Neuerdings wird in Deutschland so getan, als bräuchte man überhaupt keine parlamentarische Mehrheit (die einst sakrosankte “Kanzlermehrheit”) mehr, um zu regieren. Olaf Scholz ist eine politische Leiche, er hat seit gestern Abend keine Mehrheit mehr im Bundestag – aber bei Querlektüre der Medienschau heute früh gewinnt man glatt den Eindruck, es herrsche so etwas wie Aufbruchstimmung: Da werden Ministerien neu vergeben, da werden Gesetzesvorhaben und Beschlüsse angekündigt und es wird allseits so getan, als sei Scholz trotz Ampel-Aus weiterhin legitimer Kanzler, ja, als könnten SPD und Grüne nun endlich ohne die liberalen Störenfriede das tun, woran sie von Lindner und Co. all die Jahre gehindert worden seien.
Nicht die Fragen, wie es jetzt mit Deutschland weitergeht, wie die Agonie beendet und endlich ein überfälliger politischer Neuanfang für das Land herbeigeführt werden kann, dominiert die Schlagzeilen – sondern wer in der Ampel weiterhin welche Posten innehat, wer die vakant gewordenen Ministerien nebenher noch zusätzlich mit übernimmt und was diese schon bisher fußlahme jetzt komplett querschnittsgelähmte Trümmertruppe als Nächstes zu tun gedenkt. Was hier abgeht, ist gespenstisch – und völlig surreal, vergleicht man es mit dem, was nach dem letzten Koalitionsbruch 1982 geschah: Damals erfolgte – wie ja auch vom Grundgesetz vorgesehen – sofort eine neue Kanzlerwahl per konstruktivem Misstrauensvotum, und die neue Regierung setzte dann Neuwahlen nach geordnetem Übergang an. Minderheitsregierungen waren und sind in Deutschland an sich nicht vorgesehen, es sei denn, sie fänden zumindest eine fraktionsübergreifende Arbeitsmehrheit – doch die kann sich Scholz abschminken. Dennoch wird hier so getan, als könne erstmal alles beim Alten bleiben.
Es bräuchte gar keine Neuwahlen für eine andere Politik
Warum ist das exakt für solche Krisen von den Vätern des Grundgesetzes vorgesehene, konstruktive Misstrauensvotum heute nicht möglich? Deshalb: Weil idiotische “Brandmauern” das Land hemmen, die die Pflicht zum sachlich-inhaltlichen parteiübergreifenden Finden von Kompromissen sabotieren und selbst bei weitgehender Übereinstimmung in entscheidenden Fragen, wie es sie zwischen Union und AfD vielfach gibt, eine Kooperation verhindern. Demokratieverachtender geht es nicht mehr. In einem politischen System wie der Bundesrepublik, das eben kein Mehrheitswahlrecht mit zwangsläufig stabilen Verhältnissen, sondern ein Verhältniswahlrecht mit der impliziten Pflicht zum Herbeiführen eines Ausgleichs kennt, ist so etwas ein Ding der Unmöglichkeit.
Tatsächlich nämlich bräuchte es für eine stabile neue Regierung nicht einmal Neuwahlen – ebensoso wenig, wie es vor gut drei Jahren die Ampel hätte geben müssen. Denn – und man muss das den Menschen hier immer wieder in Erinnerung rufen – CDU/CSU, FDP und AfD hätten gemeinsam mit den parteilosen Ex–AfD–Abgeordneten sofort, heute noch, rechnerisch eine absolute Regierungsmehrheit und könnten eine bürgerliche Koalition bilden. Auch ein Kompromiss zwischen diesen wäre, ginge es allein um Positionen und Inhalte, schneller gefunden als bei jeder anderen denkbaren Koalition. Doch der halluzinogene Wahnsinn, in der AfD eine Wiederkehr des Nationalsozialismus oder eine rechtsextreme undemokratische Bedrohung zu erkennen, verunmöglicht diese nächstliegende Vernunftlösung – zum größten Schaden des Landes. Wäre es anders, dann wären Scholz, Habeck und alle anderen schlagartig Geschichte – genau so, wie sie unter den selben Voraussetzungen bereits nach den Wahlen 2021 niemals an die Regierung gelangt wären. Und genau daran zeigt sich auch schon, wie infantil, verantwortungslos, kleinkariert, borniert, ideologieverseucht und verlogen die deutsche Politik unserer Zeit ist: Spaltung und Ostrazismus, bolschewistisches Freund-Feind-Denken, Hetze und politische Scheuklappen verhindern jedes demokratische Miteinander und untergraben den vom Grundgesetz vorgesehenen Zwang zum konstruktiven Kompromiss.
