Theoretisch der beste Mann als "Speaker Of The House": Rep. Jim Jordan aus Ohio - Foto: Imago

USA: Abstimmungskrimi im Repräsentantenhaus

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Die Republikaner haben bei den “Midterms” die Mehreit der Abgeordnetensitze im Repräsentanternhaus gewonnen, wenn auch nicht so dicke, wie es vorher allerorten prognostiziert worden war. Von einer “roten Welle” kann keine Rede sein. Weil sie die Mehrheit haben, dürfen sie auch den “Speaker of the house” stellen. Das hat seit 100 Jahren recht reibungslos funktioniert. Im Jahre 2023 aber nicht mehr.

von Max Erdinger

Die Republikaner können sich nicht auf einen Kandidaten für den Job einigen. Kevin McCarthy soll es sein. Der 57-jährige Mann aus Kalifornien scheiterte inzwischen im sechsten Wahlgang. Wegen der kleinen Mehrheit der Republikaner genügen etwa 20 republianische Stimmen gegen McCarthy, um zu verhindern, daß er die mindestens nötige Zahl von 218 Stimmen erhält, die er bräuchte, um von der absoluten Mehrheit der Abgeordneten gewählt worden zu sein. Woran liegt es, daß er das nicht schafft?

Kevin McCarthy
Scheitert: Kevn McCarthy – Screenshot Handelsblatt

Das “Handelsblatt”: “Seine Gegner in der republikanischen Fraktion werfen ihm Opportunismus vor und mangelndes Rückgrat. Sie gehören überwiegend zum ultrakonservativen, Trump-nahen „Freedom Caucus” und halten McCarthy für zu ‘Establishment’.

Die Abstimmungsgroteske um Kevin McCarthy verdeutlicht exemplarisch, daß die fundamentale politische Spaltung zwischen US-Politikern nicht entlang der Parteigrenzen zwischen US-Demokraten und Republikanern verläuft, sondern zwischen den dem “Natioal Security State” (“Deep State”) Verpflichteten und den Unabhängigen. Zu den Unabhängigen werden gezählt RonDeSantis, Ted Cruz, Marjorie Taylor Greene, Rand Paul und Jim Jordan auf Seiten der Republikaner. Bei den US-Demokraten wiederum fällt mir nur Tulsi Gabbard ein, die kurz vor den Midterms aus der Demokratischen Partei ausgetreten ist mit der Begründung, bei den US-Demokratern handele es sich um eine Ansammlung von “elitären Kriegstreibern”. Das wiederum wäre allerdings bei den meisten Republikanern nicht anders, noch nicht einmal bei einem Teil der Unabhängigen.

Wer blockiert also die Wahl von Kevin McCarthy? Es handelt sich um etwa 20 Republikaner, die endlich ernstmachen wollen mit der Beendigung des korrupten Filzes in der US-Politik. Sie dürsten regelrecht danach, die Untersuchungsausschüsse zu installieren, die Joe Biden und dessen Umtrieben den Garaus machen würden, die Entpolitisierung von FBI, NSA und CIA zur Folge hätten und letztlich zu einer vollumfänglichen Wiederherstellung der Redefreiheit in den sozialen Netzwerken führen würden. Grob gesagt stammen die 20 Abweichler allesamt aus der MAGA-Fraktion der Republikaner, sind also Trump-Anhänger, die “auf Rache aus” sind für die Durchstechereien der US-Demokraten im Repräsentantenhaus unter Speaker Nancy Pelosi. Protokollarisch betrachtet ist die Position “Speaker Of The House” die dritthöchste nach US-Präsident und Vizepräsident. Der Sprecher des Repräsentantenhauses (“Speaker of the house”) bestimmt, welche Anträge und Gesetzesentwürfe überhaupt debattiert werden und welche nicht.  McCarthy hat in der jüngeren Vergangenheit derartig hin- und herlaviert zwischen Pro-Trump und Anti-Trump-Positionen, daß man ihn als ein regelrechtes Chamäleon bezeichnen kann. Er wird das Vertrauen der 20 Abweichler niemals gewinnen.

