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“Die Arganisierung unserer Gesellschaft“

Oder: Wie sich Molière vor Lachen den Bauch halten müsste, wenn er das pseudoavantgardistische Gefasel vieler unserer heutigen “Kulturschaffenden“ zur Kenntnis nähme – Heute: Die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach in der Inszenierung des Deutschen Opa in Berlin.

Eine feuilletonistische Streitschrift von Peter Keuner

Kennen Sie Argan? Die Figur dieses Namens belegt die Titelrolle in der gleichzeitig beißenden, entlarvenden und erhellenden Komödie namens “Der eingebildete Kranke“ von Molière. Der eigentlich kerngesunde Hypochondergigant Argan streift dabei mit Hunderten von eingebildeten Wehwehchen über die Bühne und bezahlt den zahlreich um ihn herumscharwenzelnden Ärzten gerne ihre überteuerten Rechnungen. Dabei nimmt er begierig die Lateinischen Worte der Ärzte auf – natürlich ohne sie zu verstehen. Gegen Ende des Stückes dann landet er in einem medizinischen “Promotionsvorgang“, in dem er mit schlau und gebildet klingenden lateinischen Worten z.B. bei Zahnschmerzen Einläufe empfiehlt und einem harmlosen Schnupfen mit Amputationen begegnen will. Sein Gerede klingt so gelehrt (und wird auch mit genau dieser Verve vorgetragen), dass die Ärzte von ihm begeistert sind und ihn den “Ärzteschwur“ schwören lassen. Dabei jubeln sie: “Vivat! Vivat! Novus Doctor, qui tam bene parlat!“ (Es lebe, es lebe der neue Doktor, der so schön (ergänzende Anmerk. Autor: gelehrt) reden kann!“). Als ich vor 35 Jahren diese Komödie das erste Mal auf der Bühne sah, beeindruckte sie mich derart, dass ich seitdem eben diese Figur des Argan benutze, um die gelehrt klingen wollende Sprache – ganz besonders bei Kunst- und Geisteswissenschaften an den Universitäten (die DADURCH zu Geschwätzwissenschaften verkommen) und im medialen Feuilleton (der dadurch belanglos und banal wird) – mit einem Namen zu versehen. Wir können also bei gelehrt klingenden Banalitäten oder Falschaussagen seit Molière von einer “Argan-Konsequenz“ sprechen.

Das typische und hier sowohl als mahnendes als auch abschreckendes Beispiel dienende pseudointellektuelle Gefasel, das zu einer Inszenierung von Bachs Matthäuspassion der offensichtlich bereits völlig vergreisten Deutschen Opa in Berlin am vergangenen Freitag im Programmheft veröffentlicht wurde, steht stellvertretend für die Argan-Konsequenz an Schauspielhäusern mit einer ehedem vorhandenen Relevanz. Die Matthäuspassion ist ein chorisches Oratorium, das den Leidensweg bis fast zur Grablegung Jesu Christi darstellt. Es gibt mehrere Ebenen, wie der Zuschauer sich diesem Werk nähern kann:

1.) Auf der musikalischen Ebene (und dann muss man kein Christ sein, sondern lediglich die Musik bewundern)

2.) Über die Theologie, die christlichen Botschaften des Werkes

3.) Historisch über die Entwicklung der “Passionen“ vom Märtyrergedenken der urchristlichen Gemeinden hin zum liturgischen Höhepunkt der Hochkirchen

4.) Textlich über die einfühlsamen Worte des Evangelisten Matthäus (in der Übersetzung Dr. Martin Luthers), Paul Gerhards und Picanders.

Doch gehen wir einmal in medias res zum aufgeblasenen Dummschwatz: Im Programmheft zu dieser Inszenierung wird geschrieben:

“Ein Teil der Kinder hinterfragt irgendwann den Ablauf, bricht aus der Installation, aus dieser Wertefeier aus und lehnt das Opferprinzip ab. So wie die aktuelle Generation rund um Greta Thunberg ihre eigene Opferrolle verweigert.“

(Programmheft der Deutschen Oper – Artikel “Sie tragen das Kreuz“)

Der intellektuell mit Scheuklappen ausgestattete Berliner Feuilleton jubelt entsprechend:

“Das Geschehen wird hier von Kindern dargestellt, sie wechseln die Rollen, erstarren in lebenden, von barocken Ausdrucksgesten bestimmten Bildern und verehren zum „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ am Ende des ersten Teils das Kreuz. In diesem Moment löst sich ein Mädchen aus der Gruppe und ruft: „Hört endlich auf damit!“ Es ist ein markerschütternder Einspruch: Hört auf damit, den Tod zu feiern!“

(Berliner Zeitung vom 06.05.2023)

Owei! Diese Aussagen sind so falsch, dass noch nicht einmal das komplette Gegenteil richtig wäre! Richtig ist: Christen in allen Ländern dieser Welt haben nie das Kreuz verehrt, sondern immer nur des Kreuzestodes gedacht!