Merz-Kalkül nicht minder niederträchtig wie das von Scholz
Wenn nun Friedrich Merz von Olaf Scholz für die kommende Woche die Vertrauensfrage fordert (die Scholz, hätte er auch nur einen Funken Anstand, eigentlich von selbst heute noch stellen müsste), dann geschieht dies natürlich aus eigenem machttaktischen Kalkül und mit der unerklärten Absicht, selbst seinen persönlichen “Lebenstraum Kanzler” zu verwirklichen und dazu die grünen Minister als Scharnier und Kontinuitätsgarant zur Fortsetzung der bisherigen Transformationspolitik im Amt zu belassen, während ansonsten einfach nur der Rest des Kabinetts ausgetauscht wird. Das ist kein Politikwechsel, das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Mit den Grünen im Schlepptau nehmen sich Scholz und Merz nichts. Deshalb hat “Nius”-Journalist Ben Brechtken auch recht, wenn er schreibt: “Ich kann mich nicht wirklich darüber freuen, dass die Ampel kaputt ist. Denn ich bin mir nicht sicher, ob die Deutschen und die Union die eine wichtige Lektion gelernt haben, ohne die Neuwahlen nichts bringen werden: SPD und Grüne sind sozialistische Linksaußen-Partien, die NICHT in der nächsten Bundesregierung sitzen dürfen. Unter keinen Umständen.” Und Brechtken weist auch darauf hin, wofür diese Parteien stehen:
Für die Aussetzung der Schuldenbremse trotz Rekordsteuereinnahmen. Für einen dreijährigen politischen Höllenritt zum Zweck der Zerstörung der deutschen Industrie, Kujonierung der Wirtschaft und Verarmung der Bürger durch beispiellose Umverteilung von unten nach oben, über ohne Not durch politisches Verschulden hochgetriebene Strompreise. Für eine Politik der Energiezerstörung, der Energieplanwirtschaft, der totalen Ideologie, die für den zugleich teuersten und dreckigsten Strom verantwortlich ist. Für die ökosozialistische Transformation ohne Rücksicht auf die damit einhergehende vollständige Wohlstandszerstörung. Für einen moralischen Imperialismus und Weltrettungswahn zulasten der deutschen Steuerzahler. Für Zensur, gegenseitige Bespitzelung und Beargwöhnend der Bürger, Zerstörung des sozialen Friedens und Abschaffung der Meinungsfreiheit. Für strafrechtliche Verfolgung und Einschüchterung von jedem, der sich zu kritisch über die Regierung äußert (selbst “unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“). Für Islamisierug und Zerstörung der eigenen Kultur durch unbegrenzte Masseneinwanderung bei gleichzeitiger Anbiederung an Antisemiten und Islamisten. Für eine Unterwanderung von Staat und Justiz durch beinharte Ideologen. Für Wohnungsnot, kaputte Straßen und Infrastruktur bei Rekord-Abgabenlast ohne adäquate Gegenleistung des Staates. Für Armutsrente, ein immer schlechteres Bildungssystem, unpünktliche Züge, monatelange Wartezeiten bei Fachärzten oder Handwerkerterminen. Für Männer in Frauenumkleiden, für die Verstümmelung von Jugendlichen und die Verleugnung biologischer Tatsachen.