Trump macht einen Fehler

Obwohl McCarthy dem früheren Präsidenten Trump bei verschiedenen Gelegenheiten in den Rücken gefallen ist, etwa, als er dessen Schuld an der “Erstürmung des Kapitols” am 6. Januar 2021 bejahte – was evident völlig abwegig ist -, appellierte Donald Trump im Verlauf des Abstimmungsdramas an die “Renitenzler”, sich endlich zu überwinden und McCarthy zu wählen. Damit dürfte sich Trump selbst den schlechtesten Dienst erwiesen haben. Sein Appell verlief fruchtlos. Indirekt bedeutet das, daß sich die MAGA-Fraktion auch Trump nicht beugen will. Im nächsten Wahlgang fehlte McCarthy erneut die erforderliche Stimmenzahl aus Reihen der eigenen Partei. Auf Jim Jordan entfielen “zufälligerweise” zuletzt exakt 20 Stimmen. Kevin McCarthy beharrte aber bis vorhin weiter auf seiner Kandidatur. Es bleibt spannend. Lassen sich die Abtrünnigen nicht umstimmen, wird es mit Kevin McCarthy als einem “Speaker of The House” nichts werden.  Irgendwann wird er das wohl auch selbst einsehen müssen und von seiner Kandidatur zurücktreten. Die Abweichler allerdings haben selbst keine Chance, einen Wunschkandidaten durchzudrücken. Einem Kandidaten Jim Jordan würden garantiert sehr viel mehr Stimmen fehlen als aktuell Kevin McCarthy, obwohl Jim Jordan unter dem Gesichtspunkt der “politischen Hygiene” ein Glücksgriff wäre.

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Rep. Jim Jordan aus Ohio – Foto: Imago

Interessant ist der Abstimmungskrimi im Repräsentantenhaus also auch deswegen, weil er offenbart, wievielen Republikanern an einer fundamentalen “Grundreinigung” von US-Politik samt aller politisierten Behörden so wenig liegt wie den meisten US-Demokraten und daß es auch bei der US-Präsidentschaftswahl 2024 – die Standpunkte zum inneramerikanischen Kulturmarxismus ausgenommen –  gar nicht so sehr um die Frage geht, ob ein Republikaner oder ein US-Demokrat Präsident wird, sondern viel mehr darum, ob es Trump sein wird oder nicht. Der allerdings hat sich mit seinem Votum für McCarthy langfristig ins eigene Knie geschossen und damit das Abflauen der Trump-Mania weiter beschleunigt. Dadurch rückt der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, näher an die Favoritenrolle 2024 heran.

Abstimmen bis zum Jüngsten Tag

Die amerikanische Verfassung kennt keine Begrenzung der Wahlgänge. Rein theoretisch könnten die Abgeordneten im Repräsentantenhaus bis zum Jüngsten Tag einen nach dem anderen Wahlgang abhalten, ohne daß je ein Kandidat die erforderliche Mehrheit bekäme. Inzwischen sollen bereits Versuche unternommen worden sein, bestimmten US-Demokraten über Zugeständnisse ihre Zustimmung zu einem republikanischen “Speaker Of The House” abzuluchsen. So lange das Repräsentantenhaus keinen Sprecher hat, ist es nicht arbeitsfähig. Den Vorwuf, den US-Kongress arbeitsunfähig zu halten, müssen sich aber nicht nur die 20 ABweichler gefallen lassen, sondern auch die republikanische Mehrheit. In der Sache ginge es nämlich um Großes. Findet nun ein Aufräumen statt in der US-Politik oder nicht? Wäre die Mehrheit der Republikaner dafür, dürfte ein Kandidat, der den Abweichlern genehm wäre – wie gesagt, Jim Jordan etwa – kein unüberwindliches Problem darstellen. Und das ist es, was dieser Abstimmungskrimi letztlich aussagt: Auch bei den Republikanern, nicht nur bei den US-Demokraten, haben so viele so viel Dreck am Stecken, daß sie das große Aufräumen fürchten müssen. Das amerikanische Zweiparteiensystem entlarvt sich dieser Tage so sehr als Farce, wie sich das deutsche Mehrparteiensystem als Koalitionsmassaker an der Demokratie entlarvt. Die politische Klasse des kollektiven Westens scheint nichts so sehr fürchten zu müssen wie die Rückkehr zu Recht & Gesetz, Wahrheit & Rechtschaffenheit.

Da bleibt einem nur noch Sarkasmus: “Wenigstens in der Ukraine werden noch Demokratie, Freiheit und “westliche Werte” verteidigt”. Es ist nur noch völlig grotesk mit diesen Politgangstern. Wenn es nicht die Mediengangster und ihre Politbüttel sind.

 

 

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