Es wird auch kein “Tod“ gefeiert. Hätte der inszenierende Regisseur nur ansatzweise einen Zugang zum Christentum, dann wüsste er, dass es GERADE die christliche Botschaft des Eu-Angelions (der “frohen Botschaft“ -> “Evangelium“) ist, die durch den Opfertod Jesu Christi JEGLICHES Opfer der Nachfolgenden obsolet gemacht hat. Man muss kein Christ sein, man muss dieser Religion nicht folgen, aber man sollte auch keine politischen Lügen über die Kernaussagen einer Religion setzen, um seiner eigenen offenkundig zutiefst ökosozialistischen Agenda und Aussage zu folgen.

Der Schwindel um die medial und marketingtechnisch gekonnt und mit viel – sehr viel! – Geld aufgeplusterte Kunstfigur Greta Thunberg ist NICHT Thema der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach!

Es ist entlarvend, dass sich derartige Inszenierungen gerne als “provozierend“ und “aufrüttelnd“ oder “markerschütternd“ bezeichnen, aber gleichzeitig feige hinter einem großen Namen – einer praktisch sakrosankten Figur wie Johann Sebastian Bach – verstecken. Warum schreibt und komponiert der Verantwortliche kein EIGENES Werk, wo er doch ganz offensichtlich weder mit der christlichen Botschaft noch den Texten und auch nicht mit der Entwicklung der “Passionen“ etwas anfangen kann. Herr Benedikt von Peter, der diese bedauerliche Inszenierung zu verantworten hat, ergießt sich im Programmheft in Argan`schen Kaskaden, wie sie mittlerweile symptomatisch im staatsfinanzierten “Kultur“-Betrieb sind.

Leider ist er nicht mutig genug, sich einem echten Markt zu stellen: Das Publikum zahlt und DAVON hat er die Akteure zu bezahlen -> Kein Publikum => keine weitere Aufführung! Unsere Theater sind leer und gerade aktuell findet ein Theatersterben unfassbaren Ausmaßes statt. DAS ist der Preis, der gezahlt wird, wenn Opern und Theater die Argan-Konsequenzen zu tragen haben. Das Publikum hat in der Breite durch jahrzehntelangen Missbrauch durch staatsfinanzierte Gecken wie beispielsweise Herrn von Peter, die lediglich den Anweisungen einer kleinen, die Kulturpolitik beherrschenden und von der Allgemeinheit aufgebrachte Gelder verteilenden Gruppierung folgen. Bei dieser Form von Kultur liegt der Gedanke nahe das auch eine Schimmelkultur eine Art von Kultur ist. Herrn von Peter möchte man ermahnen, dass seine Patentante seine bedauerliche Kapitulation vor der gerade gesellschaftlich diktierenden und zutiefst kunstfeindlichen weil korrupten Bagage aus tiefstem Herzen abgelehnt hätte.

Es sind diese Art von Inszenierungen, die gleichwohl vom prostituierten Feuilleton gefeiert, den Untergang und die Vergreisung einst lebendiger Theater und Opern verantworten. Lasst uns zurückkehren zu lebendigen Theatern und echten Deutschen Opern(-häusern) ohne staatliche Prostitution zur Verherrlichung des jeweiligen Zeitgeistes. Und ich möchte den legendären Satz eines meiner Lehrer leicht auf diese Situation angepasst weitergeben: “Immer, wenn der Zeitgeist einen fahren lässt, wackeln bei uns die Theater und Opernhäuser in ihren Grundfesten!“

Wir brauchen wieder ehrliche Sprache und ehrliche Inszenierungen – lasst uns den Argan dorthin stecken, wohin er gehört: In eine Inszenierung des Werkes “Der eingebildete Kranke“ von Molière. Redet wieder klar und verständlich an den Theatern und lasst das aufgeblähte Geschwurbel sein!

p.s.: Die Matthäuspassion ist weder verantwortlich für den Nationalismus des 19. Jahrhunderts noch Richard Wagner oder andere Entwicklungen – dafür sind verantwortlich der Nationalismus des 19. Jahrhunderts, Richard Wagner und andere Entwicklungen! Aber für diese Inszenierung ist Herr Benedikt von Peter verantwortlich. Es ist bedauerlich, dass Herr von Peter offensichtlich nie Einstein gelesen hat, sonst wüsste er das Einstein gesagt hat: “Seit ich Bachs Matthäuspassion gehört habe, weiß ich, dass es einen Gott gibt!“

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