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Strafmündigkeit runter?

Berlin – Jetzt geht diese Debatte wieder los: Nach der Tötung der 12-jährigen Luise F. aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalen durch zwei nahezu gleichaltrige Mädchen fordern Union und AfD eine Debatte über die Strafmündigkeitsgrenze, die derzeit bei 14 Jahren liegt. Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Günter Krings sagte dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (Donnerstagausgaben): “Wir müssen die Debatte führen, ob das Alter der Strafmündigkeit für schwere Straftaten gesenkt werden muss. Denn bei den schwersten Straftaten – wie insbesondere Tötungsdelikten – handelt es sich um keine jugendlichen Verfehlungen. Auch Kinder wissen, dass sie nicht töten dürfen.” Es müsse daher dringend geprüft werden, ob es eine Zunahme von schweren Straftaten durch Kinder gebe und sich der Reifeprozess bei 12- und 13-Jährigen beschleunigt habe. Der CDU-Politiker betonte: “Unser Recht ermöglicht innerhalb des Zivilrechts auch schon die freiheitentziehende Unterbringung von straffälligen Kindern und Jugendlichen per Gerichtsbeschluss. Deshalb müssen die Länder solche geschlossenen Einrichtungen wieder stärker vorhalten.” Zudem müssten Länder und Kommunen sie im Bereich der Jugendhilfe konsequenter nutzen. “Eine sozialpädagogische Zurückhaltung insoweit wäre nicht nur falsch, sondern sowohl für die Täter als auch für mögliche weitere Opfer gefährlich”, sagte Krings.

Die AfD führt unterdessen bereits in Sozialen Netzwerken eine Kampagne: “Wer eine solch grausame Tat begehen kann, dem sollte in Zukunft bewusst sein, dass sie auch strafrechtliche Konsequenzen haben wird”, sagte der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner. Seine Fraktionskollegin Mariana Harder-Kühnel, stellvertretende AfD-Bundessprechern, sagte, wer mit 12 Jahren morden könne, müsse auch mit 12 Jahren bestraft werden.

Kinderschützer warnen dagegen vor einer Debatte über die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. “Kinder unter 14 Jahren sind von ihrer Entwicklung her schuldunfähig, weil sie das Ausmaß und die Taten nicht vollständig begreifen können”, sagte Martina Huxoll-von Ahn, stellvertretende Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes der “Welt” (Donnerstagsausgabe). Statt einer Absenkung des Strafmündigkeitsalters seien erzieherische Maßnahmen angezeigt.

Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, warnte ebenso: “Wenn Kinder so extrem gewalttätig werden, ist das bitter und schrecklich. Aber wir sollten uns davor hüten, mit Reflexen zu reagieren, die letztlich alle Kinder und Jugendlichen betreffen.” Die Strafmündigkeitsgrenze diene dazu, Kinder zu schützen und ihnen erzieherische Maßnahmen angedeihen zu lassen.

Deutschland sei mit der geltenden Regelung im europäischen Vergleich gut beraten. In den meisten Ländern liege die Grenze bei 14 bis 15 Jahren, so Hofmann. “Wichtig ist, dass Kinder rechtzeitig Unterstützung bekommen, wenn sie auffällig werden. Das gilt auch für Kinder, die von ihrem kriminellen Umfeld für die Begehung von Straftaten missbraucht werden.” Die AfD hatte sich zuvor für eine Herabsetzung der Strafmündigkeitsgrenze von 14 auf zwölf Jahre ausgesprochen. Die Union mahnte zu Sorgfalt.

“Die Frage, ob das Strafmündigkeitsalter zumindest für schwere Straftaten abgesenkt werden muss, erfordert eine gründliche Prüfung”, warnte der rechtspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Günter Krings (CDU). Grundsätzlich sei jedoch davon auszugehen, “dass auch Zwölfjährige wissen, dass sie keinen Menschen töten dürfen”, so Krings weiter. “Bei Tötungsdelikten kann kaum von einer jugendlichen Verfehlung gesprochen werden. Es muss daher dringend untersucht werden, ob es eine Zunahme von schweren Straftaten durch Kinder gibt und ob sich der Reifeprozess bei Zwölf- und 13-Jährigen in den letzten Jahren beschleunigt hat.” Im konkreten Fall müsse zudem klar sein, dass “sofortige Maßnahmen” im Hinblick auf die mutmaßlichen Täterinnen notwendig seien, so Krings. “Eine falsch verstandene sozialpädagogische Zurückhaltung hielte ich hier für gefährlich.” Ähnlich äußerte sich Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion.

Die Strafunmündigkeit der Mädchen bedeute nicht, dass es keine Reaktion auf die Tat gebe, so Thomae. “Auch bei strafunmündigen Kindern stehen dem Rechtsstaat mit dem Familienrecht sowie dem Kinder- und Jugendhilferecht zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten bis hin zur Unterbringung in einem geschlossenen Erziehungsheim zur Verfügung.”

Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Dirk Peglow, hat dagegen ganz andere – offensichtlich größere – Probleme. Er warnt jetzt davor, Bilder, Namen oder angebliche Social-Media-Profile der mutmaßlichen Täterinnen von Freudenberg im Internet zu teilen. “Die Verbreitung von persönlichen Daten oder Bildern mutmaßlicher Beschuldigter durch private Personen in Sozialen Medien stellt eine moderne Form der Hexenjagd dar”, sagte Peglow dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (Donnerstagsausgabe). Diese führe in einem sehr frühen Stadium nicht nur für die betroffenen Beschuldigten, sondern auch für deren Angehörige zu erheblichem Leid.

Das halte er für sehr gefährlich. Nach der Tötung einer 12-jährigen aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalen waren in Sozialen Netzwerken Namen, Bilder und Social-Media-Profile verbreitet worden, die zu den mutmaßlichen minderjährigen Täterinnen gehören sollen. “Die Gefahr ist groß, dass Menschen öffentlich mit der Tat in Verbindung gebracht werden, die gar nichts mit ihr zu tun haben”, warnte der Kriminalhauptkommissar und Verbandsvorsitzende Peglow.

Diese öffentlich angeprangerten Menschen liefen dann Gefahr, “verbal oder gar körperlich angegangen zu werden”. “Da werden ja keine Faktenchecks gemacht, sondern der Leitgedanke ist oft eher: Viel Meinung und wenig Ahnung”, sagte Peglow. “In den Sozialen Medien erreicht man ohne Kenntnis der Faktenlage mit solchen Meldungen in sehr kurzer Zeit einen großen Kreis von Menschen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, sich damit zum Beispiel wegen des Verdachts der falschen Anschuldigung selbst strafbar zu machen”, warnte der Kriminalbeamte.

Wir sehen uns dann das nächste Mal wieder. (Mit Material von dts)

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