Man darf alles, nur erwischen lassen darf man sich nicht. Wer gegen diesen Grundsatz verstößt, ist dran.
Die belgische Justiz liess die griechische EU-Vizepräsidentin Eva Kaili unter dem Verdacht festnehmen, dass sie sich von Katar bestechen ließ. Momentan muß man allerdings noch annehmen, daß an den Vorwürfen nichts dran ist und daß Frau Kaili unschuldig sein könnte. Das ist wegen der Unschuldsvermutung so, die für manche Leute noch zu gelten hat. In Deutschland ist die unbestechliche Frau Innenministerin bekanntlich dabei, auf ihrem Weg “nach vorn” in eine “bessere Zukunft” die Unschuldsvermutung in eine Schuldvermutung umzuwandeln, um angebliche Verfassungsfeinde problemlos aus dem öffentlichen Dienst entfernen zu können. Die in Frage kommenden Beschuldigten hätten künftig nachzuweisen, daß sie nicht verfassungsfeindlich eingestellt sind. Niemand müsste ihnen die Verfassungsfeindlichkeit erst umständlich nachweisen. Für Frau Kaili gilt allerdings die Unschuldsvermutung noch, weswegen man nicht einfach schreiben kann, sie gelte so lange als korrupt, bis sie nachgewiesen hat, daß sie es nicht ist. Ob sich Frau Faeser jemals überlegt hat, daß man sie selbst als Verfassungsfeindin bezeichnen könnte, um sie zu entlassen, wenn ihre Änderung im Beamtenrecht durchkommt? Also technisch vielleicht nicht, aber der Logik nach? Was da alles möglich werden würde! Man könnte behaupten, Boris Becker stamme von Idi Amin ab bis er bewiesen hat, daß das nicht stimmt. Aber einerlei: Die EU untersteht nicht dem faesrigen Innenministerium in der Republik der Deutschen Demokraten, weswegen für Frau Eva Kaili momentan zu gelten hat, daß sie vermutlich nicht korrupt ist. Auch wenn es in Anbetracht der wertewestlichen Gesamtlage von Politik & Lobbyismus wenig Veranlassung gibt für eine solche Annahme.
Wenn Frau Kaili vermutlich nicht korrupt ist, dann stimmt vermutlich auch, was sie am 21. November im EU-Parlament zu den Korruptionsvorwürfen gegen Katar äußerte. Sie wetterte gegen alle, die Katar & Korruption unter einen Hut stecken wollten, obwohl zu diesem Zeitpunkt jene FIFA-Funktionäre bereits der Korruption überführt worden waren, die im Jahr 2010 die WM an Katar vergeben hatten. Vor gut drei Wochen noch hatte Frau Kaili behauptet, Katar sei ein “Vorreiter bei den Arbeitsrechten” und daß sich das Land geöffnet habe. Sie schimpfte alle, die jeden der Korruption bezichtigten, der auch nur mit den Katarern spreche.
Frau Kaili ist schon lange auf der politischen Bühne unterwegs. 2002 wurde sie Mitglied im Stadtrat von Thessaloniki, später dannn war sie jüngste Abgeordnete in der griechischen Nationalversammlung und seit 2014 ist sie im EU-Parlament gewesen. Das Relotiusblättchen aus Hamburg nannte sie 2011 bereits eine “Weitsichtige”. Da fragt man sich unwillkürlich, ab wann man beim Relotiusblättchen weitsichtig vorhersehen konnte, daß man eines Tages über 5 Mio. Dollar von der Bill- & Melinda-Gates-Stiftung erhalten würde, um unabhängig über die Gefährlichkeit von Impfstoffen zu berichten. Experten für Weitsicht eben, diese Spiegelanten aus Hamburg. Wegen der Unschuldsvermutung, die auch für den Lügner gilt, darf ich daher behaupten, daß es noch nie Zweifel an der messerscharfen Weitsicht des SPIEGEL gegeben hat.
