herrschten am Gasgroßmarkt kaum Zugangsbeschränkungen. Jedermann konnte sich mit einer Gewerbeanmeldung als Gasgroßhändler registrieren lassen, Offerten abgeben und Vorkasse einstreichen. Es herrschte eine Überwachungslücke auf diesem millionen- und milliardenschweren Markt, den die Gauner für sich zu nutzen wussten. Sie gründeten mehrere Unternehmen neu oder nutzten bestehende Firmenhüllen mit Sitz in Zypern, Irland und Großbritannien, ließen diese beim Gasgroßmarkt registrieren und tätigten dann ihre betrügerischen Geschäfte.

Wie bewerten Fachleute den Fall?

Eine Sprecherin von Trading Hub Europe gab zu, dass es 2018 Missbrauch am Gasmarkt gegeben habe. Man habe davon auch Kenntnis erhalten und die Bundesnetzagentur dementsprechend informiert. Inzwischen halte man eine Wiederholung solcher Fälle für ausgeschlossen, denn der Zugang für Neulinge auf dem Gasgroßmarkt sei inzwischen deutlich erschwert worden. Mittlerweile seien auch keine neuen Fälle dieser Art mehr bekannt geworden.

Die Verdächtigen in diesem Fall äußern sich nach Aussagen der involvierten Staatsanwaltschaften zu den Vorwürfen bislang gar nicht oder bestreiten diese. Es ist in der Tat nicht auszuschließen, dass sie sich einfach nur verspekuliert haben und der ursprüngliche Plan gelautet hatte, einen reinen Leerverkauf zu tätigen, also die Kontingente zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen. Wenn der Preis nun nicht gefallen war, konnten die mutmaßlichen bzw. späteren Betrüger das Gas vielleicht mangels Liquidität gar nicht zurückkaufen, aber auch nicht zwecks Lieferung einkaufen, und wurden in der Not kriminell. Dies zu widerlegen bzw. den Vorsatz des Betruges zu beweisen ist nun die Aufgabe der beteiligten Behörden.

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