Maximilian Krah (Bild: IMAGO / Sven Simon)

Krah, Europa und ein deutscher Standpunkt

542938eadc89421a8ccbf7b1d12de0b8

Wer den Fall Maximilian Krah auf innerparteiliches Konkurrenzdenken und politisches Ungeschick reduziert, liegt falsch. Die Attacken gegen Krah lenken vom Eigentlichen ab. Die „Gesellschaft des Spektakels“ funktioniert so, und leider gehört auch ein Teil der AfD zu dieser Gesellschaft.

Von Götz Kubitschek für Sezession

Was ist das Eigentliche dahinter? Es ist der Kampf um die geostrategische Ausrichtung Europas, vor allem der Teile Europas, die aufgrund Geschichte, ökonomischen Bedingungen und geographischer Lage ein gutes Auskommen mit Rußland brauchen und eingehen würden – wäre es ihnen gestattet.

Der Ausschluß der gesamten AfD-Delegation aus der ID-Fraktion im EU-Parlament erfolgte auf Betreiben Marine Le Pens und ist eine Entscheidung für ein transatlantisches und gegen eine mitteleuropäisches Europa-Konzept. Le Pen wurde in den vergangenen Monaten und Wochen unter immensen Druck gesetzt – nun hat sie sich entschieden: für einen us-amerikanischen Ableger, der in Gestalt einer konservativen Großfraktion nach dem 9. Juni (der Europawahl) in Brüssel konstituiert werden könnte.

Man kann dies am Beispiel der CPAC-Konferenz zeigen, die am 25. und 26. April dieses Jahres in Budapest auf Einladung Viktor Orbáns stattfand. Wer also vom Fall Maximilian Krah spricht, darf von dieser Konferenz nicht schweigen. Denn Frankreich und Deutschland waren nicht eingeladen.

CPAC steht für Conservative Political Action Conference. Ihre Gründung geht ins Jahr 1973 zurück, sie wurde von der American Conservative Union organisiert und war eine jener typisch konservativen Reaktionen auf die linke Studentenbewegung, die sich in allen westlichen Staaten intellektuell durchgesetzt hatte und sich anschickte, das Meinungsklime zu bestimmen.

Die CPAC ist längst auf Regierungsebene angekommen. Fünfmal hintereinander bestimmte sie Trump zum wichtigsten und beliebtesten Politiker, außerdem wird sie von mächtigen und finanzstarken us-amerikanischen Lobbyorganisationen unterstützt – die National Rifle Organisation ist vielleicht die prominenteste unter ihnen.

Die CPAC vertritt pro-amerikanische, anti-russische, anti-chinesische Positionen. Sie vertritt den Anspruch der “einzigen Weltmacht” und arbeitet an der Einbindung Europas und Südamerikas in einen Machtblock gegen jene aufstrebenden Blöcke, die eine multipolare Weltordnung nicht nur anstreben, sondern mit Sicherheit herbeiführen werden: Rußland und China.

Die CPAC hat deshalb Ableger gegründet. In Europa ist Viktor Orbáns Ungarn der Knotenpunkt, von dem aus den konservativen nationalbewußten Kräften Eigenständigkeit und Unabhängigkeit “zwischen den Blöcken” unmöglich gemacht werden soll.

Es ist frappierend und wichtig, sich hier die Liste der Politiker, Publizisten und Projektmanager anzuschauen, die Orban in Budapest versammelte. Neben den Vertretern aller kleinen und größeren europäischen Staaten waren Sprecher aus den USA und Israel eingeladen, Kongreßmitglieder aus mehreren US-Bundesstaaten ebenso wie der Präsident der American Conservative Union, Matt Schlapp, und Amichai Chikli, der Minister für israelische Belange in der Diaspora.

Aus Italien: hochrangige Vertreter der Fratelli D’Italia und der Lega, aus den Niederlanden Geert Wilders und die Influencerin Eva Vlaardingerbroek, aus Österreich der FPÖ-Generalsekretär Vilimsky, außerdem Vertreter aus Kolumbien, Brasilien, Chile und Australien.

Niemand aus Frankreich. Niemand von Relevanz aus Deutschland, nur Hans-Georg Maaßen, in dessen Kielwasser Dieter Stein, Junge Freiheit, für die Berichterstattung anreiste.

Man kann es so sagen: Orbán versammelte in Budapest diejenigen konservativen Kräfte aus Europa, die in der kommenden Legislatur eine gemeinsame Fraktion bilden könnten – eine tatsächlich große, umfassende, mächtige Fraktion. An dieser Fraktion würde die rechtskonservative Opposition aus Deutschland, die AfD, nicht beteiligt sein. Frankreichs Opposition wiederum würde sich beteiligen dürfen, wenn sie zuvor mit der AfD bräche. Das hat Le Pen nun getan.

Warum hat sie das getan? Sie kann sich auf diese Weise an einem antideutschen Projekt beteiligen, das sich zu einem auch antifranzösischen Projekt würde ausweiten können, wenn diese beiden maßgeblichen europäischen Nationen sich ihre historisch vorzüglichen Kontakte nach Rußland nicht vollständig kappen ließen.

Solche Überlegungen sind nicht an den Haaren herbeigezogen. Wer den Abfluß deutscher Firmen, deutschen Know-Hows, deutschen Kapitals, deutschen Volksvermögens und deutscher bestausgebildeter Arbeitskraft vor allem in die USA bilanziert, steht vor einer nationalen Katastrophe. Wer sich noch daran erinnert, daß wir über Pipelines energiepolitischen Spielraum vorbereitet hatten, eine der Mittellage Deutschlands und dem seinem Bedarf angemessenen Spielraum, der weiß, was es geostrategisch bedeutet, energetisch nun ganz und gar vom Westen abhängig zu sein.

