Es ist nicht mehr auszuhalten. Man geht mit einer Horrormeldung abends ins Bett und wacht mit einer Horrormeldung morgens wieder auf:
Am Mittwochabend kam es laut „Bild“ im Berliner Ortsteil Zehlendorf zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Gegen 20.30 Uhr wurde die Polizei alarmiert, dass ein Mann nach B.Z.-Informationen auf eine Frau eingestochen hat.
Die „Welt“ vermeldet , dass ein Mann in einem Mehrfamilienhaus in Recklinghausen randaliert und dabei ein Messer bei sich geführt haben soll. Als die Polizei eintraf, sei es zu einer „Bedrohungssituation für die Einsatzkräfte“ gekommen. Die Beamten erschossen den 33-Jährigen.
Und bis der heutige Tag vergeht, werden mit Sicherheit weitere Messermorde gemeldet werden müssen.
Und was tut die Politik? Sie debattiert und debattiert das Land zu Grunde. Immerhin machen sich jetzt sogar die Grünen Gedanken. Der Druck von unten ist wohl zu groß und die Angst aus den Landesparlamenten zu fliegen, noch größer:
Nach der Messerattacke von Solingen hat Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) angekündigt, konsequenter abzuschieben. „Wir müssen die Innere Sicherheit stärken und in der Asylpolitik geltendes Recht besser umsetzen“, sagte Touré der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstagausgabe). „Dazu gehört auch, Rückführungen in der Praxis stärker zu vollziehen.“
Die Möglichkeiten, sich einer Abschiebung zu widersetzen, müssten reduziert werden. „In Schleswig-Holstein arbeiten wir deshalb mit den Kommunen an einer Lösung, um Mehrfach- und Intensivtäter besser zurückführen zu können“, sagte die Grünen-Politikerin.
Die Grünen-Fraktion im Bundestag verlangt derweil als Konsequenz aus dem Anschlag in Solingen weitreichende Maßnahmen in der Innenpolitik. „Es ist an der Zeit, die `Zeitenwende` auch im Inneren entschlossen umzusetzen“, heißt es in einem Positionspapier, über das das ARD-Hauptstadtstudio am Mittwoch berichtet.
Darin schlagen Fraktionsvize Konstantin von Notz und Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic vor, dass Bund und Länder ihre Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen grundlegend neu ausrichten. Mihalic und von Notz kreiden den Innenministern in Bund und Ländern an, zu wenig für die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden zu tun. „Durch dieses Nichthandeln entstehen ineffektive und teils gefährliche Doppel- und Gar-Nicht-Strukturen“, schreiben sie. Nötig seien auch Grundgesetzänderungen, die teils von der Union blockiert würden.
Mihalic und von Notz rufen zu einem Schulterschuss der demokratischen Parteien auf. Ohne CDU-Chef Friedrich Merz beim Namen zu nennen, werfen sie der Opposition vor, „wenig zielführende, allzu reflexhafte Diskussionen“ nach schweren Straftaten zu führen. Für die sicherheitspolitischen Fehleinschätzungen in der Vergangenheit sind ihrer Meinung nach aber alle Fraktionen im Bundestag verantwortlich, die in Regierungsverantwortung waren.
Der Bundesinnenministerin, Nancy Faeser (SPD), werfen Die beiden Grünen-Politiker vor, falsche Prioritäten zu setzen. Das Innenministerium verfolge eine „klassische, heute in weiten Teilen veraltete Sicherheitspolitik“. Es verfange sich „viel zu sehr in Symboldebatten“, statt auf die Defizite einzugehen.
In ihrem Positionspapier sprechen sich die Grünen für konsequente Abschiebungen von nichtdeutschen Gefährdern aus. Bei Abschiebungen und Überstellungen in andere EU-Länder sei der Vollzug noch mit zu vielen Mängeln behaftet. „Bund und Länder müssen sich gemeinsam anschauen, wie aus der möglichen eine tatsächliche Abschiebung wird.“
Mihalic und von Notz zeigen sich zudem offen für ein schärferes Waffenrecht und mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden – unter anderem verdeckte Ermittlungen in sozialen Netzwerken und einen besseren Austausch zwischen Polizei und Geheimdiensten.
Zur Finanzierung der Maßnahmen schlagen die Grünen-Politiker eine Art Sondervermögen vor. Sie nennen es „Basisinvestition“. Bund und Länder sollen nach Vorstellung der Grünen zusammen ermitteln, wie viel Geld für Personal und Technik der Sicherheitsbehörden nötig ist. Es brauche mehr Ressourcen in Ausländerbehörden, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in der Justiz und für die Integration.
Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt sieht in der angekündigten Gesprächseinladung der Bundesregierung an Ländervertreter und Unionsparteien zur Asylpolitik keine sinnvolle Maßnahme. „Jetzt ist nicht die Zeit für Ampel-Hinhaltegesprächskreise, jetzt ist die Zeit für Entscheidungen“, sagte Dobrindt der „Bild“ (Donnerstagausgabe).
