Wer sogenannte Desinformation bekämpfen will, ohne zuvor einen gesellschaftlichen Konsens über die Definition der mittlerweile in aller Munde befindlichen “Fake News” ermöglicht zu haben, handelt beliebig, willkürlich und ohne Mandat. Absolute Wahrheiten kann es in einer Demokratie nicht geben. Entsprechend sind abweichende Meinungen prinzipiell ein zu schützendes Gut, solange sie nicht die Grenze des tatsächlich Sanktionierbaren unmissverständlich überschreiten. Rechtsstaatlichkeit kennzeichnet sich in einer freiheitlichen Grundordnung durch das Prinzip der Bereitschaft zur Akzeptanz von verschiedenstem Widerspruch.
Von Dennis Riehle
Deshalb ist der Rahmen dessen, was zulässig und vertretbar ist, so großzügig wie nur denkbar zu gestalten. Subjektivität und Befindlichkeit des Empfängers einer Botschaft erscheinen keine geeignete und praxistaugliche Einheit, in der die justiziable Einordnung von Gesagtem bestimmt werden kann. Denn ein Miteinander braucht verlässliche Orientierungs- und Anknüpfungspunkte, die nachvollziehbar, klar und anwendbar formuliert sind. Deshalb ist bei Bedarf immer davon auszugehen, dass die für den Entsender einer Nachricht entlastende Konnotation, Intonation und Suggestion gilt. Entsprechend bleibt sogar das, was nach objektiver Auffassung als strafrechtlich relevant einzustufen wäre, so lange zu tolerieren, wie der Zweifel an einem Werturteil nicht gänzlich ausgeräumt werden kann. Um dies doch zu bewerkstelligen, braucht es bei Bedarf nicht nur eine geschlossene Indizienkette, sondern einen Kontext, der kaum Misstrauen an der Absicht gewählter Zitate zulässt. Wobei diesbezüglich nicht zuletzt zwischen denen zu trennen ist, die die jeweilige Einlassung getätigt haben.
Gerade gegenüber einer Privatperson ist die Anforderung an eine Tatsächlichkeit von in die Welt gesetzten Äußerungen deutlich zu senken. Dagegen liegt die Messlatte insbesondere für Medien weitaus höher. Sie ist unter anderem von den Publizistischen Grundsätzen flankiert, welche Sorgfalt, Eindeutigkeit und Richtigkeit transportierter Inhalte erwarten. Entsprechend sollte sich dieser Tage der Appell zum Unterlassen von Manipulation zunächst einmal an das übereifrige, gutmenschliche und wachsame Team des eigentümlichen Konstrukt namens „Correctiv“ richten. Dessen Investigativjournalisten haben in einem beispiellosen Skandal der Verzerrung, Übertreibung und Lüge für Aufruhr in der breiten Masse gesorgt, die von der Regierung und einer Landschaft an den Berufsethos verleugnenden Presseschaffenden animiert, unterstützt und gepusht wurde. Sie legten den Grundstein dafür, dass sich beispielsweise auch die “Tagesschau” zur Erzählung über angebliche Pläne einer Deportation von Millionen Bundesbürgern mit Migrationshintergrund hinreißen ließ. Das Narrativ über ein Geheimtreffen am Lehnitzsee, an dem Vertreter der AfD, der WerteUnion, der Identitären Bewegung und der Wirtschaft teilnahmen, war zur fährlässigen oder gar absichtlichen Täuschung geeignet. Denn aus dem eigentlich völlig unanrüchigen Terminus der Remigration, der zunächst als gängiges Synonym zur Abschiebung gilt, ließ sich eine Geschichte aufbauen, die mittlerweile sogar vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg einkassiert wurde (Beschluss vom 23.07.2024, Az.: 7 W 78/24). Denn nach rationalem Dafürhalten wurde sich in der Nähe von Potsdam über nicht mehr ausgetauscht als eine umfangreiche Rückführung von Personen in ihre Herkunftsländer, die ihren Gaststatus bei uns aus diversen Gründen verwirkt haben.
