Italien-Wahl: Populismus als Domino-Spiel

Erst Großbritannien, dann Schweden, jetzt Italien und in Zukunft Deutschland: So suggeriert es uns eine AfD-Grafik, die heute, am Tag nach den Wahlen zum italienischen Parlament, durch die sozialen Medien geistert. Doch der Domino-Effekt ist keineswegs gesetzlich vorgeschrieben – die Trump-Jahre lehren uns, dass Zurückhaltung angebrachter wäre.

Ein Kommentar von Volker Zierke für von EinProzent

Zeigt der Populismus nun endlich Wirkung?

Auf den „doppelten Trump-Effekt“ hoffte der damalige Zuerst!-Chefredakteur Manuel Ochsenreiter kurz nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten; ebenfalls ganz und gar euphorisiert wie die meisten Patrioten Europas angesichts des Erfolgs der US-„Alternative“ zum Establishment. Der „doppelte Effekt“, das bedeutet: Einerseits würde Trump im Oval Office selbst eine alternative Politik einleiten können, andererseits müsste der Erfolg auch beim deutschen Normalbürger die Hemmungen lösen, selbst alternative Politiker zu wählen. Es bestände also die Hoffnung, dass das Stigma des „Unberührbaren“ von uns abfiele.

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Wahlsieg in Italien: die AfD gratuliert (Foto: Facebook)

Wahlsieg in Italien: die AfD gratuliert (Foto: Facebook)

Es kam aber alles ganz anders. Wenig hat uns Europäern die Amtszeit Trumps gebracht; seine größte Leistung war es wohl, keinen größeren Krieg als seine Vorgänger (und sein Nachfolger) vom Zaun zu brechen. Und auch der Domino-Effekt wollte sich nicht so recht einstellen: Le Pen verlor 2017 (erwartbarerweise) die Wahl in Frankreich, in Österreich pulverisierte sich die patriotische Regierungspartei selbst und in Deutschland vermag man es nicht einmal, ein Viertel derjenigen zu überzeugen, die überhaupt noch ihren Stimmzettel in die Urne werfen.

Vorsicht ist also angebracht, wenn hierzulande nun Kapital aus dem Wahlsieg der Römerin Giorgia Meloni zu schlagen versucht wird, denn Zwangläufigkeiten gibt es in der Politik nicht. Oder anders: Nur weil Italien aktuell auf dem Rechts-Mitte-Zug mitfährt, heißt das nicht, dass es bald auch hier in Deutschland so weit sein könnte. Oder noch schlimmer: Es bedeutet sicherlich nicht, dass die italienischen Rezepte auch hier in Deutschland funktionieren.

Keine Heilsbringerin, sondern „Indikator“

Man mag sich vielleicht wundern, wieso hier so pessimistische Töne angeschlagen werden. Fakt ist aber: Meloni spielt ganz klar auf der Klaviatur des Populismus‘, lässt also weltanschauliche Überzeugungen hinter populären Themen zurücktreten. Doch der Populismus ist trügerisch und kann sich in kürzester Zeit in absolute Beliebigkeit (wir denken an Donald Trump) verwandeln.

Davon abgesehen bezieht Fratelli d’italia so manche Position, die für deutsche Patrioten schlichtweg nicht vertretbar ist; etwa die bedingungslose Treue zu Kiew, deren Armee man am liebsten sofort mit Kampfpanzern aufstocken würde – das wäre den Deutschen, die für die Öffnung von Nord Stream 2 demonstrieren, schlichtweg nicht vermittelbar, es ergibt in sich schon keinen Sinn, einen Krieg weiter anzufachen, von dem wir wissen, dass nur sein Ende uns die erhoffte Energiesicherheit einbringen kann. Alles andere: Populismus.

Profilschärfung des eigenen Lagers

Dennoch: Natürlich ist Melonis Sieg und der ihrer Koalitionspartner ein Fortschritt. Er zeigt, dass das italienische Volk nicht auf die Phrasen des Establishments hereingefallen ist, das abermals einen Kampf der Demokratie gegen den „Faschismus“ konstruiert hat. Der gestrige Wahlsonntag verdeutlicht zudem, dass man in Italien durchaus bereit ist, eine versagende Regierung abzuwählen und etwas Neuem die Chance zu geben. Der rechte Vordenker Alain de Benoist nannte den Populismus nicht zuletzt deswegen den „Indikator für die Funktionsstörungen eines politischen Systems, das den Erwartungen der Bürger nicht mehr entspricht“. Ob Meloni eine Heilung dieses Systems bringt, bleibt abzuwarten.

Für uns Deutsche sollte es sich aber von Anfang verbieten, nach 2016 erneut eine übertriebene Erwartungshaltung an den Tag zu legen. Nein, diese Wahl in Italien ist kein einschneidendes Ereignis. Sie ist ein Ereignis in einer ganzen Reihe von Ereignissen zuvor (und in Zukunft), die im Sinne Benoists als „Indikatoren für die Funktionsstörungen“ bezeichnet werden können. Wenn man unbedingt (wie die AfD) die Metapher eines Domino-Spiels bedienen möchte, dann waren die Steine schon in Bewegung, bevor Donald Trump überhaupt seine Kandidatur bekanntgegeben hat, und sie werden noch lange in Bewegung sein. Aber immerhin, nach langen Jahren des Stillstands, ist etwas in Bewegung gekommen. Stillstand wäre schlimmer.

Ein Domino-Spiel suggeriert aber, dass man selbst nichts mehr dazu tun müsste, weil ohnehin nun alles seinen Gang ginge: Das ist der große Fehler, den man mit einer allzu überschwänglichen „Analyse“ der italienischen Wahl macht. Stattdessen sollten die deutschen patriotischen Politiker an ihren Inhalten und ihrem Profil arbeiten, um eines Tages tatsächlich die Regierung ersetzen zu können. Und wir, die deutschen „Außerparlamentarier“, müssen uns weiterbilden, um gegen die billigen Versuchungen des Populismus immun zu werden. Das Leben ist kein Domino-Spiel, man muss sich schon am eigenen Schopfe – wie der Baron Münchhausen – aus dem Sumpf ziehen. Und, sollte kein Sumpf zur Hand sein, müsste man eben auf die Straße gehen und gegen den Sumpf im Regierungsviertel demonstrieren.

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