Neuer Schwung für die WerteUnion? Wie die Jugend neuen Esprit ins konservative Lager bringt!

Gegenüber dem Journalismus gibt es heutzutage viele Vorurteile. Und leider muss ich bestätigen, dass viele von ihnen völlig berechtigt sind. Ein Anwurf stimmt allerdings in der Regel nicht: Presseschaffende sind entgegen der landläufigen Meinung nicht zu Neutralität angehalten. Sondern sie haben das Gebot der Objektivität zu erfüllen. Denn hinter jedem Medienakteur steckt auch ein Mensch, Bürger und Wähler.

Von Dennis Riehle

Und solange wir das Schreiben von Artikeln nicht irgendeiner Künstliche Intelligenz oder Maschine überlassen, bleibt es ein nahezu utopisches Ideal, dass sich die vierte Gewalt völlig lossagen kann von jeglicher individuellen und persönlichen Präferenz. Sie ist allemal zulässig und sogar geboten, wenn es beispielsweise um die Kommentierung geht. Das große Problem heutzutage ist nicht etwa, in meiner Zunft zu wenig unabhängig sein zu können von sämtlichen Einflüssen und eigenen Überzeugungen. Sondern es ist der Mangel an Ausgewogenheit. Mit seinem Denken weniger in einer einzelnen parteilichen Fixierung zu verharren oder sich einer vorgefertigten Weltanschauung anzubiedern, das ist der elementare Auftrag, an dem zahlreiche meiner Haltungskollegen regelmäßig scheitern. Ihre Kolumnen triefen teilweise vor einer derartigen Willfährigkeit für bestimmte Konzepte, Ideen und Visionen, dass die Unterscheidung schwerfällt, ob sie als belehrender und erziehender Hofberichterstatter der Grünen agieren – oder als wankelmütiger Pressesprecher von Olaf Scholz. Natürlich bin auch ich nicht frei von einer politischen Verwurzelung – Gott sei Dank. Denn schlussendlich wäre ohne sie Rückgrat und Courage kaum denkbar. Und trotzdem versteife ich mich nicht auf einen expliziten Anbieter im Wettbewerb um die besten Lösungen und Antworten auf die Herausforderungen des Hier und Jetzt.

Stattdessen ist es mir ein Anliegen, aufgrund der vorherrschenden linken Subjektivität in meiner Branche einen Gegenpol zu bilden, der darüber hinaus mit meinem Verständnis im Einklang steht, sich in größtmöglicher Skepsis und Distanz zu den Herrschenden aufzuhalten – und allenfalls mit der kritischen Opposition den Schulterschluss zu üben. Und dies tue ich wiederkehrend, indem ich darum bemüht bin, verschiedenen Charakteren und Institutionen Raum zur Artikulation und Aufmerksamkeit in Kolumnen und Werturteilen zu geben. Denn auch wenn man mir ab und zu unterstellt, ich hätte eine allzu große Nähe zur AfD, so stimmt dieser Eindruck nur halbwegs. Mein Wohlwollen und meine Zuneigung gilt allen Akteuren jenseits der Union, die sich außerhalb des Establishments für eine Trendumkehr in diesem Land einbringen – und dafür die unterschiedlichsten Herangehensweisen haben. Auf diesem Tableau mischt auch die WerteUnion mit, die sich oftmals als Mittelweg zwischen CDU und AfD versteht. Eine Besonderheit weist sie insbesondere mit Blick auf ihre Jugend auf. Die JWU ist als altersunabhängiger Zusammenschluss jener, die sich für eine bessere Zukunft der nächsten Generationen engagieren. Nach einem Bruch zwischen dem Mutterschiff und dem früheren Vorstand der in anderen Parteien als Vorfeldorganisation angesehenen Nachwuchsbewegung, welcher geschlossenen austrat und sich als ein unabhängiges Bündnis konstituierte, liegen die Geschicke der sich in der Blütezeit ihres Lebens befindlichen Sprösslinge nunmehr in den Händen eines Interims-Chef. Und Nico Röhrs hat bereits bei der Übernahme der Verantwortung deutlich gemacht, worum es ihm künftig geht.

