Wenn man mich fragt, warum ich den Beruf des Journalisten gewählt habe, so würde ich in erster Linie mit der Vielseitigkeit an unterschiedlichen Fragestellungen antworten, mit denen man sich als publizistisch Tätiger beschäftigen kann. Gerade aus dieser persönlichen Haltung heraus ist es für mich in diesen Tagen besonders schwer nachzuvollziehen, weshalb sich manche Kollegen in einer monothematischen Aufwiegelung an bestimmten Sachverhalten immer wieder neu abarbeiten.
Von Dennis Riehle
So entpuppt sich die Kolumnistin Susan Arndt als ein solch typisches Beispiel – weil sie sich im Magazin „Focus“ nahezu obsessiv der Auseinandersetzung mit dem vermeintlichen Rechtsruck in Deutschland und der AfD widmet. Mit nicht selten psychologisch anmutenden Abhandlungen versucht sie sich in der Erklärung, wie es in der einst so schönen linken Republik zu einem zunehmenden Abdriften vieler Bürger in das von ihrer offensichtlich mit prinzipiellem Argwohn betrachtete Lager des Konservativismus, des Patriotismus und des Identitarismus kommen konnte. Auch in ihrem jüngsten Beitrag hat sie wiederum eine einigermaßen krude These aufgestellt, um das Erstarken der Blauen im Osten zu begründen. Nach ihrer Auffassung sind es also die Verbitterung und die Frustration, vor allem aber nach dreieinhalb Dekaden seit Ende der Teilung der noch immer fortbestehende Neid gegenüber den Bürgern in den alten Bundesländern, welche die Wähler von Mecklenburg-Vorpommern bis Sachsen, von Berlin bis Thüringen, immer öfter zu einem Votum bewegt, das die Kommentatorin auch deshalb nicht wertzuschätzen vermag, weil sie nicht zum ersten Mal Überzeugungen an den Tag legt, die bei einer kritischen Betrachtung mit dem Verständnis der Demokratie nur schwer zu vereinbaren sind. Da ich als gebürtiger Südbadener selbst zur Hälfte Wurzeln in Brandenburg habe, scheinen mir die Bewohner dort mit ihrer stringenten Positionierung hinsichtlich wesentlicher Probleme und Herausforderungen, mit denen wir uns in diesen Tagen befassen müssen, weitaus sympathischer als ein Muckraker, der seiner Feindseligkeit und Phobie vor den noch immer als sozialistisch verblendeten und abgekanzelten Mitmenschen zwischen Rostock und Leipzig freien Lauf lässt.
Man muss sich diese Interpretation auf der Zunge zergehen lassen, dass die aus meiner Sicht jenseits der früheren Mauer lebenden Landsleute ihr Kreuz bei der Alternativen nur deshalb setzen, weil sie noch immer enttäuscht sind über die Ungleichbehandlung im Vereinigungsprozess nach 1990. Wer sich eines derartigen Gedankenkonstrukts bedient, möchte in Wahrheit von den gravierenden Schwierigkeiten und Missständen ablenken, die wir mittlerweile über die gesamte Republik verteilt stündlich erfahren müssen. Denn Messerangriffe durch Migranten finden nicht etwa nur im Ruhrgebiet statt, sondern mit zunehmender Tendenz auch bei den von Arndt offenbar verschmähten „Ossis“. Zumindest in meiner Wahrnehmung ist mir bislang niemand begegnet, der aus der dortigen Perspektive ein fortwährendes Unbehagen gegenüber den Westdeutschen empfindet. Dass sich manche Adaption der Verhältnisse unserer über Jahrzehnte getrennten Gemeinschaft deutlich zu lange hinzieht, daran gibt es keinen wirklichen Zweifel. Doch dieser Nachholbedarf ist sicherlich nicht ausschlaggebend für das momentane Stimmungsbild, das der AfD erhebliche Vorschusslorbeeren beschert – und mit Wuchtigkeit das Versagen und Scheitern der Ampel in der Hauptstadt bestraft. Ich kann meinerseits keine wirkliche Ambitionen ausmachen, dass sich unser Volk erneut spalten