Multipolare Weltordnung

Serbiens Präsident Vučić: „Wir sind keine Marionetten von irgendjemandem“

Das explosive Interview des Weltwoche-Chefredakteurs Roger Köppel mit dem serbischen Präsidenten schlägt hohe Wellen. Neben drastischen Aussagen zur Eskalation des Ukraine-Krieges macht Aleksander Vučić unmißverständlich klar: Sein Land wird sich vom Westen keine Vorschriften machen lassen.

Das dürfte den USA gar nicht gefallen haben. Vučić wirft dem Westen und der NATO nicht nur „Doppelstandards, Doppelzüngigkeit, Doppelmoral, Ablenkungsmanöver“ in der Ukraine-Krise vor, sondern unterhält zu allem Überfluss auch noch beste Beziehungen zu den BRICS-Staaten – vor allem zu China.

„Wir hatten bislang sehr gute Beziehungen mit den Chinesen, und ich bin stolz darauf. Wie Sie sehen können, verstecke ich das nicht“, gibt Vučić dem Schweizer Journalisten zur Antwort, als der die verbreiteten Platitüden der Springer-Presse über China ins Feld führt. „China ist eine strategische Bedrohung für den Westen. Das Land ist eine Bedrohung für unsere Demokratie. Wir müssen China eindämmen“ – so redet man in deutschen „Qualitätsmedien“, erzählt Köppel.

Gefährliche Freundschaften

Dass es bei der Propaganda auch um das westliche Kalkül geht, alle BRICS-Staaten zu Schurkenstaaten zu erklären, dürfte COMPACT-Lesern bereits aufgefallen sein. Vučić kann darüber nur schmunzeln und stellt erneut klar:  “Wir sind gut mit den Chinesen befreundet und sehen keine Gefahr, sie bereiten uns in keiner Weise Probleme.”

Die guten Beziehungen zu China belegte der herzliche Empfang des chinesischen Staatschefs Xi Jinping in Serbien vor knapp einem Monat. Xi und Vučić führten Gespräche über die wirtschaftliche Zusammenarbeit, visierten neue Großprojekte an. Das Tête-à-Tête fand passenderweise zum 25. Jubiläum des NATO-Angriffs auf Serbien statt. Bei dem auch die chinesische Botschaft von NATO-Luftangriffen getroffen wurde.

Die Tagesschau kommentierte den Staatsbesuch damals (verlässlich pro-westlich und gehässig) mit der Titelzeile „Staatsbesuch in Serbien: Wohlfühlprogramm für Xi“. Im Artikel beschwert man sich, dass Xi sich in Serbien keinen „kritischen Fragen“ stellen musste und auf  „Belgrader Hauswänden“ Graffiti-Schriftzüge wie “Fuck NATO” und “Fuck EU” zu lesen seien. Schlimm! (Die kritischen Fragen von Kanzler Scholz an Joe Biden nach der Sprengung der Nordstream-Pipelines sind uns allen noch gut im Gedächtnis!)

Westliches Chaos, Östliche Ordnung

Ob Vučić eine Erklärung dafür habe, „warum wir gerade jetzt in so verrückten Zeiten leben?“, will Köppel angesichts der Lage in der Ukraine und der Debatte über eine Multipolare Weltordnung wissen. Eine berechtigte Frage. „Es ist leicht, lieber Freund, das zu verstehen“, setzt Vučić an. „Sie haben widersprüchliche Interessen von Großmächten. Mit China ist eine Großmacht auf dem Vormarsch, die viele gegensätzliche Interessen mit den Vereinigten Staaten von Amerika hat.“

Diese Gegensätze seien nicht zu leugnen und müssten unweigerlich zu Konflikten führen. „Und ich sehe keine Möglichkeit, wie man das verhindern kann, obwohl ich mir das mehr als alles andere wünsche, um ehrlich zu sein.“ Was es aus Sicht des serbischen Präsidenten nicht besser macht: Die Aggressivität des Westens, die immer wieder neue Kriegsschauplätze aufmacht:

„Da sind viele Menschen im Westen, die ihr Bestes tun um so viele Feinde zu produzieren, wie nur irgend möglich, mehr als man sich bislang jemals vorstellen konnte.“

„Wir sind ein souveränes Land“

Von dieser Streitsucht des Westens will sich Vučić nicht anstecken lassen: „Meine Aufgabe ist es, mich um dieses Land und um unsere Bürger zu kümmern.” Getan werde deshalb, was im Interesse der Wirtschaft und der Bevölkerung sei. Diese Vorgehensweise entspreche auch dem Selbstverständnis der serbischen Nation, so der Präsident weiter:

“Wir sind ein unabhängiges Land, ein souveränes land, das für Frieden steht, für echte Werte, zu denen auch der Respekt für unterschiedliche Ansätze und Differenzen anderer Länder gehört. Und wir sind ein Land, das mit allen Menschen in der Welt zusammenarbeiten möchte.”

Dann fällt der alles entscheidende Satz des Interviews. Es ist ein Satz, der in Deutschland unaussprechlich wäre und sicherlich auch in Washington Stirnrunzeln ausgelöst haben dürfte:

“Wir sind keine Marionetten von irgendjemandem und niemand kann uns vorschreiben, was wir in den einzelnen Fragen zu entscheiden haben.”

Das ganze Interview können Sie hier anschauen:

https://weltwoche.ch/daily/alle-zeichen-stehen-auf-einen-grossen-krieg-serbiens-praesident-aleksander-vucic-ueber-die-duesteren-zeiten-der-gegenwart/