Wagenknecht: Bröckelt das Brandmäuerchen zur AfD?

Pokern kann die Dame offensichtlich sehr gut:

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht spricht sich jetzt tatsächlich für einen anderen Umgang mit der AfD aus.

„Der bisherige Umgang, reflexartig alles abzulehnen, was von der AfD kommt und sich dafür als große Demokraten zu feiern, hat Höcke und Co. offensichtlich nicht ausgebremst“, sagte Wagenknecht der FAZ. „Wenn die AfD sagt, der Himmel ist blau, wird das BSW nicht behaupten, er sei grün. Daraus Koalitionsabsichten abzuleiten, ist kindisch.“

Es brauche einen anderen Umgang und vor allem brauche es in Bund und Ländern endlich eine vernünftige Politik, die den Wünschen der Bürger Rechnung trage, statt sie wütend zurückzulassen.

Wagenknecht reagierte damit auf eine Äußerung des thüringischen CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt. Der hatte Wagenknecht aufgefordert, sich zu äußern, nachdem die thüringische BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf am Donnerstagabend im MDR eine mögliche Zustimmung für AfD-Initiativen im Parlament abermals nicht ausgeschlossen hatte.

Weiter sagte Wagenknecht: „Im Übrigen erstaunt mich, dass ausgerechnet Herr Voigt, der mich ständig für eine angebliche Einmischung in den Thüringer Wahlkampf kritisiert, jetzt eine solche „Einmischung“ einfordert. Ein Ministerpräsidentenkandidat sollte nicht jeden Tag seine Meinung ändern.“

Das BSW ist zumindest auf Landesebene eine politische Größe geworden, die den etablierten Parteien das Fürchten lehren kann, ja, sogar Erpressungspotential hat und die Machtverhältnisse ändern kann.

Entsprechend nervös reagieren die politisch Angeschlagenen:

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat die Einmischung von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht in die Koalitionsdebatten im Osten scharf kritisiert. „Das ist unfassbar, Politiker sind doch zuerst mal ihren Wählern verpflichtet“, sagte er dem „Spiegel“.

Das Politbüro in Berlin mache Ansagen, was vor Ort zu geschehen habe – „nein danke, das braucht keiner“. Kretschmer bezieht sich unter anderem auf Wagenknechts Aussage, das Bündnis Sahra Wagenknecht werde sich nur an einer Landesregierung beteiligen, die eine Stationierung von US-Raketen in Deutschland klar ablehne.

Der sächsische Ministerpräsident kritisiert außerdem den von Wagenknecht vorgeschlagenen Deal, wonach das BSW ihn in Sachsen zum Ministerpräsidenten wählen könnte, wenn die CDU in Thüringen eine Ministerpräsidentin des BSW mittrage. „Auf so eine Idee muss man erst mal kommen. Damit nimmt sie den Verantwortlichen vor Ort ihre Autorität und ihr Gesicht“, so Kretschmer. „Keiner will in Sachsen hören, dass er etwas machen soll, weil in Thüringen irgendwas passiert.“

Kretschmer sagte, er sei über die Jahre zu dem Schluss gekommen, dass Wagenknecht „ein Talent hat, Dinge zu zerstören“. Eine Koalition mit dem BSW schloss Kretschmer dennoch nicht aus – er wollte sich auf mehrfache Nachfrage nicht dazu äußern.

Klar, weil er das BSW wahrscheinlich dringend benötigt, um an der Macht zu bleiben. Außerdem ist bei Kretschmer der anti-russische Rassismus nicht so ausgeprägt wie offensichtlich bei diesem Herren:

Der Historiker Heinrich August Winkler warnt eindringlich vor einem wachsenden Einfluss der AfD und des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) auf die deutsche Außenpolitik. Politiker von CDU und SPD rief er auf, bei Koalitionsüberlegungen auf Länderebene nicht in „Wagenknechts Falle zu laufen“.

Die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht seien zwei zutiefst antiwestliche Parteien, sagte Winkler dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben). „Beide stellen die Westbindung der Bundesrepublik, ein Kernstück der deutschen Staatsräson, von Grund auf in Frage. Ginge es nach ihnen, würde sich Deutschland außenpolitisch künftig mehr nach Osten als nach Westen ausrichten.“ Die „staatstragenden prowestlichen Parteien“ seien „gut beraten, wenn sie der antiwestlichen Agitation von AfD und BSW offensiv entgegentreten und ihre Friedenspropaganda als das anprangern, was sie ist: als Unterstützung von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine“.

Winkler fügte hinzu: „Koalitionen mit der AfD stehen nicht zur Debatte, solche mit dem BSW durchaus.“ Es sei aber eine Illusion zu glauben, eine Koalition mit dem BSW auf Landesebene hätte keinen Einfluss auf die Bundespolitik. „Sahra Wagenknecht geht es vorrangig um eine radikal andere, nämlich eine antiwestliche und prorussische deutsche Außenpolitik.“ Ostdeutsche Ministerpräsidenten oder Kandidaten für dieses das Amt – ob von der CDU oder SPD – dürften vor diesem Sachverhalt nicht die Augen verschließen. „Sie dürfen nicht in Wagenknechts Falle laufen. Sie tragen schließlich auch eine bundespolitische Verantwortung.“ Der 85-Jährige beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Einbindung Deutschlands in den demokratischen Westen.

Aber warum nur solche Panik? Vielleicht deswegen?:

Knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen liegt die AfD in der von Insa gemessenen Wählergunst weiter vor der CDU. In der Erhebung für die „Sächsische Zeitung“, die „Leipziger Volkszeitung“ und die „Freie Presse“ kommt die AfD aktuell auf 32 Prozent und die CDU auf 29 Prozent.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist mit 15 Prozent klar drittstärkste Kraft. Genau bei fünf Prozent liegen laut Umfrage Linke, Grüne und SPD – sie müssen demnach alle um den erneuten Einzug in den Landtag bangen. Die Freien Wähler kommen auf vier Prozent, die FDP nur auf zwei Prozent und die sonstigen Parteien auf drei Prozent.

Wenn jetzt erstmal die Ampel-Bande rausfliegt, ist schon mal was gewonnen, denn dann kann Kretschmer einpacken, oder muss mit den „Feinden“ kooperieren.

Neue Freunde unter den Linksparteien wird sich Frau Wagenknecht bestimmt nicht machen:

Die BSW-Chefin fordert nämlich jetzt einen Untersuchungsausschuss im Bundestag zur Aufklärung der Rolle der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines.

Der Ausschuss müsse klären, was deutsche Behörden und Regierungsvertreter zu welchem Zeitpunkt über die Anschläge gewusst hätten, sagte Wagenknecht den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgaben). „Wenn es sich herausstellen sollte, dass deutsche Stellen vorab von dem Anschlagsplan gewusst haben, dann hätten wir einen Jahrhundertskandal in der deutschen Politik.“ Die Sprengung sei ein Terroranschlag auf Deutschlands Energieversorgung gewesen. Die Bundesregierung habe bisher nichts zur Aufklärung unternommen, kritisierte Wagenknecht.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass der Generalbundesanwalt einen ersten Haftbefehl gegen einen Ukrainer beantragt hat, der an den mutmaßlichen Anschlägen beteiligt gewesen sein soll. Am Donnerstag hatte die ukrainische Führung einen Bericht der US-Zeitung „Wall Street Journal“ über eine Billigung der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee durch die höchste Regierungsebene in Kiew zurückgewiesen.

(Mit Material von dts)