Kanzlerkandidatin Weidel: Nur diesmal die Richtige?
Es wird bei der kommenden Bundestagwahlen nicht an Kanzlerkandidaten mangeln. Der SPD-Amtsinhaber Olaf Scholz will Kanzler bleiben, der Unionskandidat Friedrich Merz möchte es werden. Und wenn es schon nichts mit dem grünen Wirtschaftswunder wird, will Robert Habeck wenigstens Kanzler werden.
Von Wolfgang Hübner
Da die AfD den Umfragen zufolge vor SPD und Grünen liegt, wird auch sie in die Konkurrenz um die politische Spitzenposition eingreifen und Alice Weidel ins Rennen schicken. Und wer weiß, ob nicht auch noch Sahra Wagenknecht diese Profilierungschance wahrnehmen möchte.
Mit der bevorstehenden Nominierung von Weidel gibt die AfD ein deutliches Zeichen nach außen wie, eigentlich noch wichtiger, nach innen: Die Partei präsentiert eine Spitzenfigur, die mit ihrem Aussehen und Intellekt die „Brandmauer“-Blockade ziemlich lächerlich dastehen lässt. Wer das gestrige TV-Duell zwischen Weidel und Sahra Wagenknecht gesehen hat, dürfte dieser Einschätzung beipflichten. Wenn die CDU allen Erwartungen zum Trotz doch wieder zurechnungsfähig werden sollte, könnte sie sich eine bessere und glanzvollere Koalitionspartnerin als Weidel nicht wünschen.
Auch deshalb, weil die AfD-Kanzlerkandidatin weder rechts noch sonderlich konservativ ist. Dass sie in einer teilweise rechten Partei an der Spitze steht, ist ohne Entartung der Union nicht zu verstehen. Zumindest mit Weidels wirtschaftsliberalen Vorstellungen könnte BlackRock-Kandidat Friedrich Merz bestens harmonieren. Genau das aber wird Weidels künftiges Problem werden. Denn der in dem Vasallentum gegenüber den USA bedingte ökonomische Abstieg Deutschlands wirft unweigerlich die soziale Frage auf.
Eine repräsentativen Umfrage zufolge rangieren soziale Probleme und Ängste in der Skala der wichtigsten Themen weit vorne: An erster Position die steigenden Lebenshaltungskosten, die jeden betreffen, wenngleich nach Einkommen und Vermögen als unterschiedlich schmerzlich empfunden werden. Auch hohe Wohnkosten, Erhöhung von Steuern und Abgaben sowie der schlechte Zustand der Wirtschaft mit Insolvenzen, Personalabbau und Betriebsverlagerung ins Ausland stehen bei den Deutschen sehr weit vorn auf der Liste ihrer Sorgen.
Da die AfD vorwiegend nicht von besserverdienenden bürgerlichen Kreisen, sondern von Arbeitern, den sogenannten „kleinen Leuten“ und zunehmend auch von jungen Menschen gewählt wird, die in einem Krisenland keine gute Perspektive erkennen können, werden schon mittelfristig in der Partei Führungsfiguren gebraucht, die soziale Kompetenz und Empathie glaubwürdig verkörpern. Ob die kühle neoliberale Ökonomiedoktorin dafür die künftige Idealbesetzung sein wird, kann bezweifelt werden. Für die kommende Bundestagswahl ist Alice Weidel jedoch sicher die aussichtsreichste AfD-Kandidatin.