Schwule und Lesben, die die AfD favorisieren. Flüchtlinge und Migranten, die sich mit Alice Weidel oder Tino Chrupalla ablichten lassen. Und die letzten Zeitzeugen des Dritten Reiches, die der Alternative für Deutschland attestieren, dass es damals eben nicht so war, wie uns Lars Klingbeil, Saskia Esken und all die anderen Geschichtsvergessenen weismachen wollen.
Von Dennis Riehle
Es scheinen offensichtliche Widersprüche, die insbesondere denjenigen wehtun müssten, welche tief gefangen sind in den Vorurteilen über einen politischen Konkurrenten, der ausgerechnet bei jenen Zielgruppen immer weiteren Zuspruch findet, gegen die er aus Sicht des Establishment angeblich agitieren und hetzen soll. Und so sind es nicht die Homosexuellen mit Maß und Mitte, die sich vor der “Machtergreifung” der Blauen ängstigen. Auch nicht die gut integrierten Asylsuchenden, die bei uns an Wohlstand und Prosperität mitwirken, eine Arbeit gefunden haben, Steuern zahlen, nicht kriminell wurden und ihre Identität von sich aus preisgaben. Ebenso wenig die Bürger der ehemaligen DDR, die doch eigentlich am besten wissen sollten, von wem und ab welchem Zeitpunkt Diktatur ausgeht. Sie alle hegen Präferenzen für einen vom Kartell verschrienen Feind, dessen Ideologie und Gesinnung nur dann zu Panik, Schrecken und Furcht verleiten, wenn man sich mit seiner Programmatik noch nie weitergehend auseinandergesetzt hat – und lediglich Vorurteilen und Etikettierungen glaubt, die die “Tagesschau in einfacher Sprache” ebenso verbreitet wie CDU, Grüne oder SPD.
Neurosen und Psychosen entstehen nicht zuletzt auf dem Boden von höchst kreativem Denken, welches allerdings in Sphären führen kann, die für den von Pragmatismus und Nüchternheit geprägten Durchschnittsbürger nicht mehr erreichbar sind. Denn weder gibt es bei wachem Geist und klarem Verstand irgendeine Parallele zwischen der Gegenwart und 1933 – allenfalls zu den Vorboten von 1989. Noch diskutiert irgendjemand über die Deportation von Millionen Staatsangehörigen mit Wurzeln in der Fremde. Den gleichgeschlechtlich Liebenden will niemand an die Kandare fahren, sondern lediglich dem Spuk grenzenloser Degeneration und Pervertierung einer an vorsintflutliche Zeiten erinnernden Mentalität von Nacktheit und Obszönität Einhalt gebieten. Und wenn es um den ständigen Anwurf der Beschneidung unserer Demokratie geht, dann sollten sich in moralinsaurer Gutmenschlichkeit um Aufmerksamkeit Strampelnde ernsthaft fragen, wer in diesem Land die Meinungsäußerung im Zweifel auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze sanktionieren möchte, willkürlich Meldestellen zum Anschwärzen errichtet, in den Wohnungen der Bevölkerung spionieren will oder mit der Märchenerzählung über eine Manipulation durch Russland vom eigenen Ziel des eingeebneten Informationsmonopols ablenkt. Zahlreiche Stempel, die man plakativ anbringt, fußen auf plumper Demagogie und schlichter Agitation – und halten bei Bedarf einer heute im Trend liegenden Überprüfung durch Faktenchecker dann nicht stand, wenn man objektiv an sie herangeht.
Die an die Wand gemalten Schreckensbilder über die Blauen sind in ihrer Konsistenz ungefähr so tragfähig wie der Einheitsbrei, in dem die Korrektheit täglich neu krampfhaft nach Stigmata sucht, mit welchen sie das einstürzende Kartenhaus eines Narrativs über die angeblich flächendeckende, substanzielle und prinzipielle Verfassungsfeindlichkeit ihres parlamentarischen Widersachers zu stützen bemüht ist. Bislang fehlt es an einer höchstrichterlichen Entscheidung über den Wirklichkeitsgehalt eines durch willfährige und weisungsgebundene Behörden vergebenen Etiketts, das beim Wähler allerdings auch deshalb nur noch partiell verfängt, weil der gegenwärtige “Big Brother” Erinnerungen an Horch und Guck weckt. Damals war das Denunzieren ein Hobby, aktuell ist es zum Volkssport geworden. Wir leben in einer Gesellschaft, in der man sich als Anhänger der kritischen Opposition zum Freiwild erklärt fühlt. Glücklicherweise steigen mit dem sukzessive Anziehen der Daumenschrauben durch Innenministerin Faeser auch Mut und Courage zum völlig legitimen Bekenntnis, einem Anbieter auf dem politischen Tableau seine Stimme zu geben, der allein deshalb in nicht ins Weltbild der blökende Schafherde passt, weil es spätestens hinter der Union endet. Doch ein mittlerweile in den Umfragen weiter zulegender Unterstützerkreis für den Startschuss einer stringenten Remigration, ein Ende der Transformation und einen Stopp von Indoktrination kann sich nicht durch begrenzte Denkhorizonte in seiner Gewissensentscheidung beeinträchtigen. Denn auch er ist selbstverständlich souverän.