lassen möchte – und schon gar nicht von belehrenden, hochmütigen und sich in Freud’scher Exegese vertieften Medienschaffenden, die ihre eigene Aversion gegenüber einer von Heimatverbundenheit und Nationalstolz beseelten Hemisphäre durch das zwanghafte Anschreiben gegen einen Hauch der nüchternen Vernunft zu kompensieren versuchen. Schließlich sind es allzu nachvollziehbare Motivationen, welche übrigens auch immer mehr Wähler von Baden-Württemberg bis Niedersachsen zu den rechts der Mitte zur Verfügung stehenden Parteien außerhalb des Establishment treibt, welche in den Umfragen eine neue Prioritätensetzung offenbaren. Denn nachdem der ständige Leierkasten über die Erderhitzung mittlerweile nicht mehr nur Klimawandelskeptikern auf die Nerven geht, sondern die Auswirkungen der vermeintlich ansteigenden Temperaturen im Vergleich zu den Folgen, die uns durch die Flutung mit Flüchtlingen auf den europäischen Kontinent zugemutet werden, nahezu als Banalitäten betrachtet werden müssen, sind auch die Verschiebungen in der Präferenz der politischen Kräfte eine logische Konsequenz.
Es wird nicht gelingen, einen neuerlichen Keil zwischen die Deutschen zu treiben. Die Arroganz manch eines Autors ist von sich aus genügend entlarvend, um die eigentliche Absicht hinter einem solch beständigen Versuch zur Erosion des Zusammenhalts aufzudecken. Viel eher lässt sich aus meiner Warte eine auf diese Entwicklung angepasste Reaktion der „Wessis“ erkennen. Denn sie scheinen es mittlerweile, die mit ein wenig Eifersucht auf die „neu“ beziehungsweise „wieder“ hinzugekommenen Freunde an Oder oder Elbe blicken. Denn es ist durchaus couragiert, mutig und vorbildlich, sich angesichts der momentanen Atmosphäre und den Bestrebungen um eine Entzweiung des Miteinanders mit Klarheit, Selbstbewusstsein und Überzeugung zum Bekenntnis „Lieber rechts als links“ durchzuringen. Vielleicht ist es gerade die Erfahrung aus den Zeiten der Diktatur, welche diejenigen heute nicht mehr vor einem unmissverständlichen Einsatz für ihr Recht auf freie Wahl, Meinung und Gesinnung abbringen lässt, die noch allzu gut in Erinnerung haben, was Einebnung und Kanalisierung des Urteilens, Handelns und Empfindens durch eine übergriffige, totalitäre und anmaßende Obrigkeit bedeuten. Die Momente des Informationsmonopolismus sind vorbei – wenngleich sich viele Zeitungen, Fernsehsender und andere Presseorgane erneut zu Handlangern der herrschenden Klasse machen. Das beste Rezept, um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, scheint das abgeleitete Credo, prinzipiell bei jedem Urnengang so zu entscheiden, dass sich die Grünen und das gesamte Vorfeld bis hinein in die angepassten Redaktionsstuben darüber ärgern. Es braucht den eklatanten Widerspruch und das Demaskieren einer Philosophie der Gängelung, Brandmarkung und Repression. Eine souveräne Zivilisation sollte es sich auch von einer vierten Gewalt nicht bieten lassen, von ihr an die Hand genommen zu werden. Der Spirit des Aufbegehrens, der in Deutschland schlussendlich zur Wende führte, ist auch im 21. Jahrhundert wieder nötig, um sich aus dem Korsett des betreuten Denkens loszusagen. Offensichtliche Indoktrination und Manipulation einer Zuschauer- und Leserschaft kann glücklicherweise auch deshalb kaum noch verfangen, weil das Angebot der unabhängigen Quellen mittlerweile beständig wächst. Und so muss sich möglicherweise auch Susann Arndt darüber im Klaren sein, dass sie mit ihrer therapeutischen Maßnahme zur Behebung der Schuldneurose irgendwann vor einem leeren Publikum sitzt.