Mit dem heutigen Mittwoch geht die EU endgültig dazu über, dass Privatleben der Bürger lückenlos zu überwachen, da im EU-Rat über die Chatkontrolle abgestimmt wurde. Unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Pädophilie werden Nutzer von Messenger-Diensten dazu gezwungen, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung faktisch aufzuheben und den Behörden lückenlosen Zugang zur gesamten privaten Kommunikation zu verschaffen. Der Schweizer Messenger Threema spricht von einem „Massenüberwachungsapparat von orwellschem Ausmaß“ und forderte den Stopp des Vorhabens. Das Projekt müsse gestoppt werden, ansonsten seien die Folgen „verheerend“. Es gäbe später keinen Weg um zu überprüfen, ob die Chatkontrolle wirklich nur bei Missbrauchsmaterial Anwendung finde, da der Überwachungsapparat auch unbemerkt auf andere Gebiete ausgedehnt werden könne. Aus Sicht eines Dienstbetreibers sei der von Dritten entwickelte und unterhaltene Erkennungsmechanismus nichts anderes als eine Blackbox.
Unter dem Vorwand von Kinderschutz würde es EU-Bürgern unmöglich gemacht, sicher und privat im Internet zu kommunizieren. Mit der massiven Verschlechterung der Datensicherheit könnten Berufsgruppen wie Anwälte, Ärzte und Journalisten ihrer Schweigepflicht bzw. dem Quellenschutz im Internet nicht mehr nachkommen, ohne dass Kinder auch nur ein wenig besser geschützt wären, so das Unternehmen weiter, das ankündigte, zunächst alle Optionen wie rechtliche Schritte und technische Workarounds zu prüfen und, wenn es keinen anderen Weg geben sollte, andere Kommunikationsdienste dazu aufzurufen, „die EU mit uns zu verlassen“.
Sperrminorität bröselt weg
Meredith Whittaker, die Chefin des Signal-Messengers, fand ebenfalls eindringliche Worte, um vor der EU-Chatkontrolle zu warnen. „Es gibt keine Möglichkeit, solche Vorschläge im Zusammenhang mit Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation umzusetzen, ohne die Verschlüsselung grundlegend zu untergraben und eine gefährliche Schwachstelle in einer Kerninfrastruktur zu schaffen, die weltweite Auswirkungen weit über Europa hinaus haben würde“, erklärte sie. Bereits letzten Monat hatte Whittaker ebenfalls angekündigt, den EU-Markt eher zu verlassen, als sich auf eine Unterminierung der Verschlüsselungstechnologie einzulassen. Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte, die Organisation European Digital Rights (und das Center for Democracy & Technology (CDT) Europe hatten mit aller Schärfe gegen den Verordnungsentwurf der belgischen Ratspräsidentschaft protestiert.
Trotz dieses Widerstandes droht die Sperrminorität im EZ-Rat zu kippen. Bislang waren Deutschland, die Niederlande, Österreich, Polen und Luxemburg gegen die Pläne. Frankreich könnte gegen das belgische Zugeständnis, dass Sicherheitsdienste und Militär von der Bespitzelung ausgenommen werden, umfallen. Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Portugal, Schweden, Slowenien und die Tschechische Republik hatten sich noch nicht über ihre Position geäußert. Man kann nun nur noch hoffen, dass genügend Länder zur Vernunft kommen, ansonsten stoßen sie das Tor zu der vielleicht größten Überwachungsapparatur der Welt auf. (TPL)