Das Oberlandesgericht im Rheinland-pfälzischen Zweibrücken hat die Meinungsfreiheit ein weiteres Stück noch weiter kastriert, indem es den „Majestätsbeleidigungsparagraphen“ 188 auf Politikerbeleidigungen ausdehnt. Jetzt zählt nur noch der Inhalt, nicht mehr die Reichweite des Beitrags. Das bedeutet, selbst kleine Social-Media-Konten werden künftig für scharfe Kritik an Politikern zur Rechenschaft gezogen – freie Meinungsäußerung adé.
Im Jahr 2021 postete ein Mann aus Kaiserslautern auf seinem öffentlichen Facebook-Profil eine abfällige Bemerkung über Angela Merkel: „Merkel im Ahrtal…dass sich die dumme Schlampe nicht schämt…“, ergänzt mit sieben Kothaufen-Emojis. Ein klarer Fall von Wutbürger, könnte man meinen. Doch nun zieht dieser Meinungsausbruch juristische Konsequenzen. Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschied, dass der Mann sich nach § 188 Strafgesetzbuch (StGB) – dem „Majestätsbeleidigungsparagraphen“ – strafbar gemacht hat (Urt. v. 30.09.2024, Az. 1 ORs 1 SRs 8/24), berichtet hierzu das Portal Lto. Wer also künftig Politiker beleidigt, riskiert eine Strafverfolgung – egal, wie klein seine Reichweite ist.
Zuvor hatte das Amtsgericht Kaiserslautern den Mann verurteilt, weil es die Äußerung als eindeutige Beleidigung betrachtete. Doch das Landgericht Kaiserslautern hob das Urteil auf: Die Reichweite des Facebook-Posts sei zu gering, um eine Strafbarkeit zu begründen. Außerdem fehle es an einem Strafantrag von Merkel. Aber das OLG Zweibrücken sah das anders und zog die Daumenschrauben weiter an: Für § 188 StGB komme es nur auf den Inhalt der Äußerung an – nicht auf die Reichweite. Damit ist klar: Auch kleine, unauffällige Posts in den sozialen Medien können jetzt als Straftat gewertet werden.
Das OLG Zweibrücken hat damit einen gewaltigen Angriff auf die Meinungsfreiheit im Netz gestartet. Der § 188 StGB, ursprünglich dazu da, die Ehre von Staatsoberhäuptern zu schützen, wird jetzt auf alle Politiker ausgeweitet – und das unabhängig davon, wie viele Menschen den Beitrag überhaupt sehen. Wer also eine Politikerin oder einen Politiker scharf kritisiert, läuft Gefahr, dafür vor Gericht zu landen. Was als Meinungsäußerung gilt, könnte nun schnell als Beleidigung bewertet werden – und das, obwohl sich der Beitrag nur an ein kleines Publikum richtet.
Natürlich wird damit der politische Diskurs weiter eingeschränkt. In einer Demokratie muss es möglich sein, auch scharfe, direkte Kritik an der politischen Klasse zu üben, ohne sofort mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen zu müssen. Wer denkt, dass in einer offenen Gesellschaft jeder für seine Meinung einstehen kann, der wird hier eines Besseren belehrt: Politiker sind offenbar zunehmend „heilig“, und wer sich wagt, diese zu kritisieren, wird schnell zum „Hassprediger“ gestempelt.
Die Entscheidung des OLG bedeutet, dass sich viele Social-Media-Nutzer künftig doppelt überlegen werden, ob sie politisch unbequem werden. Wer will schon Gefahr laufen, für einen provokanten Kommentar hinter Gittern zu landen? Statt einer freien und offenen Debatte wird es zu einer „angepassten“ Diskussionskultur kommen, bei der jeder Schritt und jeder Kommentar auf die Goldwaage gelegt wird. Das Ergebnis: Zensur, Selbstzensur und letztlich eine Verflachung des öffentlichen Diskurses.
Was bleibt, ist der bittere Geschmack, dass der Staat zunehmend die Zügel anzieht und die freie Meinungsäußerung unterdrückt, sobald sie unbequem wird. Denn eines ist klar: Wenn der Schutz von Politikern vor der scharfen Zunge des Volkes wichtiger wird als das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, dann steuern wir auf eine gefährliche Entwicklung zu. Wo bleibt der Raum für echte politische Auseinandersetzungen, wenn jede auch noch so scharfe Kritik als Straftat gewertet wird? Die Entscheidung des OLG könnte der Anfang einer neuen Ära der politischen Zensur sein.