Was auf der Justizministerkonferenz (Jumiko) letzte Woche beschlossen wurde, zeigt einmal mehr, dass Deutschland sich wieder auf dem Weg in die Diktatur befindet: Der Parteienstaat benutzt immer ungehemmter das Strafrecht, um seine Kritiker zu kriminalisieren. Zu diesem Schluss kommt der Augsburger Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel. 11 der auf der Jumiko behandelten 50 Tagesordnungspunkte hätten „teils neuartige Gefahren für Rechtsstaat und Verfassung“ thematisiert. Knapp die Hälfte würden sogar Überlegungen zur Verschärfung des Strafrechts anstellen und so unterschiedliche Phänomene wie „öffentliche Aufrufe zur Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, tätliche Angriffe auf „demokratisch engagierte Bürgerinnen und Bürger“ bzw. „rechtswidrige Behinderungen ihres Engagements“, Hassreden, „Maskengames“ (Hetzkampagnen gegen ausgewählte Opfer) und die Sabotage der demokratischen Willensbildung betreffen, so Kubiciel.
Wer die Beschlüsse lese, werde sich „um Staat und Verfassung sorgen“, lautet sein Eindruck. Wenn auf „undeutlich schillernde Erscheinungsformen mit (jedenfalls aktuell) unklaren Kriminalisierungskonzepten reagiert“ werde, „dürften Zweifel an ihrer hinreichenden Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit, kurz: an der Verfassungskonformität, nicht lange auf sich warten lassen“, prophezeit er. Bei den jüngsten Jumiko-Beschlüssen seien drei Linien erkennbar. Zwei davon, nämlich die Erhöhung von Strafrahmen und die Schaffung von Einzelfall-Tatbeständen, seien bereits wohlbekannt. So solle geprüft werden, ob bei Ehrverletzungen mit rassistischem, antisemitischem oder menschenverachtendem Inhalt die Strafrahmen erhöht werden können, und dies, so Kubielcis Vermutung, „nicht nur, um ein erhöhtes Unrecht abbilden zu können, sondern auch um Fälle zu benennen, in denen Staatsanwaltschaften ohne Strafantrag tätig werden sollen“. Zudem werde um Prüfung gebeten, ob mögliche Strafbarkeitslücken geschlossen werden müssen, etwa bei „Maskengames“, bei denen die Einzelhandlungen zwar „für sich genommen straflos sind“, die Opfer aber „in ihrer Kumulation massiven Beeinträchtigungen und Gefahren ausgesetzt“ werden.
Menschen zum Schweigen bringen
Laut Kubielci, dürfte die „die Frage nach den Grenzen der strafbarkeitsbegründenden Zurechnung strafloser Handlungen Dritter unter dem Gesichtspunkt des auch verfassungsrechtlich verbürgten Schuldprinzips nach sich ziehen“. Noch schärferen Widerspruch sieht er bei der dritten Tendenz aufkommen, bei der es um den Rückgriff auf Straftatbestände gehe, „die vornehmlich einen schädlichen Effekt verhindern wollen, anstatt klar konturierte Handlungen zu adressieren“. So heiße es etwa unter der Überschrift „Strafbarkeit der Sabotage demokratischer Willensbildung“, dass „gesetzliche Ansätze“ geprüft werden sollten, „um Desinformationskampagnen autokratisch regierter Staaten entgegenzuwirken, mit denen Einfluss auf die demokratische Willensbildung genommen werden soll“. Solche Tatbestände könnten „nur geringe repressive Kraft entfalten und würden sich vor allem als „Ermittlungsgeneralklauseln“ eignen.
Kubiciels Ausführungen bestätigen, was viele Kritiker der Ampel-Regierung schon lange befürchten: mehr und mehr wird die freie Meinungsäußerung durch bewusst vage formulierte Gesetze und Richtlinien eingeschränkt. Weil man Dinge unter Strafe stellen will, die verfassungsrechtlich gar nicht strafbar sind, weil sie zur Ausübung von Grundrechten gehören, wird eine Art Neben- und Sonderrecht etabliert, wobei man immer neue Delikte erfindet, ohne sie aber konkret zu definieren. So weiß man nicht, woran man ist und traut sich erst gar nicht, Kritik zu üben. Genau das ist das Ziel. Unsinnige und völlig willkürliche Kategorien, wie die „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, zielen darauf ab, die Menschen zum Schweigen zu bringen. Kritik an Staat und Regierung werden kriminalisiert, ohne dies so zu benennen. Alles versinkt in einem Nebel diffuser Definitionen, die kaum greifbar sind. Aus nichtigem Anlass wird gegen unschuldige Menschen ermittelt, die nicht wissen warum. Als letzte Hoffnung bleibt hier nur das Bundesverfassungsgericht, wobei es jedoch Jahre dauern kann, bis solche grundgesetzwidrigen Akte alle einkassiert sind. (TPL)