Hier ging es also am Ende weniger um die Frage darüber, wie bestimmte Aussagen interpretiert oder gelesen werden sollen. Die ungeprüfte Übernahme und Zuspitzung von Schlagzeilen endete in einer willentlichen und gezielten Verbreitung von Nachrichten, die sich bei einer kritischen Prüfung und durch das Eingeständnis der Handelnden selbst als Verfälschung herausstellten. Denn dass sich aus dem vermeintlichen Skandal eine Eigendynamik entwickeln konnte, die zur breitflächigen Beeinflussung der Konsumenten Leser führt, musste den Protagonisten klar gewesen sein. Wenn wir uns dem Engagement für mehr Ehrlichkeit und weniger Erziehung in der Kommunikation verschreiben möchten, dann beginnen wir also mit der Einstellung von Fördergeldzahlungen an eine GmbH, deren Träger gemäß Untertitel “Recherchen für die Gesellschaft” betreibt – tatsächlich aber als Propagandist der Ampel fungiert. Und wenn wir schon dabei sind, dann sollte ein couragierter Souverän auch nicht davor zurückschrecken, gegen andere Missstände Protest zu üben, die sich wohl nicht nur in manch einer Schreibstube des ÖRR auftun. Da ruft bisweilen ein Vertreter der Grünen in der Redaktion großer Nachrichtenformate an, um sich enttäuscht darüber zu zeigen, dass der Aufhänger über stattgehabte “Demonstrationen gegen rechts” auf einem viel zu weit hinten liegenden Sendeplatz positioniert wurde. Und schwuppdiwupp, rückt der Beitrag schon in der nächsten Ausgabe ganz an den Anfang vor. Was für den Zuschauer wie Priorisieren aussieht, ist bei genauem Hinsehen Lobbyieren. Und als das sollte es auch benannt werden, um dem schlichten Befund Genüge zu tragen, wonach die Teilung zwischen den ersten drei und der vierten Gewalt in der Bundesrepublik mehr schlecht als recht funktioniert.
Der Reigen an orchestrierter Infiltration kann beliebig fortgesetzt werden, wenn es beispielsweise um eine Erklärung für den wundersamen Umstand geht, dass immer wieder zufällig vorbeikommende Passanten in unseren Innenstädten am Mikrofon von ARD oder ZDF stehenbleiben – und aus freien Stücken genau das in die Kamera sprechen, was dem Intendanten und der Obrigkeit genehm sein dürfte. Oder wir untersuchen die Studien und Erhebungen, in denen sich die Mehrheit der Deutschen nicht wiederfinden – obwohl doch angeblich gerade sie befragt worden sein soll. Und nicht zuletzt wenden wir uns dem neben dem Influencer zweitunwichtigsten Job dieser Welt zu – und konfrontieren die “Faktenchecker” mit der bereits oben erwähnten Idee, dass selbst die Wirklichkeit relativ sein kann. Denn schon allein die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch, vermag in einem liberalen Gefüge zu höchst divergenten Ergebnissen beitragen. Daher ist jedes Instrument zur Kanalisierung, Fokussierung und Vereinheitlichung von Standpunkten, Positionen und Betrachtungsweisen zunächst als Angriff auf das Recht der unbehelligten Rede, Überzeugung und Haltung zu sehen. Es ist die Selbstregulierungskraft einer Gemeinschaft, die es mit den Mitteln der Gegenrede, von Argumentation und Diskussion völlig eigenmächtig leisten kann, “Enten” mit einer gesunden Portion Skepsis, Distanz und Menschenverstand zu entlarven. Wer sich dagegen der Debatte, der Begegnung und der Auseinandersetzung reflexartig und prinzipiell durch das sofortige Anrufen einer “Meldestelle” zum Zwecke der Denunziation entzieht, erweist sich nicht nur als hypersensibel und ein schlechter Verlierer. Sondern vor allem auch als Abrissbirne wesentlicher Eckpfeilers unserer offenen, streitbaren und erörternden Miteinanders.