Patrick Graichen, Beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz © BMWK / Susanne Eriksson

Graichen weg – jetzt geht’s rund!

Das Bauernopfer wird in den Ruhestand versetzt, kassiert monatlich 10.000 Euro, doch die Diskussion geht jetzt erst richtig los:

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, sieht die Entlassung von Staatssekretär Patrick Graichen als Ausdruck tiefgehender Defizite im Wirtschaftsministerium. “Das ist ein systematisches Problem aufgrund der engen Verflechtungen von grünen Regierungsmitgliedern, Klimaaktivisten, Lobbyverbänden und Instituten”, sagte die CDU-Politikerin und ehemalige Landwirtschaftsministerin dem “Spiegel”. Diese Vorgänge müssten nun weiter aufgearbeitet werden, damit “nicht das komplette Vertrauen in politische Vorgänge und Entscheidungen schwindet”.

Graichen steht im Zentrum einer Affäre um persönliche Verflechtungen im Wirtschaftsministerium, zu denen er und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vergangene Woche im Bundestag befragt worden waren. Zunächst hatte sich Habeck hinter Graichen gestellt, doch nachdem ein weiterer Compliance-Verstoß festgestellt wurde, soll Graichen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. “Dass Herr Graichen nicht zu halten ist, war spätestens nach der Sondersitzung vergangenen Mittwoch offensichtlich”, so Klöckner.

Der Minister habe nun selbst zugegeben, dass die “Compliance-Brandmauer in seinem Ministerium Risse hat und weitere Verstöße offengelegt”. Als Ministeriumsspitze trage Habeck die Organisationsverantwortung für sein Haus. “Fehler werden gemacht, aber derartige vorsätzliche Verstöße gegen Regeln sind kein Lapsus.”

Die FDP fordert eine Überprüfung aller Gesetze, an denen Patrick Graichen als Staatssekretär mitgewirkt hat. “Die von Staatssekretär Graichen angestoßenen Gesetzesvorhaben sollten vom Wirtschaftsminister nun auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden, allen voran das Gebäudeenergiegesetz”, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland”. “Angesichts des Macht-Vakuums in der Führungsspitze des Ministeriums sollte Minister Habeck einen neuen, realistischen Zeitplan für eine auf der Basis des Koalitionsvertrags ausgearbeitete Version des Heizungsgesetzes vorschlagen”, so der FDP-Politiker weiter.

Es sei nachvollziehbar, dass Habeck den Posten des Staatssekretärs neu besetze und damit “einen ersten wichtigen Schritt macht, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen”. “Die Hintergründe dieser Entscheidung sollten zeitnah transparent gegenüber dem Parlament dargestellt werden”, forderte er. Dazu sei auch die zugesagte Veröffentlichung der konkreten Compliance-Regeln für die Führungsebene des Wirtschaftsministeriums wichtig.

Habeck hatte am Mittwochmorgen angekündigt, dass Graichen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werde und dies mit weiteren Verstößen Graichens gegen die Compliance-Regeln der Bundesregierung begründet. Auch die SPD begrüßte die Abberufung des Staatssekretärs. “Wir haben Robert Habecks Personalentscheidung mit Respekt zur Kenntnis genommen”, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dem “Tagesspiegel”.

Mit dem Schlussstrich des Ministers unter eine wochenlange Debatte über sein Haus verbinde man die Erwartung, “dass nun wieder Sachpolitik in den Mittelpunkt rückt”. Die Hoffnung der Opposition, die Debatte über die Klima- und Energiepolitik “nicht inhaltlich, sondern rein personalpolitisch” führen zu können, habe sich “zerschlagen”, so Kühnert. “Es wird Zeit, dass wir wieder um die richtigen Wege ringen, gerechten Klimaschutz zu organisieren”.

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hat die Abberufung des umstrittenen Staatssekretärs Patrick Graichen ebenfalls begrüßt. “Das ist natürlich eine Schutzmaßnahme für den Minister”, sagte Hüther am Mittwoch dem Fernsehsender “Welt”. Denn irgendwann bleibe das nicht beim Staatssekretär hängen.

Zur Trauzeugen-Affäre sagte Hüther, dass diese “mit der richtigen Schlussfolgerung” beendet worden sei. Es gehe um einen erstaunlichen Vorgang, den “die Grünen bei allen anderen auch nicht akzeptiert hätten”. Minister Robert Habeck (Grüne) sieht der IW-Chef aber nicht gefährdet: “Es ist sicher kein Vorgang, der den Minister zu seinem Rücktritt veranlassen sollte. Minister müssen eine gewisse Robustheit haben.” Jetzt gehe es darum, dass das Ministerium “gut aufgestellt ist und gut administriert wird”. Es gebe “hinreichend viele Hinweise” nicht zuletzt aus der Wirtschaft, “dass da Optimierungsbedarf besteht”.

Es sei “die eigentliche Aufgabe eines Ministers, die Arbeitsfähigkeit seines Ministeriums sicherzustellen”.

Habeck muss weg, da helfen keine Pillen. (Mit Material von dts)

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