Wie es die Weitsicht will, wurde am Freitag auch ein italienischer Politik-Berater festgenommen, mit dem Frau Laili rein zufällig liiert ist, was die Unschuldsvermutung nur weiter erhärtet, weil eine doppelte Unschuldvermutung mehr wert ist als eine einfache. Hier zeigt sich auch schön der Unterschied zwischen “Berater” und “Brater”, wenn es um die Unschuldsvermutung geht. Der eine berät und der andere brät. Der italienische Politik-Berater wird seiner vermuteten Unschuld wegen in der Presse nicht namentlich genannt, der Sternekoch als Würstchenbrater für den reussischen Terror-Prinzen und dessen Truppen aber schon. Gottlob gilt die Unschuldsvermutung gleichermaßen für namentlich Unbekannte wie auch für die namentlich Bekannten. Weswegen es auch nichts ausmacht, daß das Relotiusblättchen auf dem Titel seiner aktuellen Ausgabe auf jene Augenbalken verzichtet, die sonst jeder messerstechende Maghrebiner, Afghane und Subsaharant verpasst bekommt.
Sei es wie es sei: Die festgenommene und wahrscheinlich unschuldige EU-Vizepräsidentin Eva Kaili steht nun unter Druck. Wenn es analog zur Unschuldsvermutung kein Undruck ist. Die deutsche Parlamentsvizepräsidentin Nicola Beer hofft, dass Frau Kaili ihren Posten aufgibt. Frau Beer ist von der FDP und sieht längst nicht so gut aus wie Frau Kaili. Außerdem ist sie 8 Jahre älter. Die Innenministerin mit der fortschrittlichen Schuldvermutung aus der Republik der Deutschen Demokraten ist übrigens blond. Aber das hat alles nichts zu bedeuten. Beim Geschlecht und bei der Haarfarbe gilt die Unschuldsvermutung ganz besonders. Also bei einem der beiden Geschlechter. Mehr als zwei gibt es ja auch nicht. Deswegen kann die Frau Beer vermutlich auch nichts dafür, dass sie behauptete, Frau Kaili habe das Vertrauen ins EU-Parlament erschüttert. Sie scheint davon ausgegangen zu sein, dass es da noch etwas zu erschüttern gegeben hat. So eine Unschuldsvermutung ist schon praktisch. Der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament muss man das mit der Unschuldsvermutung vermutlich noch einmal genau erklären. Die hat nämlich Frau Kailis Mitgliedschaft trotz aller Vermutung jetzt schon suspendiert. Und die griechischen Pasoken haben sie gleich ausgeschlossen. Geht man so mit einer Unschuldsvermutung um? – Da wird eine Nachschulung fällig. Die Frau Faeser hält die besser nicht. Dass sie blond ist, ändert an dieser Feststellung gar nichts.
Interessant ist, dass in der EU jeder Skandal ein Potenzial für politische Schachzüge birgt. Die moralische Integrität, von der ständig geredet wird, scheint eine wandelbare Währung zu sein, die je nach Bedarf eingesetzt oder ignoriert wird. Wenn jemand wie Eva Kaili, eine aufstrebende Politikerin mit Charme und Eloquenz, unter Verdacht gerät, sind die Reaktionen der Kollegen aufschlussreicher als der Vorwurf selbst. Die FDP-Politikerin Nicola Beer, die nun fordert, dass Kaili ihren Posten räumt, mag vielleicht ein persönliches Interesse daran haben, die Aufmerksamkeit auf den Vorfall zu lenken. Schließlich bietet jeder Skandal eine Chance, sich selbst ins rechte Licht zu rücken – oder zumindest die Konkurrenz zu schwächen.
Und was ist mit der Innenministerin Nancy Faeser, die so fortschrittlich die Schuldvermutung als Standard annimmt? Ihre Blondenlocken lenken uns vielleicht davon ab, dass sie damit einer Praxis frönt, die in autoritären Regimen zuhause ist. Man könnte meinen, sie hätte aus der Geschichte gelernt, aber anscheinend gilt für sie eher das Prinzip der Schuldvermutung als modern und notwendig.
Die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament scheint auch ein besonders eigenartiges Verständnis von Unschuldsvermutung zu haben. Sie suspendieren ihre Mitglieder schon bei bloßem Verdacht. Ein Paradoxon in sich, denn wie soll man Vertrauen in ein System haben, das seine eigenen Grundprinzipien so bereitwillig über Bord wirft? Es ist fast so, als ob sie sich selbst ein Bein stellen wollen, um dann großspurig zu erklären, wie sie den Schaden wieder reparieren werden.
