Wilhelm Karademiroglu, mein Gemüsemann

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„Zucchini, Gurken, Paprika – heute gaaaaaaanz billig!“ ruft Wilhelm mit kräftiger Stimme unter seiner Markise. Er steht vor seinem Stand an der Uhlandstraße, die Schürze ein bisschen schief, das Lächeln breit. Wilhelm will nicht Willy genannt werden – nein, er heißt Wilhelm, und das bleibt auch so. Seine Eltern stammen aus Mardin, einer türkischen Stadt, die seit Jahrhunderten eine christliche Gemeinde beheimatet.

Gastbeitrag von Meinrad Müller

Wilhelm ging hier in Berlin zur Schule und spricht trotzdem noch fließend Türkisch. Das braucht er auch, denn seine Kundschaft kommt von überall her: Istanbul, Garmisch, Damaskus, Samos und natürlich Neukölln. Unter der Markise treffen sich die verschiedensten Kulturen, und Wilhelm hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen.

Über der alten, rasselnden Kasse, die bestimmt schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat, hängt ein Bild von Kaiser Wilhelm aus dem Jahr 1871. „Da schau’ ich oft hin“, sagt der Gemüsemann mit einem Augenzwinkern. „Und ich bin stolz, nach ihm getauft worden zu sein.“

Als ein Reporter auf den ungewöhnlichen deutsch-türkischen Mann aufmerksam wurde, hält Wilhelm nicht lange hinterm Berg. „Kinder, die hier aufwachsen, müssen sich integrieren“, sagt er ins Mikrofon. „Ich sag’s dir ganz ehrlich: Walter, Stefan oder Andreas passen auch zu einem arabischen Nachnamen wie Abdullah. Und die Kinder hätten’s leichter – in der Schule und später beim Job.“

Wilhelm nickt dabei so, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt. Er weiß, wovon er spricht. Er hat es schließlich selbst erlebt. Integration beginnt oft bei den kleinen Dingen – und für Wilhelm ist der Name eines Kindes der erste Schritt in ein gemeinsames Leben hier. „Wir müssen die Brücke bauen“, sagt er und reicht einer älteren Dame noch ein paar Tomaten extra über die Theke. „Und was ist schon einfacher als ein Name?“

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