Jetzt könnte die Bundesregierung endlich mal zeigen, wie ernst sie es mit der Staatsraison und der Solidarität mit Israel meint, oder ob das doch nicht wieder nur leeres Geschwafel ist:
Sollte der Haftbefehl gegen den israelischen Premier Benjamin Netanyahu erlassen werden, müsste ihn Deutschland nach Ansicht des Völkerrechtlers Kai Ambos etwa bei einem Staatsbesuch Netanyahus auch vollstrecken. „Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofes zu vollstrecken“, sagte Ambos dem „Spiegel“ am Dienstag. Netanyahu müsse also festgenommen werden, sobald er deutschen Boden betritt.
„Als der Internationale Strafgerichtshof vor gut einem Jahr den Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten erließ, kündigte der deutsche Justizminister Marco Buschmann umgehend an, Putin festnehmen zu lassen, wenn er deutschen Boden beträte“, so Ambos. „Und nun soll die sogenannte deutsche Staatsräson, ein rein politisches Konzept, das Völkerstrafrecht verdrängen?“
Sollte Deutschland dieser Verpflichtung nicht nachkommen, müsste der Gerichtshof nach Ansicht des Experten eine Völkerrechtsverletzung Deutschlands feststellen. „Die Staatenversammlung des Internationalen Strafgerichtshofes könnte Sanktionen gegen Deutschland beschließen. Auch wenn letzteres unwahrscheinlich ist, darf Deutschland nicht einen Gerichtshof ignorieren, den es ganz maßgeblich mit ins Leben gerufen hat und der im Kern eine Konsequenz der Nürnberger Prozesse ist“, sagte Ambos, der an der Universität Göttingen Professor für nationales und internationales Strafrecht, Strafprozessrecht und Völkerrecht ist.
„Die einzige Lösung wäre, Netanyahu nicht einzuladen und ihm davon abzuraten, nach Deutschland zu kommen. Ich gehe auch davon aus, dass er das verstehen würde“, so Ambos weiter. „Vertreter der Bundesregierung können ja trotzdem nach Israel reisen und Netanyahu dort zu Gesprächen treffen. Das tut die Regierung ja auch mit noch viel problematischeren Partnern und Diktatoren.“ Völkerrechtlich gesehen sei das unproblematisch.
Deutschland steckt also in der Falle, die diese Bundesregierung sich selbst gestellt hat. Und Frau Baerbock reagiert auch entsprechend schwammig:
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lässt offen, ob ein vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erlassener Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Deutschland vollstreckt werden würde. „Es kommt ein Schritt nach dem anderen“, sagte Baerbock der „Bild“ (Mittwochausgabe) und anderen Axel-Springer-Medien.
Es gehe um „Prozesse, die am Laufen sind, die widersprüchlich sind“, zu denen man „nicht vorschnell das eine oder das andere“ sagen könne, so die Grünen-Politikerin. „Wir warten diesen Prozess weiter ab.“
Man habe „den Internationalen Strafgerichtshof als Bundesregierung immer unterstützt und wir schätzen die Unabhängigkeit von Gerichten“, sagte Baerbock. Man könne es sich nicht aussuchen: „Heute gefällt uns ein Gericht und morgen nicht.“ Außerdem erinnere sie Staaten, die Mitglied der EU werden wollten, daran, „dass wir die Unabhängigkeit von Gerichten, die Rechtsstaatlichkeit wahren sollen“.
Zugleich hätten ihr Ministerium und das Bundeskanzleramt aber deutlich gemacht, „dass aufgrund der Gleichzeitigkeit der Ausstellung der Anklagen“ gegen Netanjahu und führende Vertreter der Hamas „der falsche Eindruck entstanden ist, dass es hier eine Gleichsetzung gegeben hat“, so Baerbock. „Dem sind wir als Bundesregierung klar entgegengetreten.“ Denn am 7. Oktober habe „auf barbarische Art und Weise die Terrororganisation Hamas Gräueltaten verübt, die man sich kaum vorstellen kann“. Israel habe „nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, seine Bevölkerung zu schützen im Rahmen des internationalen Völkerrechts“.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), hat das Vorgehen des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) kritisiert. „Meiner Einschätzung nach versucht der Chefankläger, mit den beantragten Haftbefehlen gegen Netanjahu und Galant dem häufig aus Afrika und Lateinamerika erhobenen Vorwurf der Einseitigkeit des IStGH zuvorzukommen“, sagte Hardt der „Welt“ (Mittwochausgabe) hinsichtlich der Anträge gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joav Galant. „Die Legitimität des Gerichts erhöht sich aber nicht durch Politik, sondern durch einwandfreie Anklagen.“
Er hoffe, dass die Richter des Voruntersuchungsausschusses „dies erkennen werden und die Haftbefehle gegen die israelischen Verantwortlichen nicht ausstellen“, sagte der CDU-Politiker. Im Falle eines rechtskräftigen Erlasses rät Hardt der Bundesregierung, „weiterhin als Vermittler und als Freund Israels auftreten und Präsenz vor Ort zeigen“. An geltendes Recht würden sich die deutschen Behörden und auch die Justiz jedoch immer halten.
Die FDP-Fraktion vertritt eine ähnliche Position. Ihr außenpolitischer Sprecher Ulrich Lechte sagte der „Welt“, dass Vertreter Deutschlands Vermittler im Nahen Osten bleiben und weiterhin nach Israel reisen würden. „Jetzt müssen wir abwarten, ob der Antrag auf Haftbefehl tatsächlich bestehen bleibt – der Schaden, der mit der Verkündung verursacht wurde, ist allerdings erheblich“, so Lechte. „Die Richter in Den Haag werden diesem Antrag sicherlich nicht entsprechen.“
Der Völkerrechtler Matthias Herdegen (CDU) von der Universität Bonn hält den Antrag auf Haftbefehl gegen Netanjahu ebenfalls für problematisch. Der Strafgerichtshof solle nur dann eingreifen, wenn die nationale Justiz versage. „Israel hat eine unabhängige Rechtsprechung, die auch Untersuchungen bei Kriegsverbrechen einzelner Soldaten einfordert“, so Herdegen. „Dass die israelische Regierung die Zivilbevölkerung gezielt bekämpft, ist trotz allem unsäglichen Leiden in Gaza und einzelner schwerer Übergriffe nicht erkennbar.“ Die Rechtslage sei äußerst komplex, weil die Hamas aus ziviler Deckung heraus agiere und Opfer unter der eigenen Zivilbevölkerung zur eigenen Strategie gemacht habe sowie Hilfslieferungen für militärische Zwecke abzweige.
Im Fall eines Haftbefehl-Erlasses befürchtet er, dass die Stimmen in Deutschland lauter würden, militärische Unterstützung für Israel einstellen zu wollen. „Deutschland wird sich jedenfalls mit der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes und seinem künftigen Verhältnis hierzu auseinandersetzen müssen. Das ist pikant, weil der Strafgerichtshof gewissermaßen ein besonders liebes Kind deutscher Politik ist, auf dessen Klaviatur jetzt wie bei anderen internationalen Gerichten Unrechtsregime, aber auch gut meinende Aktivisten spielen“, so Herdegen.
Wahrlich eine schwierige Situation und eine entsprechende Entscheidung könnte endgültig die Frage stellen: Wie islamisiert jetzt mittlerweile auch die hohe deutsche Politik ist, denn nichts anderes läuft da gerade beim IStGH. (Mit Material von dts)