Eine breite Diskussion über die derzeit dramatischen Veränderungen und den Niedergang in Deutschland findet leider nicht statt – in den Medien oder der Politik nicht, und im Privaten erst recht nicht. „Lass‘ mich damit in Ruhe“, „Das interessiert mich nicht“, „Ich will davon nichts hören, kapiert?“ oder schlicht „Ist mir egal“ sind typische Reaktionen, wenn Kontroversen zur Sprache kommen, und derlei Abwehrhaltung erfährt man – mehr oder minder schroff formuliert – im Bekanntenkreis immer häufiger. Obwohl alle unzufrieden sind und sich zwei Drittel der Bürger über eine mangelnde Meinungsfreiheit beklagen, zieht man sich lieber zurück. Mit „Nein, ich brauche meinen Frieden“ angeblich noch nicht mal resignierend, in Wahrheit aber schon.
Die Spaltung hat ganze Arbeit geleistet. Die Lust, sich verbal im Diskurs zu fetzen und zu streiten, schwindet ebenfalls – auch hier wegen verstärkt durch Zensurängste. Fragt man tiefer nach, dann landet man nämlich schnell pauschal in der rechten Ecke und gerne auch bei den Nazis. Womit sich dann jegliche weitere Diskussion erübrigt. Doch ohne Diskussion gibt es keinen Pluralismus, und ohne diesen funktioniert keine Demokratie. Aus welchen Gründen aber stößt man vor allem auf diese Ignoranz für das, was der andere denkt?
Wer Unfreiheit erlebt hat, weiß die Freiheit zu schätzen
Wieso hört man dieses „Das interessiert mich nicht“ oft? Ich erkenne dafür drei Ursachen:
- Die einen haben noch nie erlebt, was die Abwesenheit von Freiheit, Sicherheit und Wohlstand bedeutet – und sie wissen nicht, daß nur eine wirklich nach allen Seiten offene Demokratie und die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung (FDGO), ohne “Brandmauern” und Kriminalisierung von Gegenmeinungen als “Extremismus”, dies alles über einen so langen Zeitraum von 75 Jahren ermöglicht haben.
- Andere wiederum hängen dem Wokismus von links an, der den Selbsthass auf alles irgendwie Deutsche pflegt und deshalb auch das Desinteresse daran befördert.
- Der Rest ist einfach nur wohlstandsverwöhnt, apolitisch, passiv und bequem.
Menschen in der ehemaligen DDR und auch Migranten aus islamischen und/oder totalitären Ländern haben Unfreiheit erlebt und wissen deshalb deshalb die Freiheit unseres demokratischen Rechtsstaates wertzuschätzen. Sie engagieren sich und machen im Zweifel auch den Mund auf – weil der Erhalt dieser als eben nicht selbstverständlich erkannten Freiheit in ihrem höchsten Interesse liegt. Hierzu ein beeindruckendes Beispiel: Die aus Afghanistan gebürtige Schriftstellerin Mariam Kühsel-Hussaini macht über ihre Romane den Bürgern Mut, sich für die Grund- und Freiheitsrechte hierzulande einzusetzen. Auf die Frage „Was macht Ihrer Ansicht nach das wahre Deutschland, das Sie da beschwören, aus?“ antwortet sie: “Deutschland will lieben und geliebt werden. Bei Heine küßt und spricht sogar das Veilchen deutsch
– das küßte mich und sprach auf Deutsch: ich liebe dich!” Ein „Das interessiert mich nicht“ käme Mariam Kühsel-Hussaini wohl niemals über die Lippen.
Die Jugend: „Das interessiert mich!“
Ehemalige Gastarbeiter, die Integration immer als ihre Bringschuld aufgefasst haben – wie auch ihre Kinder, denen sie diese Haltung aus eigenem Antrieb vermittelten –, konnten sich ein „Das interessiert mich nicht“ niemals erlauben. Sie waren gezwungen, sich in das gesellschaftliche Leben hierzulande einzubringen, so wie es Migranten in den Einwanderungsländern USA, Kanada und Australien heute noch tun – weil sie sonst untergegangen wären. Sie haben sich – ohne Bürgergeld inklusive voller Gesundheits- und Altersversorgung plus Warmmiete auf Staatskosten – in Deutschland einen Wohlstand erarbeitet, auf den sie zu Recht stolz sein können.