„Die notwendigen Entscheidungen, die mit der Union jetzt gehen, müssen den Stopp der illegalen Migration zum Ergebnis haben. Dazu braucht es einen Knallhart-Kurs mit umfassenden Zurückweisungen an den Grenzen, Aufnahmestopps, Passentzug, Aufenthaltsverboten, konsequenten Abschiebungen und Abschiebehaft“, sagte der CSU-Politiker. „Die Zeit der Ampel Ausreden und Alibi-Veranstaltungen ist vorbei. Wir stehen bereit, die parlamentarischen Mehrheiten für die richtigen Entscheidungen zu erreichen.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach seinem Treffen mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) am Dienstag weitere Gespräche mit der Union und nun auch mit den Ländern über die Konsequenzen aus dem Attentat von Solingen angekündigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) werde dazu „sehr zügig jeweils einen Vertreter des Vorsitzes und Co-Vorsitzes der Ministerpräsidentenkonferenz, Vertreter der größten Oppositionspartei und involvierte Bundesressorts zu vertraulichen und zielgerichteten Gesprächen über diese Frage einladen“, sagte er am Mittwoch in Berlin.
Bei den Gesprächen solle es demnach um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer, die Bekämpfung des islamistischen Terrors und Änderungen des Waffenrechts gehen. Auch Vorschläge von Ländern und der Union sollten dabei berücksichtigt werden, so Scholz.
Zuletzt hatte der Kanzler bereits angekündigt, eine Taskforce zum Thema Abschiebungen einzusetzen. An dieser sollten auch Vertreter der Länder beteiligt werden. Einen Zeitplan, wann diese ihre Arbeit aufnehmen könne, gebe es noch nicht, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. Das hänge auch vom Terminkalender der jeweiligen Beteiligten ab, so Hebestreit.
Die Begriffe „illegalen Migration“, „irreguläre Migration“ und „undokumentierte Migration“ werden häufig synonym verwendet. Der Großteil der Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, gilt zunächst als „illegal eingereist“, da sie Asylanträge nicht vor ihrer Einreise stellen können. Werden die Anträge genehmigt, gelten die Flüchtlinge jedoch als regulär aufhältig.
Natürlich gibt es jetzt auch wieder die typischen Schuldzuweisungen, die aber natürlich auch mehr als ein Körnchen Wahrheit beinhalten:
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Sebastian Hartmann sieht die Hauptschuld für die derzeitige Migrationssituation bei der CDU. Es seien „Ursula von der Leyen und die CDU-Politikerin Merkel verantwortlich für die Lage, die wir jetzt haben“, sagte Hartmann dem TV-Sender „Welt“ am Mittwoch. „Und Herr Merz versucht sich vom Acker zu machen.“
Hartmann begrüßte eine mögliche Zusammenarbeit in der Migrationspolitik. „Wir haben aber hier Erfolge auf den Weg gebracht, die CDU-geführte Bundesregierungen nicht hinbekommen haben“, sagte er.
Unionsgeführte Länder seien kein Vorbild bei Abschiebungen, findet Hartmann. „Herr Merz handelt als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Er vergisst, dass es in diesem Land viele schwarz-grüne Landesregierungen gibt“, sagte der SPD-Politiker. „Die Landesregierungen sind verantwortlich für Abschiebungen und auch den Vollzug des Aufenthaltsrechts.“ Die Grünen hätten „sofort den Stecker gezogen, als es um die Frage Einschränkung des Asylrechts“, so Hartmann. „Ich bin mir sehr sicher, Herr Merz hat es nicht mit seinen CDU-Ministerpräsidenten abgestimmt, zumindest nicht mit den schwarz-grünen.“
Auch in Solingen müsse man sich ansehen, wo geltendes Recht nicht angewandt worden sei und wo die dortige CDU-geführte Landesregierung nicht gehandelt habe. Da gebe es ein „Vollzugsdefizit“ bei uniongeführten Ländern, so Hartmann. „Die CDU/CSU ist gut beraten, den Populismus an die Seite zu legen und tatsächlich zusammenzuarbeiten.“ Bislang sei es üblich gewesen, dass das Aufenthaltsrecht durch die Länder vollzogen werde. „Ja, dann rate ich doch dazu, dass die CDU geführten Länder es auch tun“, sagte er. „Wenn die Möglichkeiten bestehen, Personen zu überstellen ins europäische Ausland, dann sollen es die CDU-Ministerpräsidenten tun. Dafür brauchen wir keinen Herrn Merz, der eine Pressekonferenz nach der anderen gibt.“
Außerdem ließe sich das Migrationsproblem nur im europäischen Kontext lösen, so Hartmann – aber auf EU-Ebene habe die Union so viel Vertrauen zerstört, dass das schwierig sei. „Europa funktioniert eben nicht nach dem Prinzip, dass alle nach dem folgen, was Deutschland vorgibt. Wir haben erlebt, dass CDU-geführte Bundesregierungen sich nicht darum gekümmert haben, als es um europäische Solidarität ging“, sagte der SPD-Politiker. „Griechenland und Italien haben sich das gemerkt. Wir mussten einen großen Weg gehen, um überhaupt wieder zu einer Zusammenarbeit mit Europa zu kommen“, so Hartmann. „Das hat die CDU geführte Bundesregierung vor die Wand gefahren, als es um Solidarität in Europa ging.“
Auch aus den Reihen der Grünen wird harte Kritik an Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz über den Kurs der Ampel-Regierung laut. „Es ist geradezu unpatriotisch, nun das Land als am Rande des Abgrunds stehend zu beschreiben und eine vermeintliche Notlage heraufzubeschwören“, sagte Fraktionsvizechef Konstantin von Notz der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstagausgaben).