Als Heranwachsende in einer noch nicht allzu lange bestehenden Kraft, die eng mit dem Namen Hans-Georg Maaßen verbunden ist, sollen sie Impulsgeber und Bindeglied zwischen den verschiedenen Jahrgängen sein. Dabei treten sie insgesamt gemäßigt auf, was ihnen gerade von Widersachern wiederum den Vorwurf der Verweichlichung einbringt. Dabei geht es ihnen um nichts Anderes als die Entfernung von jeglicher Radikalität und allem Extremismus. Dass sie sich im Spektrum aber insgesamt eher auf der rechten Seite verortet sieht, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Sie vertritt einen gesunden Patriotismus, der die Hinwendung auf das eigene Volk zu einer Präferenz erklärt – ohne sich dabei aber in einer allzu identitären Gesinnung zu verstricken. Ihr geht es insbesondere um einen Konservativismus, der mit Blick auf Tugendhaftigkeit, Sittlichkeit und Normativität der Zeitgeistigkeit und Angepasstheit die Stirn bietet. Ihre Wortwahl und Argumentation mag milder wirken als die der Alternative für Deutschland. Gleichwohl sind es an vielen Stellen nur Nuancen, die die Divergenz ausmachen. Vielleicht umschreibt man sie am besten mit der Definition, exakt das verkörpern zu wollen, was die CDU gerade vor Angela Merkel als Profil hochhielt. Es sind die Merkmale, die die Christdemokratie unter Konrad Adenauer ausgemacht haben, welche in Erinnerung gerufen werden sollen. Sie steht zu den westlichen Prinzipien einer freiheitlichen Ordnung, die aber endlich wieder einer Hinwendung zu Rechtsstaatlichkeit, Verbindlichkeit und Konformität bedarf. So fordert sie eine Eingliederung und Assimilation derjenigen Migranten, die nach Art. 16a GG einen tatsächlichen Anspruch auf Schutz, Obdach und Versorgung haben.

Orientierungspunkt ist dabei eine christlich-abendländische Tradierung und Leitkultur, der die Wurzeln und Ursprünge unseres Miteinanders festigt – und Respekt ihnen gegenüber abverlangt. Sie will insbesondere die illegale Einwanderung unterbinden und dafür auf eine Anwerbung tatsächlich qualifizierter Arbeitskräfte beharren. Das unmittelbare Integrieren von Asylsuchenden in unsere Sozialsysteme soll strikt verhindert werden. An den Außengrenzen der Europäischen Union müsse eine direkte Rückweisung von Personen ohne Bleibeperspektive möglich gemacht werden. Röhrs steht darüber hinaus für eine positiv konnotierte Heimatliebe ein, die das Fremde nicht allein aufgrund der ethnischen Herkunft ausgegrenzt, benachteiligt oder herabwürdigt. Hinsichtlich der Klimapolitik nimmt man Abstand von dem angeblich wissenschaftlichen Narrativ über die ausschließlich anthropogen verursachte Erderwärmung – und sieht die Transformation samt Energiewende auch deshalb mit Argwohn, weil sie den wirtschaftlichen Entwicklungsprozess im Sinne Ludwigs Erhard ausbremst und das ökonomische Wachstum, den gesellschaftlichen Wohlstand und die finanzielle Prosperität im Land schwäche. Spürbare Differenzen gibt es insbesondere zu den bisweilen nationalistisch anmutenden Färbungen im Höcke-Lager der AfD. Auch deshalb existieren Vorbehalte gegenüber einer Zusammenarbeit mit den Blauen insgesamt.

Besonderes Augenmerk liegt auf einer Förderung des klassischen Familienkonzepts aus Vater, Mutter und Kind, welches als das beste Instrument zur Bewältigung des Demografischen Wandels angesehen wird. Schnittmengen mit der Union liegen zwar vor. Allerdings stehen ihnen ein diametral anderes Verhältnis zu plebiszitären Elementen unseres repräsentativen Gefüges, deutlich mehr Restriktion in der Flüchtlingsfrage oder Diskrepanzen in der Bewertung der doppelten Staatsbürgerschaft gegenüber. In meinen Kontakten mit Nico Röhrs konnte ich nicht nur einen äußerst bodenständigen, soliden und integren jungen Mann kennenlernen, der durch seine berufliche Karriere in der Bundeswehr und als Sicherheitsberater große Fachkenntnis und Lebenserfahrung mitbringt. Ihm fehlt es nicht an Empathie, Einfühlungsvermögen und Bürgernähe – ganz im Gegenteil. Seine moralische Zielrichtung ist ehrenwert, sein Verweis auf Rationalität und Vernunft sind nicht nur hohle Phrasen. Er erweist sich als ein innovativer Geist, der unser Miteinander wieder vom Kopf auf die Füße stellen will. Dabei schlägt er Töne der Befriedung dort an, wo der essenzielle Kitt unserer Gemeinschaft bedroht ist. Gleichwohl grenzt er sich von jeder exzessiven Ideologisierung ab und lädt zum Ausbrechen aus Populismus und Oberflächlichkeit ein. Menschlich und politisch gesehen ein glaubwürdiger Hoffnungsschimmer, der Talent, Leidenschaft und Ambitionen mitbringt, politische Entscheidungen aus den Tiefen des Pragmatismus heraus zu treffen. Er ist zum versöhnenden Dialog in der Lage – und verfügt damit über eine Eigenschaft, die angesichts von Spaltung, Polarisierung und Verrohung in unseren Breiten gar nicht genug honoriert werden kann.