Zuversichtlich macht, daß man dieses „Das interessiert mich nicht“ seitens der jungen Generation immer seltener hört. Auch nach der aktuellen Shell-Jugendstudie nimmt deren Politikverdrossenheit ab und ihr Interesse am politischen Geschehen zu. Das ist verständlich, da gerade sie abends und nachts eben nicht so wie die Älteren in ihren ruhigen, oft vornehm abgeschiedenen Wohnvierteln des wohlstandsbürgerlichen Establishments verweilen, sondern draußen im öffentlichen Raum unterwegs sind, wo längst junge Männer herrschen, die – wie teils schon ihre – Eltern in islam-patriarchalen Gesellschaften sozialisiert worden sind.
Anspruch auf Unbekümmertheit
In der kognitiven Dissonanz zwischen dem, was sie vom Schulhof bis zur Disco selbst erleben, und dem, was ihnen von Politik und Medien vermittelt wird, hat die Alterskohorte der 16- bis 24-Jährigen erkannt, daß es um die Freiheit, Objektivität und Ausgewogenheit der konventionellen Medienlandschaft in Deutschland – anders übrigens als mittlerweile in Frankreich und Italien – äußerst dürftig bestellt ist. Unser zwangsfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk wie auch die teilweise subventionierten Mainstreammedien sind zu Claqueuren der jeweiligen Berliner Regierung geworden. Kritik wird (in dieser Eskalationsstufe) als rechts, rechtsextrem, rechtsradikal, Nazi diffamiert. Dabei gilt nach wie vor das grundlegende Diktum von Hannah Arendt: „Die Pluralität der Meinungen ist der Motor der Demokratie“, ebenso wie auch Rüdiger Safranskis Aussage „Wo es links gibt, muß es auch rechts geben und umgekehrt“ und natürlich Rosa Luxemburgs Weisheit “Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden”. Da die Medien grotesk einseitig sind, werden abweichende Meinungen heute vornehmlich übers Internet verbreitet (und eben aus diesem Grund versuchen EU und Bundesregierung hier auch, die Zensur in immer neue Höhen zu schrauben).
Neben den sozialen Medien sind daher Portale wie “Apollo-News”, eine Nachrichtenpattform von rund zwei Dutzend Jungjournalisten aus Berlin, oder auch der Schweizer “Kontrafunk” bevorzugte tägliche Informationslieferanten und Favoriten zahlreicher junger Menschen. Auch die von Dushan Wegner betriebene Übersichtsseite zu 30 deutschsprachigen Polit-Seiten, deren Links alle 15 Minuten mit aktualisiert werden, nutzen viele in der jüngeren Generation. Natürlich hat man als Jugendlicher einen Anspruch auf ein sorgenfreies Aufwachsen und auf eine gewisse Unbekümmertheit. Aber: Die aktuelle Politik des Schuldenmachens wälzt die Probleme und Lasten der Gegenwart auf die Zukunft ab, also auf die nachwachsende Generation. Und dies erfahren auch die 16-Jährigen. Zwar nicht im ZDF (dort redet man ihnen eher Klima-Angst ein), sondern zunehmend auf Instagram oder dem ach so vielgeschmähten TikTok, in entsprechenden Storys und Kurzbeiträgen.
Generation AUS – Apotheke, Urlaub, Sucht
Ganz im Gegensatz dazu verhält sich die Generation der Alten und saturierten Ruheständler, die diesen Anspruch auf Unbekümmertheit für sich selbst geltend machen – und dabei mit Pensionen bzw. Renten in einer Höhe ausgestattet sind, die die nachfolgenden Alten der Zukunft in Deutschland nie mehr erreichen werden. Die Devisen vieler in dieser Altersgruppe lauten, überspitzt formuliert:
- “Ich bin ja so positiv und optimistisch!”
- “Es gibt nur eine Wahrheit und die heißt Ampel-Regierung (oder wer gerade regiert).”
- “Wir sind in Deutschland so ein reiches Land…”
- “Lasst uns in Ruhe mit eurem alternativen Hinterfragen und Diskutieren!” (oft variiert durch den Hinweis “Man kann ja vieles kritisieren, doch hört auf mit dieser Miesmacherei.”)
