1965: Sonntags nach der Messe ging’s zum Frühschoppen ins Gasthaus „Zur Rosl“. Der Herr Pfarrer in seiner schwarzen Soutane war natürlich mit dabei. Das Dörfchen, idyllisch am Flüsschen Roth gelegen, wie hundert weitere, liegt auf halbem Weg zwischen Stuttgart und München. Der Weg von der Kirche zur „Rosl“ war Gott sei Dank nicht weit, denn Beten und Singen macht durstig.
Gastbeitrag von Meinrad Müller
Im Wirtshaus wurde Schafkopf, ein traditionelles Kartenspiel, um kleine Beträge gespielt: 1, 2, 5 und maximal 10 Pfennig. Ein bisschen Nervenkitzel musste eben sein. Und es wurde auch politisiert, sogar mit dem Herrn Pfarrer. Mancher ging erst gar nicht zur Messe, weil er Hochwürden ohnehin beim Kartenspiel traf. Pfarrer Schuster streute deshalb gerne seine biblischen Weisheiten auch mal zwischen zwei Kartenstichen ein.
Pfarrers Ass im Ärmel
Und wenn die Dorfobrigkeit (CSU) nach zwei Bier mutig „göttlichen Segen“ für einen Bebauungsplan wollte, antwortete er: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Der Bürgermeister verstummte. Und dem einmal pro Woche am Sonntag ausgeschlafenen Bäckermeister von der Opposition hielt er entgegen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apostelgeschichte 5,29). So kehrte rasch Friede ein – am Stammtisch, in der Kirche und im Gemeinderat.
Heute würde Pfarrer Schuster seinem Bischof vielleicht an Jesu Worte erinnern: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einem Kaufhaus!“ (Joh 2,16), denn die heutige Kirche, katholisch wie evangelisch, ist trotz der „Trennung von Staat und Kirche“ vielfach finanziell mit dem Staat verquickt.
Hirtenstab heißt nicht, wir wären Schafe
Damals befriedete der Pfarrer das Dorfleben gleichsam als „Sozialarbeiter“. Sein Brevier lesend, schritt er gemächlich durch die wenigen Straßen und plauderte mit seinen Schäfchen, die gerade vor ihren Häusern zu tun hatten. Frieden schaffen ohne Waffen beginnt im Kleinen.
Aber was, wenn heute der Fehdehandschuh von ganz oben in den Ring geworfen wird? Heute liebedienern die Bischöfe vor der Politik – und vergessen ihre Herde. Nur noch fünf Prozent der Schäfchen gehen sonntags zur Kirche. Mancher mag sich bei der Predigt denken: „Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker‘, aber ihr habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!“ (Mk 11,17). Das Drumherum um und in den (Staats)-Kirchen ist zu laut und zu „vielfältig“ geworden. Es erinnert an das 16. Jahrhundert: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Kirche mit dem Kanzler singt“? Denn die Kirchensteuer will man ja nicht verlieren.
Bischof sein ist ein „Spitzenjob beim Staat“
Viele wissen nicht, dass Bischöfe bezahlte Beamte des jeweiligen Bundeslandes sind. 1933 (!) wurde das Reichskonkordat mit dem Vatikan unterzeichnet. Besoldungsgruppe B 12, das heißt etwa 11.500 Euro brutto. Sie reden oft mehr im Sinne ihres Dienstherrn als im Sinne Gottes. Selbst dringend benötigte Freiwillige, ob als Mesner oder Organist, werden aus dem Kirchendienst ausgeschlossen, weil sie in der „falschen“ Partei sind. Statt sich auf die Frohe Botschaft zu besinnen, biedern sie sich dem Zeitgeist an. Aber wo steht das in der Bibel? Nirgends!
Aus der Bibel nichts gelernt?
„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Mt 22,21). Das haben viele Bischöfe offenbar vergessen. Ihre Aufgabe ist das Seelenheil, nicht die Parteipolitik. Wenn die Kirche den Staat kopiert, verliert sie ihre spirituelle Kraft. Sind die Kirchenoberen etwa nicht mehr gläubig? Gilt etwa nicht mehr: „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?“ (Römer 8,31).