Alle Macht gehört dem Volk?

Ist eine grundsätzliche Alternative zu unserem heutigen global herrschenden Gesellschaftssystem möglich und ist die Bevölkerung bereit dafür, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen? Was eine neue Gesellschaftsordnung betrifft, so sollte sie allumfassend demokratisch sein. Ist nur ein Bruchteil von allumfassender Demokratie realistisch?

Da die Schattenseiten der heutigen repräsentativen Demokratie immer deutlicher in den Vordergrund treten, sollte man neue Formen der Demokratie in Betracht ziehen. Derzeit besteht die Beteiligung der Bevölkerung an Demokratie nur in Form von Wahlen, danach ist sie jedoch einflusslos, machtlos gegenüber dem Einfluss mächtiger Interessengruppen und Lobbyisten, manipuliert durch die Medien und durch deren Einfluss geprägt. Die entscheidende Frage ist, wie kann die Bevölkerung am politischen Willensbildungsprozess beteiligt werden? Will sie das überhaupt, will sie Verantwortung für sich selbst übernehmen? Oder will sie sich aufregen und am Rechner in Foren mit anderen um die Wette schreien, wie tragisch der Zustand des Landes ist?

Dieser Eindruck entsteht leider. Denn schneidet man das Thema an, kommt trotz aller Unzufriedenheit, die derzeit in Deutschland herrscht, eine Flut von Einwänden nach dem Motto: „Also ich lebe lieber hier, als in Russland oder in China! Dort könnte man diese Frage nach einem anderen System gar nicht stellen”. Wir leben aber nicht in China. Deshalb stellt sich die Frage, was bringt Menschen dazu, diese im Prinzip unsinnige Aussagen zu treffen?

Warum verteidigen Menschen Systeme, die über sie herrschen, während sie gleichzeitig genau die Länder verurteilen, die Ihre eigene Regierung nicht mag? Könnte es sein, dass die Gesellschaft dazu erzogen wurde, sich so zu verhalten? Bereits in Kita und Schule wird das westliche Wertesystem gepredigt, sodass Einwände für Veränderung ähnliche Reaktionen hervorrufen wie die Einwände eines Sektenmitglieds gegen Kritik an seiner Sekte?

Denn ist es letztlich nicht das, was die Strukturen des Systems zusammenhält? Beeinflussung? Genauso wurden noch vor 100 Jahren, die Menschen durch die Kirchen manipuliert, mit dem Spiel von Angst und Hölle. Besteht der einzige Unterschied nicht darin, dass die Beeinflussung nicht durch religiöse Führer erfolgt, sondern durch die Mainstream-Medien und die Manipulation durch Politiker?

Und würde ohne diese tiefgreifende, anerzogene Denkmuster, die Machtstrukturen, nicht sofort zusammenbrechen? Damit würde die große Gefahr bestehen, dass die Menschen aufhören zu glauben, dass Wahlen echte Verfahren sind und ihre Macht nutzen, um sich so zu organisieren, dass Viele davon profitieren und nicht nur eine kleine Elite.

Die Gewaltenteilung, die heute zwar nach dem Schulbuch vorhanden ist, aber in der Wirklichkeit kaum existiert. Auch erkennbar an dem Geschachere um die Auswahl der Verfassungsrichter durch Bundestag und Bundesrat je nach Parteizugehörigkeit. Dieses wäre in einem Rätesystem zum Beispiel nicht möglich. Was genau ist ein Rätesystem?

Das Rätesystem bleibt eine Alternative?

Das Rätesystem beruht auf dem Ordnungsmodell der direkten Demokratie und geht auf Überlegungen zurück, politisch minderberechtigten Teilen der Bevölkerung ein Instrument zur Selbstorganisation und zur Mitbestimmung zu geben. Ziel ist die Herrschaft von Volksbeauftragen. Dazu wird das Volk in überschaubare Basiseinheiten gegliedert. Basisversammlungen wählen einen Rat, mehrere Basisräte entscheiden sich für einen nächsthöheren Rat: Zur Erfüllung ihrer Aufgaben wären Räte in verschiedene Ausschüsse und Unterausschüsse gegliedert, deren Arbeit, falls notwendig, durch Koordinierungsausschüsse organisiert werden würde. Sollte die Basis mit Ratsentscheidungen nicht einverstanden sein, so könnten Volksabstimmungen beantragt werden, die mit einem Mehrheitsquotum die Ratsbeschlüsse wieder aufheben. Ratsmitglieder, die ihrer Rolle nicht gerecht werden oder deren Prinzipien zuwiderhandeln, könnten von der Allgemeinheit direkt abberufen werden.

Es ist unmöglich, alle Punkte des Rätesystems in einem kurzen Abriss anzuführen, es ist eine Idee, um deutlich zu machen, dass es zu unseren heutigen Gesellschaftsordnungen zumindest Gegenentwürfe gibt. Sollten wir nicht anfangen nachzudenken, welche neuen Ansätze in unserer Gegenwart und naher Zukunft übertragbar sind? Welches demokratische System es auch immer sein mag. Das Rätesystem, von dem die derzeitige Politik nichts hören möchte, wird in den Medien als sowjetisch und extrem links zerrissen. Korrekt ist die Räteidee besitzt im Marxismus-Leninismus tatsächlich einen hohen Stellenwert. Allerdings greift es zu kurz. Bereits im 16. Jahrhundert wurde sie in Frankreich gelebt und zerstört. Damals hatte die Welt von Lenin noch nichts gehört.

So auch der Versuch in Deutschland: Während sich im Deutschen Reich die Anhänger der parlamentarischen Demokratie schon längst durchgesetzt hatten, wurde in München 1918 eine „Räterepublik“ unter Führung von Kurt Eisner ausgerufen worden. Das Modell „Räterepublik“ wurde nach einem Monat gewaltsam niedergeschlagen. Auf Seiten der Regierung heißt es: Das Problem der langfristigen Realisierbarkeit eines Rätesystems konnte nicht gelöst werden. Diese Frage bleibt somit unbeantwortet, da bisher alle historischen Versuche, dieses System umzusetzen, gescheitert sind. Es wurde vergessen anzuführen, dass alle Versuche deshalb gescheitert sind, weil sie bewusst in kürzester Zeit von außen zerstört wurden. Verstörende Zufälle gibt es.

„Alle Macht geht vom Volke aus“, heißt es und das mag sein. Die Frage aber ist, wohin sie geht?

Foto: Pixabay

14ab65a2ee36435f92d351904168196f

Entdecke mehr von Journalistenwatch

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen