Während Deutschland der ganzen Welt durch seinen Ausstieg aus der Atomkraft ein abschreckendes Beispiel dafür liefert, wie man die Energieversorgung eines Industrielandes mutwillig ruiniert, schießen in Frankreich (und nicht nur dort) immer neue Atomkraftwerke aus dem Boden. Präsident Emmanuel Macron hatte letztes Jahr den Bau von bis zu 14 Reaktoren angekündigt. Die französische Atomindustrie will in den kommenden zehn Jahren etwa 100.000 Mitarbeiter einstellen und ausbilden. In einem Bericht an die Regierung heißt es, das Arbeitsaufkommen werde um ein Viertel steigen. Zudem soll auch die Errichtung von acht weiteren Atomkraftwerken geprüft und die Laufzeit der bestehenden Kraftwerke auf über 40 Jahre verlängert werden.
Frankreich beteiligt sich überdies noch am Bau von Reaktoren in Großbritannien und Indien. Dies wird auch einen Boom für den Arbeitsmarkt in der Branche nach sich ziehen. Der Bericht geht von einer Steigerung der Neueinstellungen bei Metallarbeitern um 140 Prozent und bei Ingenieuren um 220 Prozent aus. Da für die Wartung der derzeitigen Kraftwerke das Personal fehlt, muss man auf rund 100 Fachkräfte des US-Kraftwerkbauers Westinghouse zurückgreifen. Das Ministerium für die Energiewende, die in Frankreich genau umgekehrt zu verstehen ist als in Deutschland, erklärte: „Wir werden auf allen Ebenen einstellen, vom Fachabitur bis zum Ingenieur.“
So geht Wirtschafts- und Standortsicherung
in größerer Kontrast zum deutschen Nachbarn ist kaum vorstellbar. Der französische Experte Christoph Neugnot nennt drei Gründe für das Festhalten seines Landes an der Atomenergie. Zum einen sei die Kernkraft eine wichtige Industrie mit mehr als 200.000 Arbeitsplätzen. Zudem produziere Atomkraft nur wenig CO2 und sei damit „fast wie die erneuerbaren Energien“. Und schließlich sei mit den AKW der kontinuierliche Betrieb möglich. Belehrungen aus Deutschland, etwa vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dass die französischen Kraftwerke alt, verschlissen und daher gefährlich seien, weswegen sie letztes Jahr abgestellt werden mussten entgegnet Neugnot, dass dies einer „speziellen Situation“ geschuldet gewesen sei.
Die Vorfälle und Korrosionsprobleme, die an einigen Rohrleitungen entdeckt worden seien, nichts an der Wahrnehmung der Franzosen und der Entscheidung der Regierung geändert, wieder ein Atomprogramm aufzunehmen. „Weil Frankreich der Meinung ist, dass langfristig nur kohlenstoffarme Energien entwickelt werden sollten“, sagte er weiter. Die guten Ratschläge aus Deutschland werden bald sehr viel leiser werden. Die deutsche Energiepolitik ist zum Scheitern verurteilt, früher oder später wird man dies einräumen müssen. Die bis dahin verursachten Schäden und Wohlstandverluste sind jedoch nicht mehr rückgängig zu machen. (DM)