Von Bluthochdruck, über Diabetes bis hin zu Hustensaft, in Deutschland herrscht mancherorts Medikamenten-Notstand. Besonders betroffen sind im Moment die Kleinsten, die unter einer massiven Atemwegserkrankungs-Welle zu leiden haben. Für sie gibt es nicht mal mehr fiebersenkende Mittel. Klaus Reinhard, Präsident der Bundesärztekammer hat die rettende Idee: Veranstaltet doch einfach Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft. Auf den Tisch sollen auch abgelaufene Arzneien, so groß ist anscheinend die Not.
“Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben“, verlangt Reinhardt angesichts der aktuellen Infektionswelle und wachsender Arzneimittelknappheit im Tagesspiegel. „Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft”, meint er angesichts der nächsten Krise, in die das Land – auch dank der Politik – geschlittert ist.
Arzneimittel, deren Haltbarkeitsdatum bereits einige Monate abgelaufen sei, stellen für den Fachmann kein Problem dar, zahlreiche von ihnen könne man auch dann noch gefahrlos verwenden, meint Reinhard. Welche das sind, verrät er aber an dieser Stelle nicht.
Auch zur kritischen Lage in den Krankenhäusern hat der Bundesärztekammer-Präsident eine klare Meinung. Patienten mit schweren Infektionskrankheiten haben jetzt Vorrang. Alle anderen, deren planbare Operationen verschoben werden könnten, sollten doch mal “vier bis sechs Wochen die Zähne zusammenzubeißen, wenn das irgend möglich ist“, so sein Appell. In ein paar Wochen sei die momentane Infektionswelle mit großer Wahrscheinlichkeit schließlich vorbei.
“Hart wie Kruppstahl” wünscht er sich offenbar die Bevölkerung: Ihm gehe es laut Tagesspiegel auch darum, daß die Menschen wieder lernen, “Krisenzeiten pragmatisch und standfest abzuwettern“. Wenn das geschafft ist, könne man sich ja um Grundsätzliches kümmern, wie etwa die Reform der Arzneimittelproduktion.
Einen weiteren milliardenschweren Scholz-“Wumms“ zum Aufkauf von Medikamenten weltweit findet Reinhardt nicht so gut: “Das hilft nicht. Andere Länder der Welt haben dasselbe Problem. Denen können wir doch die Arzneien nicht wegkaufen”, erklärt er. Anderen Ländern das Pflegepersonal und die Fachkräfte “wegzukaufen” ist für ihn offenbar aber kein Problem: Inzwischen kommt jede achte Pflegekraft aus dem Ausland. Mehr als 200.000 ausländische Pflegekräfte arbeiten in Deutschland – rund dreimal so viele wie noch 2013. Ihr Anteil liegt an allen Pflegekräften liegt bei 13,5 Prozent (Krankenpflege:12%, Altenpflege:16 %, bei 1,5 Millionen Beschäftigten insgesamt). Jeder siebte Arzt stammt mittlerweile aus dem Ausland. Die meisten Pflegekräfte kommen aus Polen, Bosnien-Herzegowina oder der Türkei.
In den Kinderklinik regiert vielerorts das Recht des Stärkeren: Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) kommt es zunehmend zu Anfeindungen oder sogar Übergriffen gegen die dort Beschäftigten. “Es häufen sich Fälle von Androhung oder der tatsächlichen Ausübung psychischer und physischer Gewalt gegenüber dem Gesundheitspersonal“, erzählt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt der „Rheinischen Post“. Der Elefant steht im Raum, um welche besonders dünnhäutige Klientel es sich hier handelt, die öfter mal zu physischer Gewalt greift, wenn sie sich nicht angemessen behandelt fühlt.
Hasselfeld umschreibt die Bedrohungslage auf deutschen Krankenhausfluren lieber so: Wegen der Personalknappheit und des Zeitdrucks sei “eine gute Einbindung der Eltern oft „nur unzureichend möglich, was wiederum zu Informationsverlusten, der Häufung von Beschwerden und wachsender Anspannung auf allen Seiten führt”. , sagte Hasselfeldt.
“Es gibt in vielen Regionen so gut wie keine freien Intensivbetten mehr“, erläutert der Intensivmediziner Christian Karagiannidis der “Rheinischen Post“. „Derzeit kämpfen wir gegen sehr breit gefächerte Krankheitsbilder: Grippe, RS-Virus, Corona und andere Atemwegserkrankungen, dazu die üblichen Notfälle“. In vielen Regionen gebe es so gut wie keine freien Intensivbetten mehr. Corona sei nicht mehr das Hauptproblem, so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin Karafiannidis. Das Schreckens-Virus führt derzeit nicht mehr die Hit-Liste der kleinen Krankmachen an. Immerhin. (MS)