Wenn zwei sich mit inszenierten und aufgebauschten Affären und Skandalen streiten, freut sich der Dritte. Und so ist es eine schwierige Gemengelage, die sich sicherlich auch der thüringische AfD-Politiker René Aust nicht gewünscht hat, welche ihm nun aber dazu verhilft, bundesweite Öffentlichkeit und Rampenlicht zu erhalten – und auf Umwegen eine Aufmerksamkeit zu bekommen, die ihm eigentlich schon lange zugestanden hätte.
Von Dennis Riehle
Man mag ihm sofort glauben, dass er gerne auf anderem Wege nach außen getreten wäre als durch das ungewollte Einspringen für seine beiden Mitbewerber um einen Sitz im EU-Parlament, Maximilian Krah und Petr Bystron. Der Bundesvorstand hatte sich von beiden mehr oder weniger deutlich losgesagt und sie teilweise sogar mit einem Auftrittsverbot belegt, weil im Fall des Erstgenannten ein Bruch mit der Fraktion in Brüssel vorausgegangen war, nachdem sich die französische Präsidentschaftskandidatin Le Pen aufgrund einer umstrittenen, wenngleich in der Sache nicht falschen, aber zur Unzeit kommenden Aussage über die Schuld jedes einzelnen Mitglieds der SS im Interview in „La Repubblica“ für eine Distanzierung von der Alternative für Deutschland entschieden hatte – und sich der Spitzenkandidat darüber hinaus mit der Tatsache konfrontiert sah, einen Büromitarbeiter beschäftigt zu haben, der sich schon früh als chinesischer Spion betätigt haben dürfte, man ihn aber erst mit dem beginnenden Wahlkampf auffliegen ließ. Gegen den Zweitgenannten ergaben sich einigermaßen fragwürdige Vorwürfe der Verstrickung und Zusammenarbeit mit dem Ausland, vor allem in Richtung Moskau – die irgendwann in den Goldbarren seiner Anverwandten stecken blieben und bis heute nicht zu einem fundierten und konsistenten Anklagepunkt führten.
Dennoch suchten Tino Chrupalla und Alice Weidel offenbar nach einem Ersatz für die beiden Frontmänner – und wurden bei einem überaus integren, sachlichen und empathischen Kopf fündig, der sich ebenfalls auf der Liste für den 9. Juni befindet – und entgegen aller reißerischen Kommentierung seiner ersten Auftritte im TV einen von Geduld, Gelassenheit und Unaufgeregtheit getragenen Stil verkörpert, den man in der heutigen Diskussionskultur kaum noch findet. Aust ließ sich beispielsweise trotz einer von Tendenziösität, Voreingenommenheit und Subjektivität nur so triefenden Moderation der feministischen ZDF-Ikone Dunja Hayali nicht aus dem Konzept bringen, als er zur Runde der Konkurrenten für die anstehende Abstimmung über die Zusammensetzung der Volksvertretung in Europa eingeladen wurde – und keinen einzigen Satz bis zu Ende führen konnte, weil er ständig unterbrochen, provoziert und denunziert wurde. Jeder andere Studiogast hätte die Sendung unter diesen Umständen verlassen. Doch es ist der Souveränität des Landtagsabgeordneten aus Erfurt zu verdanken, dass er mit größtmöglicher Ruhe, Fokussierung und Nüchternheit nicht über das Stöckchen sprang, das ihm die haltungsmediale Speerspitze des ÖRR hinhielt. Stattdessen erklärte er nicht nur die inhaltlichen und programmatischen Aspekte seiner Partei, sondern auch die persönlichen Beweggründe für die Entscheidung, sich ins Plenum nach Straßburg entsenden lassen zu wollen. Dass man ihm trotz unverfänglicher Standpunkte letztlich nachsagte, die Blauen wollten lediglich die Strukturen und Ressourcen des Bürokratieapparats für sich und ihre Ziele nutzen, konnte schon allein deshalb nicht ziehen, weil es wohl andere Parteien sind, die mit einer Kommissionspräsidentin von der Leyen umfänglich von vielen Vorteilen und Genüssen profitieren, die das Dasein in einem Machtzirkel mit sich bringt.
Im Gegensatz zu dieser selbsternannten Elite, die sich schon lange vom Volk verabschiedet und im Tunnelblick der Gängelung, Regulierung und Verkomplizierung des Alltags der Menschen die Aufmerksamkeit in Richtung von Gurken, Ölkännchen und Strohhalmen gerichtet hat, bewies sich der 37-Jährige als ein bürgernaher, zugewandter und verantwortungsvoller Repräsentant, der zuletzt auch im „Morgenmagazin“ wiederum mit überaus umsichtigen, aber gleichzeitig konsequenten und überdachten Positionierungen auffiel. Schließlich sprach er eine Selbstverständlichkeit aus, die nach dem Attentat von Mannheim plötzlich in aller Munde war – die aber kaum jemand authentisch und glaubwürdig vermitteln konnte, der sich in den vergangenen Jahren an einer ungezügelten Flüchtlingspolitik beteiligte. Denn es ist die Alternative für Deutschland, welche seit langem dafür wirbt, Abschiebungen auch wieder nach Afghanistan durchzuführen. Während der zuständige Beauftragte der Ampel auf diese Forderungen sogleich mit der typisch deutschen Skepsis reagierte, dass sich Vieles von dem, was die Verfechter von Remigration als Postulat an die herrschende Klasse formulieren, rein rechtlich nicht verwirklichen lasse, sind es ausgerechnet in diesen Tagen Studien und Expertenmeinungen, die zu einer gänzlich anderen Einschätzung kommen. Aus ihrer Sicht sind Rückführungen auch nach Kabul nicht unmöglich, sondern durchaus legitim und mit der Verfassung kompatibel. Denn um das Grundgesetz zu tangieren, bräuchte es Ausweisungen, die trotz einer individuellen Verfolgung durchgesetzt werden. Die bloße Behauptung, man könne niemanden in ein Land schicken, in dem die Taliban residieren, zieht selbstverständlich als Rechtfertigung nicht.
