US-Midterms: Stoßgebete deutscher Journalisten – Ansage



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US-Zwischenwahlen: Ergebnis noch offen, aber Tendenz klar (Foto:Imago)

Wer wissen will, was das grundlegende Problem mit den heutigen Journalisten des deutschen Medienmainstreams ist, muss nur die aktuell laufende hiesige Berichterstattung zu den Midterms, den Kongresswahlen in den USA, verfolgen. Aus jeder Pore und jeder Silbe trieft hier die insgeheime Hoffnung, dass der Sieg der Republikaner doch noch ausbleiben möge (der von den meisten Reportern anscheinend gleichgesetzt wird mit einer Trump-Wiederwahl 2024). Hier geht es nicht um unaufgeregte, neutrale Information über das Wahlgeschehen, sondern es wird – ganz wie schon 2016, bei den Wahlen Trumps – mit jeder Meldung geradezu ein Stoßgebet verbunden, dass ein Machtverlust Bidens und dessen Degradierung zur „lame duck”, einem Präsidenten ohne Mehrheit in beiden Kammern, doch noch verhindert werden möge.

Geradezu frenetische Begeisterung, mindestens jedoch genuine und ersichtliche Erleichterung untermalt die Nachricht über jeden einzelnen nun doch von den Demokraten verteidigten Senatssitz, während das Prinzip Hoffnung dort beschworen wird, wo die Ergebnisse noch ausstehen. Diese deutschen Medienschaffende fiebern mit, als hinge ihr eigenen Leben ab vom demokratischen Sieg, als gälte es, nach dem Verlust Schwedens, Dänemarks, Italiens an die Populisten (und Twitters an Musk) um jeden Preis wenigstens die linken Mehrheit in den USA zu verteidigen.

Republikaner, die an „The Big Lie“ glauben

Der Wunsch wird zum Vater des Gedankens, uns als könnten sie in einer Art transatlantischen Geisterbeschwörung den drohenden Machtwechsel verhindern, schreiben sie sich mit jeder Stunde leidenschaftlicher die Finger wund und hämmern ihren Hass, ihren Frust über die Reps in die Tasten. Ganz wild trieb es etwa „n-tv„, das gleich mal Dutzende republikanische Kandidaten unisono zu Verschwörungstheoretikern erklärte, die Bidens Präsidentschaft als Resultat von Wahlbetrug bezeichnen würden. „Die, die bei den Zwischenwahlen antreten, unterstützen ‚The Big Lie‘ und halten Donald Trump für den rechtmäßigen US-Präsidenten. Das scheint die Wähler nicht zu stören. Bei den Kongresswahlen setzen sich viele Wahlleugner durch”, so der Sender.

Und weiter schreibt „n-tv”: „Bei den US-Zwischenwahlen haben sich in den ersten Stunden der Auszählung bereits Dutzende republikanische Kandidaten durchgesetzt, die den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 offen anzweifeln. Nach einer Aufstellung der ‚Washington Post‘ gewannen in den ersten gut vier Stunden nach Schließung der ersten Wahllokale bereits 79 Wahlleugner ihre Rennen, darunter diverse Kongressabgeordnete. Viele weitere Rennen sind noch offen.” Die von Amazon-Chef Jeff Bezos dominierte „Post“ sowie die die US-Denkfabrik Brookings hätten, so „n-tv”, im Vorfeld der Zwischenwahlen rund 300 republikanische Kandidaten für verschiedene Mandate und Ämter im Bund oder in den Bundesstaaten identifiziert, die sich „The Big Lie” angeschlossen hatten.

Die Journaille spricht sich selbst Trost und Mut zu

Obwohl jedenfalls bislang eine befürchtete „rote Welle”, ein Erdrutschsieg der Republikaner, ausgeblieben zu sein scheint, ist dennoch Fakt, dass zum aktuellen Zeitpunkt – Stand Mittwoch, 9. November 14 Uhr – die Demokraten in Führung liegen und wohl auch im Repräsentantenhaus sehr wohl die Mehrheit erringen werden. Auch wenn es kein Kantersieg wird: Die demokratische Mehrheit dürfte, so wie es jedenfalls aussieht, futsch sein. Knapp vorbei ist auch daneben. Mantraartig machen sich die ARD- und ZDF-Kommentatoren gleichwohl selbst Mut. Die „Tagesschau” intoniert stündlich, es sei „noch nicht sicher, ob die Demokraten ihre Mehrheit im Kongress verteidigen können”. Im „Morgenmagazin“ wollte sich Washington-Korrespondent Torben Börgers am liebsten gar nicht mit den Folgen auseinandersetzen, „sollten die Republikaner jetzt doch noch tatsächlich den Demokraten ihre Mehrheit abjagen”.

Als wäre dies ein unwahrscheinlicher Worst Case, als hätte das Gegenteil je in den Sternen gestanden: Tatsächlich wird seit Wochen mit einem demokratischen Machtverlust gerechnet und dies ist auch aktuell nach wie vor der realistischste Wahlausgang; niemand erwartet in den USA ernsthaft, dass die demokratische Mehrheit in beiden Kammern – oder auch nur einer – „verteidigt” werden könne. Trotzdem feiert die ARD wie verrückt, dass etwa in Colorado der Demokrat Michael Bennett das Rennen machte, und klammert sich an jeden rettenden Strohhalm. Die Gesinnungsjournaille spricht sich vor allem selbst Mut zu: „Too close to Call” wird zur Beschwörungsformel – und es dauere „Wochen, bis das Ergebnis feststeht“, tröstet man sich in den linken Redaktionsstuben. Mehr Parteilichkeit war nie.

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