„Statt in eine solche Panikmache und parteipolitisches Klein-Klein zu verfallen“, müssten Demokraten entschlossen „gegen den IS und andere Demokratieverächter“ zusammenstehen und „sicherheitspolitische Defizite gemeinsam schnellstmöglich abstellen“, sagte er weiter. „Wir warten weiterhin auf konkrete Vorschläge der Union.“
Die Grünen stellten am Mittwoch rasche eigene Entscheidungen der Koalition in Aussicht. „Wir werden selbstverständlich eigene Vorschläge für mehr Sicherheit in Deutschland unterbreiten, und Herr Merz ist herzlich eingeladen, sich mit konstruktiven Vorschlägen im parlamentarischen Verfahren zu beteiligen“, sagte Irene Mihalic, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, der Zeitung. Die Menschen hätten genug von „dieser spaltenden Rhetorik“. Sie forderten Lösungen.
Die Ampel-Parteien verhandelten am Mittwoch nach Angaben aus Koalitionskreisen an einer Einigung für schnelle Gesetzesverschärfungen in der Migrations- und Sicherheitspolitik. „Das Unsicherheitsgefühl der Menschen ist groß“, sagte Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen, der SZ. Mit einer verschärften Aufnahmepolitik allein aber sei die Gefahr des Islamismus noch lange nicht gebannt. „Da muss mehr passieren“, erklärte sie. Dies müsse aber „auf Grundlage von Recht und Gesetz“ geschehen, so Kaddor.
Die FDP zeigte sich offen für Gespräche mit Merz, forderte aber auch mehr Selbstkritik der Union. „Ich halte eine Zusammenarbeit mit der Union für richtig, denn der Fall Solingen zeigt wie kein anderer, dass eine bessere Kooperation der Mitte-Parteien dringend notwendig ist“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Zeitung. Dazu müssten die Christdemokraten aber auch eigene Fehler eingestehen. „Der CDU-Regierung in Nordrhein-Westfalen ist es nicht gelungen, einen Mann abzuschieben, der nicht mehr in Deutschland hätte sein dürfen“, so Dürr.
Mit Blick auf die Regierungszeit der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte er: „Es ist gut, dass die CDU sich jetzt von der Migrationspolitik aus ihrer alten Regierungszeit verabschiedet.“ Damit der Kurswechsel gelinge, schlage er „einen Pakt der demokratischen Mitte im Bund und in allen 16 Ländern vor“, sagte Dürr.
CDU-Chef Friedrich Merz hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag vorgeschlagen, notfalls auch ohne die Ampel-Partner Grüne und FDP die Migrationspolitik zu verschärfen. Scholz hatte darauf am Mittwoch mit einem eigenen Vorstoß reagiert und Gespräche von Bund und Ländern, Regierung und Opposition angekündigt.
Allerdings hat die Union bislang noch keine Einladung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) oder Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu Gesprächen über Konsequenzen aus dem Messerattentat von Solingen erhalten. „Bisher haben wir von dem Vorhaben nur aus den Medien erfahren“, zitiert die „Rheinische Post“ (Donnerstagausgabe) Fraktionskreise der Union. „Eine offizielle Einladung liegt noch nicht vor.“
Weiter hieß es, man sei aber „offen für Gespräche“. Scholz hatte nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Keir Starmer in Berlin angekündigt, die Bundesinnenministerin werde „sehr zügig jeweils einen Vertreter des Vorsitzes und Co-Vorsitzes der Ministerpräsidentenkonferenz, Vertreter der größten Oppositionspartei und involvierte Bundesressorts zu vertraulichen und zielgerichteten Gesprächen über diese Frage einladen“.
Am besten, man wartet die Ergebnisse der nächsten Landtagswahlen ab, dann kann man immer noch sehen, was gemacht werden muss – derweil weiter gemessert wird. (Mit Material von dts)