Henryk M. Broder, der jüdische Publizist, Journalist und Gründer der “Achse des Guten”, hat diese Grundhaltung einmal als „realitätsfernen Optimismus“ beschrieben und darauf hingewiesen, daß die jetzige Generation der Alten diese Devise benutzt, um ihre Flucht vor Verantwortung und ihr faktisches Schmarotzertum zu Lasten der Jüngeren als “Generation AUS” (Apotheke, Urlaub, Sucht) zu kaschieren. „Das interessiert mich nicht“, sagt der realitätsferne Optimist.
Der Staat: „Das hat Sie aber zu interessieren!“
Wie der private Bekanntenkreis unterbinden auch Politik und Mainstreammedien die Diskussion – nur wird dabei ein privates „Das interessiert mich nicht“ ersetzt durch ein staatliches „Das hat Sie aber zu interessieren“. Allerdings soll sich das Interesse dabei nicht auf die wirklichen, realen Probleme richten, sondern auf das, was der Staat und die Medien des betreuten Denkens verlangen – und dazu werden die Bürger vom polit-medialen Komplex mit den verschiedensten Instrumenten von Nudging, Umerziehung, “Demokratieförderung”, “Aufklärung” inklusive “Wahrheitschecks” und “Faktenfindern”, Pädagogisierung, Propaganda, Kampagne, “Kampf gegen Desinformation” und Instruktion konfrontiert – auch über Zeitungsanzeigen, TV-Spots, Websites, Plakate und Polit-Talks auf Steuer- und Gebührenzahlerkosten. Wie die Waschmittelindustrie ihr Ariel, so bewirbt die Bundesregierung über die von ihr finanzierten Nichtregierungsorganisationen und Hofmedien die Kampagne „unsere Demokratie“ mit Millionenbeträgen. In 2023 wurden allein 182 Millionen Euro an Steuergeldern für das linksaktivistische NGO-Alimentierungsprogramm „Demokratie leben!“ ausgegeben.
Nachdem Religion, Nation und die „westlichen Werte“ kaum mehr gelten, stellt sich die Frage, worauf sich der säkulare demokratische Staat überhaupt noch gründet. Worin findet er die ihn tragende, homogenitätsverbürgende Kraft, wie sollen die inneren Regulierungsmechanismen der Freiheit, deren er bedarf, noch wirken, nachdem die Bindungskraft der Religion für ihn nicht mehr essentiell ist und sein kann? Der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde antwortete auf diese Frage bereits 1967 in dem später nach ihm benannten “Böckenförde-Diktum” wie folgt: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“
Nur mündige Bürger mit demokratischer Teilhabe bewahren uns vor Tyrannei
Sinngemäß bedeutet das: Die FDGO kann nur bestehen, wenn die Bürger die ihnen gewährte Freiheit auch nutzen, um sich für ihre FDGO einzusetzen. Sei es durch Partizipation am gesellschaftlichen Diskurs (Diskussionskultur) oder durch die Bereitschaft, selbst Verantwortung zu übernehmen (aktives und passives Wahlrecht). Wenn jedoch „Das interessiert mich nicht!“ zum vorherrschenden Statement wird, dann wird die FDGO zur Farce und die Demokratie wandelt sich letztendlich über eine Zwischenstufe der Postdemokratie in einen neuen Totalitarismus.
Letztlich verbirgt sich hinter „Das interessiert mich nicht“ die alles entschuldigende Ausflucht „Keine Ahnung“ – und die Ahnungslosen waren schon immer die besten Untertanen, in welchem totalitären System auch immer.
Die Demokratie ist die beste, wenngleich für seine Bürger auch anstrengendste Staatsform. Denn diese sind als mündige Individuen gefordert, sich in einer pluralen Gesellschaft mit ihrer eigenen Meinung einzubringen, um so zum „Consent of the Governed“ beizutragen. Verzichten die Bürger auf ihre Mündigkeit, hören sie auf miteinander zu reden, zu streiten oder sich zu “interessieren”, verschanzen sie sich hinter “Brandmauern” und dann landen sie über kurz oder lang in einer Diktatur. Und dort wird dann ihr „Das interessiert mich nicht“ die da oben garantiert überhaupt nicht mehr interessieren.