Hilfe, meine Frau hat Sperrminorität

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Eigentlich leben wir in einer ganz normalen Ehe – ganz demokratisch und so. 50 % weiblich, 50 % männlich. In unserer Liebes-Zweckgemeinschaft mit Ewigkeitscharakter gibt es keine Neuwahlen. Warum auch sollte die Fortsetzung dieser ungleichen Koalition alle vier bis fünf Jahre in Frage gestellt werden? Doch bereits jetzt, und das ist sicher, besitzt die „beste Ehefrau von allen“ (Kishon) mehr als die ihr offiziell zustehenden 50 % der Rechte, obwohl sie nächtens links von mir ruht.

Gastbeitrag von Meinrad Müller

Noch bevor der erste schwarze Kaffee in ihre rote Tasse rann, erinnert sie sich ihrer ehelichen Sperrminorität. Offiziell hat sie ja auch mehr als ein Drittel der Stimmanteile. Und in entscheidenden Momenten stellt sie sich acuh noch quer wie ein echter „Querdenker“. Wenn ich etwa vorschlage, auch im Wohnzimmer einen Schreibtisch mit zwei Bildschirmen aufzustellen, so wie im Arbeitszimmer. Wegen meiner „Work-Life-Balance“, die sich bereits zu sehr nach der „Work-Seite“ neigt. Ich will die Kinderchen wenigstens noch sehen, während ich tippe.

Sperrminorität und Hausrecht

Da hilft auch kein „Susi-Zuckermaus“ – sie zieht ihr Veto. Und so geschieht es: Mit einem unnachahmlichen Lächeln legt sie ein klares „Nein“ ein und droht, andernfalls ihre Federboxspringbett-Hälfte in den Hobbyraum zu verlegen. Dies würde natürlich die nächtliche Kommunikation und potenziellen Vermehrung von Wahlberechtigten vollständig verunmöglichen. Das „Wenn-dann“-Prinzip ist das Kennzeichen ihrer Sperrminorität, die still, aber unerschütterlich von ihr Tag wie Nacht ausgeübt wird.

Sperrminorität in Bett und Politik

So ähnlich, wie ich es im Alltag erlebe, darf jetzt auch die AfD in Brandenburg und Thüringen die Handbremse anziehen. Denn die demokratischen Fußbremsen bremsen schon lange nicht mehr richtig. Mit mehr als einem Drittel der Sitze in den Landtagen besitzt die Partei eine Sperrminorität. Das bedeutet, dass sie keine Mehrheit braucht, um Entscheidungen zu blockieren, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern. So kann sie, wie meine Frau im Wohnzimmer verhindern, dass Verfassungsänderungen oder die Wahl von Verfassungsrichtern ohne ihre Zustimmung über die Bühne gehen. Oder Privat: ob die Schwiegermutter über Weihnachten zu Besuch kommen darf oder nicht.

Und hier liegt das Geheimnis: Wer eine Sperrminorität besitzt, hat nicht die volle Macht, aber gerade genug, um strittige Pläne zu stoppen, wenn es wirklich wichtig wird. Wenn zum Beispiel die rot lackierten „Neogenossen“ wieder den Gleichschritt einer Einheitspartei verlangen.

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