Und die griechischen Pasoken? Sie haben Kaili einfach ausgeschlossen, wahrscheinlich in einem Anfall von vorschneller Panik und dem Bedürfnis, sich von jeglichem Makel zu distanzieren. Es ist schon bemerkenswert, wie schnell politische Loyalitäten verschwinden, wenn der Wind des öffentlichen Urteils weht. Vielleicht sollte man den Politikern eine kleine Nachhilfe in Sachen Unschuldsvermutung und ethischem Verhalten geben. Aber wahrscheinlich würde das bei den meisten von ihnen auf taube Ohren stoßen – sie haben schließlich Wichtigeres zu tun, wie das Schachern um Macht und Einfluss.
Insgesamt zeigt dieser Vorfall einmal mehr, dass die Prinzipien, die angeblich die Grundlage der EU bilden, oft nur Lippenbekenntnisse sind. Hinter den Kulissen geht es um Macht, Einfluss und das Überleben im politischen Haifischbecken. Eva Kaili mag unschuldig sein oder nicht – das wird sich zeigen. Aber die Art und Weise, wie ihre Kollegen mit der Situation umgehen, spricht Bände über den Zustand der politischen Kultur in der EU. Es scheint, als ob die einzige wirkliche Konstante in diesem System die Heuchelei ist. Und das ist eine traurige Bilanz für eine Institution, die sich als Leuchtfeuer der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verkaufen möchte.
Weder blind noch blond ist jedenfalls der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs. Der twitterte, daß er sich jetzt schon auf die Äußerungen von den antikorruptionsaffinen Damen und Herren im EU-Parlament freue und nannte beispielhafte Namen, wie z.B. Katharina Barley, Guy Verhofstadt und andere Antikorruptionsprediger, die sich zum Fall der mutmaßlich unschuldigen Frau Eva Kaili noch nicht geäußert zu haben scheinen.
Und weil das mit der Unschuldsvermutung eine so formidable Sache ist – hier noch ein vermutlich unschuldiges Bildchen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Pfizer-CEO Albert Bourla. Wenn ich das Bild richtig interpretiere, dann springt ihnen die Freude angesichts ihrer gemeinsamen Ablehnung jedweder Korruption förmlich aus den Augen. Na, wo ist es denn, das Bildchen, auf dem Bourla und von der Leyen bei einem inniglichen Begrüßungsbussi zu sehen sind? Sakra, jetzt finde ich das nicht mehr. Das wird doch nicht von jemandem in aller Unschuld aus dem Internet getilgt worden sein? Das Bild mit den geschwärzen Protokollseiten zum Pfizer-Deal der EU-Kommissionspräsidentin wäre jetzt nicht das, welches ich in aller Unschuld herzeigen wollte. Na, da werde ich wohl mit diesem hier vorlieb nehmen müssen. Frau von der Leyen mit ihrem Ehemann Heiko bei einem Tänzchen unter dem Motto “The Roaring Twenties”.
Heiko von der Leyen hat in Stanford studiert und wurde 2002 an der Medizinischen Hochschule Hannover zum außerplanmäßigen Professor für Innere Medizin und experimentelle Kardiologie ernannt. Seit September 2020 ist er Medizinischer Direktor beim amerikanischen Biopharma-Unternehmen “Orgenesis”, das sich auf die Entwicklung von Zell- und Gentherapien spezialisiert hat. Wegen der ganzen Unschuldsvermutung allüberall möchte ich deshalb ausdrücklich darauf hinweisen, daß experimentelle Kardiologie, Myokarditis, mRNA-Impfungen, Eheschließungen, Übersterblichkeit, außerordentliche Professur, Pfizer, Bourla und geschwärzte Verhandlungsprotokolle sehr unschuldsvermutlich in keinem wie auch immer gearteten Verdachts-Zusammenhang zueinander stehen. Die vermutlich unschuldige Frau Eva Kaili von den griechischen Pasoken ist ganz bestimmt so ein Einzelfall, wie wir ihn schon von Einmann kennen. Und überhaupt: Es lege mir niemand etwas in den Mund, das ich nicht behauptet habe.
Weil: Daß Korruption total unüblich ist im Wertewesten, kann man schon daran erkennen, daß die Korruption in der Ukraine bis vergangenes Jahr noch heftig kritisiert worden ist. Ein Korrupter würde die Korruption niemals kritisieren, oder? Wenn es die Unschuldsvermutung nicht gäbe, müsste man auch annehmen, daß Elon Musk selber korrupt ist. Es lebe die Unschuldsvermutung!