Wie zu erwarten, sind die Reaktionen auf die Lindner-Papiere überwiegend negativ:
Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch hat Christian Lindner und sein neues Grundsatzpapier kritisiert. „Das Papier ist eine Nebelkerze“, sagte Audretsch dem Nachrichtenportal „T-Online“ am Freitag.
„Wichtiger wäre es, dass sich der Finanzminister um den Haushalt kümmert. Die Lindner-Lücke liegt schon jetzt im zweistelligen Milliardenbereich. Nun schlägt der Finanzminister vor, die Lindner-Lücke um einen weiteren hohen Milliarden-Betrag zu vergrößern.“ Das funktioniere in FDP-Beschlüssen, nicht in der Wirklichkeit.
Der Haushalt sei die zentrale Aufgabe des Finanzministers, so Audretsch. „Es wäre wichtig für das Land, dass sich der Finanzminister nun ernsthaft dieser Verantwortung stellt und konstruktive Vorschläge macht.“
Mit massiver Kritik hat auch die SPD-Bundestagsfraktion auf das neue Grundsatzpapier von Finanzminister Christian Lindner (FDP) reagiert. „Wir brauchen jetzt keine Papiere, sondern gemeinsames Handeln, um der Industrie schnell zu helfen und Sicherheit zu geben“, sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der Fraktion, Martin Rosemann, dem „Tagesspiegel“ (Samstagausgabe). „Vor allem brauchen wir keine Opposition in der Regierung.“
Als „neoliberale Phrasendrescherei“ bezeichnete Nils Schmid (SPD), der frühere Finanz- und Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg, das Papier. Der FDP-Minister bleibe Antworten schuldig zu den drängenden Fragen, wie Industriearbeitsplätze über einen gesenkten Strompreis für energieintensive Branchen erhalten werden könnten. Und dort, wo Lindner konkret werde, sei das Papier „nicht vereinbar mit Koalitionsvertrag“.
Auch von Haushältern kommt Kritik. „Einige Tage vor der US-Wahl und der Erstellung des Bundeshaushalts sollte der Finanzminister nicht einen öffentlichen, unabgestimmten Überbietungswettbewerb an großteils nicht finanzierten Wohltaten starten und für Unsicherheit im Land sorgen“, kritisierte der Haushaltspolitiker Andreas Schwarz (SPD). „Es wäre sinnvoller, die Kraft würde für die noch offenen Fragen im Bundeshaushalt 2025 verwendet werden.“
Hinsichtlich des parallel von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplanten „Pakts für die Industrie“ sagte Schwarz weiter, dass das Nebeneinander verschiedener Vorschläge aus der Regierung schädlich sei. „Wenn jetzt jeder sein Ding macht, kann man nicht erwarten, dass am Ende etwas Großes rauskommt – der deutsche Wahlkampf ist erst nächstes Jahr.“
Grünen-Chef Omid Nouripour hat ebenfalls skeptisch auf das neue Grundsatzpapier von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner zur Wirtschaftspolitik reagiert. „Wir Grüne sind jederzeit bereit, ernst gemeinte Vorschläge der Koalitionspartner zum Wohle unseres Landes zu diskutieren“, sagte Nouripour dem Nachrichtenportal „T-Online“ am Freitag. „Zum Ergebnis kommt man am Ende dann, wenn die Vorschläge der Ernsthaftigkeit der Lage gerecht werden.“
Die Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner (CDU) holt noch etwas mehr aus und hat den Zustand der Ampel-Koalition nach dem neuesten Vorstoß von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zur Wirtschaftspolitik scharf kritisiert. „Es wird immer unübersichtlicher – jeder bringt sein Positionspapier raus, jeder hat seine eigenen Wirtschaftsrunden, aber nichts passt zusammen“, sagte Klöckner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben). „Es ist einfach absurd und unwürdig für ein Land mit einer solchen Volkswirtschaft, wie seine Regierung sich benimmt.“
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion stellte den Fortbestand der Ampel infrage. „Entweder die Drei reißen sich jetzt zusammen und kommen endlich ins Machen – wofür sie bezahlt werden – oder der Kanzler beendet den Spuk“, sagte Klöckner. „Aber so laufen lassen, das ist unverantwortlich.“
Die Union nutzt die Gelegenheit und fordert mal wieder Neuwahlen in Deutschland. „Es wird Zeit, dass die Regierung endlich den Weg frei macht zu Neuwahlen“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). „Es wäre der letzte Dienst, den sie unserem Land erweisen könnte.“
Das Dokument sei „die ultimative Scheidungsurkunde“, so Frei. „Nach dieser Klatsche kann Olaf Scholz wohl kaum zur Tagesordnung übergehen.“ Lindner analysiere nicht nur „messerscharf die verheerende ökonomische Situation unseres Landes, sondern zeigt mit seinen angebotspolitischen Lösungsvorschlägen auch schonungslos die Sollbruchstellen der Koalition auf“.
Zurecht positioniere sich der FDP-Chef gegen die grundsätzlichen Ausrichtungen der Ampel und stelle mehrere Gesetzesvorhaben infrage, die bereits angelaufen seien. „In dieser Chaos-Koalition passt nichts mehr zusammen“, sagte Frei.
Man darf gespannt sein, wie Lindner jetzt reagiert. Er müsste eigentlich schon vorher gewusst haben, dass seine Partner da nicht mitspielen. Aber ob er jetzt wirklich die einzige logische Konsequenz zieht, bleibt trotzdem fraglich. (Mit Material von dts)