Einmal ganz abgesehen davon, dass offenbar auch niemand die Deutschen danach gefragt hat, ob sie denn bereit dazu sind, einen Kontrollverlust hinzunehmen und Islamisten in Scharen auf das eigene Territorium vorzulassen, bleiben auch sämtliche Vorhaltungen einigermaßen müßig und obsolet, man bräuchte zunächst einmal ein Abkommen mit den dortigen Dschihadisten, welches es uns überhaupt erlauben würde, deren Staatsbürger hier in einen Flieger zu setzen – um sie sodann mit einem One-Way-Ticket in die Herkunftsregion zu bringen. Denn als Hausherr kann man sich vieler Befugnisse bedienen – und sei es im Zweifel lediglich die profane Maßnahme, jemanden vor die Tür zu setzen. Hätte man unsere Herzen nicht wie Scheunentore geweitet und sämtliche Prüfungen unterlassen, ob in der jeweiligen Konstellation überhaupt eine Bleibeperspektive besteht, würden wir heute auch nicht vor dem Problem stehen, dass wir die Geister nicht mehr loswerden, welche wir zweifelsohne ein Stück weit selbst gerufen haben. Obwohl unser Elfenbeinturm in seiner böswilligen und arglistigen Naivität, Verblendung und Absicht zu vielen Schandtaten fähig zu sein scheint, dürfte die Bundesrepublik dennoch keinen Vertrag abgeschlossen zu haben, in dem sie sich explizit und uneingeschränkt zur pauschalen Aufnahme von bestialischen Gotteskriegern verpflichtet – auch wenn man selbstverständlich eingestehen muss, dass insbesondere die Worte der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel als eine Einladung verstanden werden konnten, die eben auch jene Personen in Anspruch nahmen, welche kein friedliches Miteinander mit Andersdenkenden anstreben. Eine autochthone Mehrheit muss sich nicht den Import von Kriminalität, Fundamentalismus und Gewalt gefallen lassen.
Gäbe es einen politischen Konsens, würde um unseren Kontinent herum bereits seit längerem ein stringentes und unstrittiges Grenzregime der Abweisung und Rückführung gelten, das uns zu einer Festung macht, in die lediglich derjenige vorgelassen wird, der seinen berechtigten Anspruch auf Schutz nachweisen und einen tadellosen Leumund attestieren kann. Keine Konvention oder Vereinbarung mutet uns zu, sich in den Fußgängerzonen dieses Landes mit Messern abstechen zulassen. Und so trifft das Konzept von Aust und der AfD weder auf juristische Fallstricke, noch auf praktische Umsetzungsschwierigkeiten. Immerhin bewahrheitet sich auch diesbezüglich der alte Spruch, dass ein Weg dort ist, wo auch ein Wille existiert. Es sind also weder hinderliche Paragrafen, noch das schicksalhafte Manko für unsere Obrigkeit, sich mit einem Regime auseinander setzen zu müssen, das sich von der westlichen Welt isoliert hat – und scheinbar auch nicht besonders kooperativ ist, seine Spezies wieder bei sich hineinzulassen, wenn diese in unseren Gefilden ihre Unwesen getrieben haben und einen Polizisten auf grausame Art und Weise ermordeten. Sondern es sind wesentlich linke und grüne Vaterlandsverräter, die alle Anstrengungen torpedieren, unsere Nation wieder sicherer zu machen. Deshalb sollte die angenehme, zurückhaltende und nicht aufdringliche Werbung der Alternative für Deutschland in diesen Tagen durchaus auch noch bei einigen Wählern verhaften, die bisher gezögert hatten, ihr Kreuz bei den Blauen zu machen. Letztlich ist der Bürger eben doch nicht derart dumm und gutgläubig, wie es sich unsere Strippenzieher wünschen würden. Denn all die Versprechungen für ein hartes Vorgehen nach dem Tod von Rouven L. und der Verletzung von Michael Stürzenberger durch die Alteingesessenen sind durchsichtig – und haben eine äußerst kurze Halbwertszeit. Möge es der Restverstand sein, der zu einem Umdenken und einem Votum für jene Kräfte führt, welche von der Vergangenheit unbelastet hart durchgreifen könnten.