Wer sich dann noch klar macht, daß in Budapest diejenigen federführend einluden und tagten, die als Netto-Profiteure ihr nationales Programm von denjenigen finanziert bekommen, die NICHT eingeladen waren, muß über die deutschen Optionen noch einmal nachdenken.

In ausführlichen Gesprächen mit Publizisten und AfD-Vertretern (natürlich auch mit Maximilian Krah) schälte sich eine katastrophale Interpretation der Lage heraus, die zwei Handlungswege eröffnet. In Stichpunkten:

+ Deutschland ist, wenn überhaupt, an der sich bildenden rechtskonservativen Großfraktion in Europa nicht beteiligt. Das Feigenblatt Maaßen spielt keine Rolle.

+ Marine Le Pen hat sich gegen einen mitteleuropäischen Block entschieden, der mächtig genug hätte sein können, um zu verhindern, daß Europa erneut und deutlich von Rußland abgeschnitten wird.

+ Die kleinen zwischen Deutschland und Rußland aufgereihten Staaten profitieren entschieden von diesem neuen eisernen Vorhang. Sie bilden einen us-unterstützten Keil zwischen Rußland und Deutschland und profitieren maximal von der deutschen politischen Schwäche und ökonomischen Restkraft. Sie werden auf diesen Transfer aus Deutschland niemals freiwillig verzichten und überflügeln dadurch Deutschland politisch auf Kosten Deutschlands.

+ Vernebelt wird dies durch die innenpolitische Anziehungskraft, die namentlich das Modell Orbán auch auf deutsche Rechte ausübt. Orbán hat sein Konzept auf der CPAC-Konferenz erneut als antiglobal, traditionell und konservativ bezeichnet und dafür auch aus dem deutschen rechtskonservativen Milieu viel Applaus erhalten. Daß dieses Konzept aber in Verbindung mit einer klaren pro-amerikanischen Position und damit entlang einer us-dominierten Europa-Strategie verwirklicht werden kann, muß die deutsche Rechte begreifen. Im entscheidenden Moment hat sich Orbán immer gegen das entschieden, was im Sinne Deutschlands und eines us-unabhängigen Europas gewesen wäre.

+ Für die AfD (und den von ihr hoffentlich vertretenen deutschen Standpunkt) ergeben sich zwei Möglichkeiten:

  1. Man könnte dem Druck nachgeben, zum deutschen Vertreter der US-Interessen werden, deutsche Interessen an die zweite Stelle setzen, den weiteren Abstieg akzeptieren und sozusagen im Abstieg das Bestmögliche für unser Land versuchen.
  2. Man könnte dem Druck nicht nachgeben, das anti-deutsche Projekt ablehnen, mit langer Perspektive an einer Alternative arbeiten, vor allem an einer deutsch-französischen Option arbeiten, das ganze geknüpft an die Hoffnung, daß die weltpolitische Lage neue Optionen eröffnen könnte.

Es gibt innerhalb der AfD Vertreter beider Möglichkeiten. Es gibt diejenigen, die bereit sind, grundsätzliche Positionen zu opfern und sich gegen fundamentale deutsche Interessen und für ein Mitmachen an der neuen, großen, transatlantischen Fraktion zu entscheiden, um zu retten, was zu retten ist und den Draht zu den regierenden und großen oppositionellen, nationalbewußten Parteien Europas nicht zu verlieren.

Es gibt aber natürlich auch diejenigen, die von einem fundamentalen deutschen Interessenstandpunkt nicht lassen wollen, dabei sogar in europäischer Dimension denken und von einer Überzeugung nicht lassen wollen: Es gebe ein Auskommen mit Rußland, das die Sicherheitsbedürfnisse der kleinen ehemaligen Ostblockstaaten ebenso berücksichtige wie das europäische Interesse, vom riesigen kontinentalen Hinterland zu profitieren.

Vor allem aber hätte es ein Auskommen mit Rußland geben können, für das nicht eine europäische Nation verbluten müßte: Denn aus dieser Perspektive ist der Krieg in der Ukraine der Preis für den neuen eisernen Vorhang. Preis und Vorhang sind eine europäische Katastrophe, keine amerikanische.

Was hat das alles mit Maximilian Krah, der Waffen-SS und einem chinesischen Mitarbeiter zu tun? Krah ist einer der wenigen AfD-Politiker, die das, was nun unter Führung Orbáns umgesetzt wird, vorausgesehen hat. Er hat bereits vor Jahren vor dieser Entwicklung gewarnt.

Ihn scheibchenweise loszuwerden und dies so zu spielen, daß Le Pen einen völlig banalen Grund haben würde, sich gleich von der gesamten AfD-Gruppe zu verabschieden, ist das Projekt der vergangenen Monate.

Es geht nicht um den Politikstil Krahs oder um geschichtspolitische Fragen. Es geht darum, daß sich in Europa ein mächtiger konservativer Ableger der us-amerikanischen Rechten gebildet hat, der das rechtskonservative Europa prägen will und wird – auf Kosten Deutschlands und unter Beteiligung deutscher konservativer Irrelevanz…

Hier bitte weiterlesen

image_printGerne ausdrucken
[hyvor-talk-comments]

Themen