Brechtken schließt: “Es sind Parteien, die keinen Respekt vor dem Wähler haben und jetzt noch zwei Monate ohne jedes demokratische Mandat weiterregieren wollen. Wenn auch nur eine dieser Parteien in der nächsten Regierung auch nur einen Ministerposten bekommt, sind die fundamentalen Reformen, die Deutschland braucht, völlig unmöglich. Wenn die Union mit einer dieser Parteien koaliert, wird die Union 2029 keine Volkspartei mehr sein und Deutschland am Boden liegen.”
Rückgratlosigkeit ist Frage des Parteibuchs
Doch so wird es wohl kommen – und bis es so weit ist, machen “Scholz & Friends” einfach weiter wie bisher. Entgegen ursprünglicher Ankündigungen, dass Wirtschaftszerstörungsminister Robert Habeck auch das Finanzministerium von Christian Lindner übernehmen soll, wird dieses nun doch an Jörg Kukies gehen, einen kritiklosen Domestiken Scholz‘ und bisher dessen Berater und Staatssekretär im Kanzleramt. Er ist somit genau der “richtige” Mann, um nach dem Willen seines skrupellosen Herrn die Schuldenbremse zu killen, die nächste von den Sozen herbeigesehnte Neuverschuldungsexplosion Deutschlands vorzubereiten und einen verfassungswidrigen (Not-)Haushalt durchzupeitschen. Gefährlich, richtig gefährlich dagegen ist, dass die Linksextremistin Nancy Faeser, die auf das Grundgesetz pfeift, nun auch noch das Justizministerium mitübernehmen soll. Ressortübergreifende Unfähigkeit in Personalunion: Schlimmer geht immer. Dafür gibt es nun einen ersten Karriere-Judas: Verkehrsminister Volker Wissing. Weil der FDP-Minister so sehr am Sessel klebt wie Fliegen an einem Misthaufen, fällt er seiner eigenen Partei in den Rücken und verbleibt – “auf Bitten Scholz”, wie es heißt – weiter Amt. Die Erhöhung seiner Pensionsansprüche ist Wissing soviel wert, dass er dafür sogar seine Partei verlässt. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, welche charakterlosen Subjekte in diesem Deutschland Verantwortung tragen, und dass Rückgratlosigkeit keine Frage des Parteibuchs ist: Voilà.
Der maximal Blamierte jedoch ist Christian Lindner, der, wie böse Zungen munkeln, sogar beim Scheiße bauen Scheiße baut: Abgesehen davon, dass er sich niemals auf den Teufelspalt Ampel hätte einlassen dürfen, hätte er immer wieder Gelegenheit gehabt, die Notbremse zu ziehen und sich somit einen Rest von Würde und eigene Existenzsicherung zu wahren. Doch er schluckte alles und verstrickte sich schuldhaft immer tiefer in die grünideologische Horrorbilanz dieser Regierung: Atomausstieg, Versuch der Durchsetzung der Impfpflicht, Selbstbestimmungsgesetz, verfassungswidrige Zweckentfremdung des 60-Milliarden-Corona-Fonds für Klimawahnpolitik.
Der Dumme ist Lindner
Alles machte Lindner mit, bis er dann – unten dem Eindruck der Ausradierung seiner Partei bei den Ostwahlen – Fracksausen bekam und sich endlich zum Aus quälte. Doch selbst das tat er nur halbherzig und stümperhaft: Indem er letzte Woche die “Scheidungspapiere” in Form seines Wirtschaftsdossiers eingereicht und damit das absehbare Ende eingeläutet hatte, gab er die Initiative aus der Hand – und überließ das Momentum voll der SPD. Statt an der Koalitions-Krisenkonferenz von gestern Abend teilzunehmen, hätte Lindner ohne Ankündigung, im Alleingang mit seinen Ministern, vor die Kameras treten müssen, seinen Rücktritt erklären und eine Brandrede halten müssen, warum die FDP jetzt (spät, aber immerhin) die Notbremse zieht. Das hätte SPD und Grüne gehörig brüskiert, der Bevölkerung den Ernst der Lage verdeutlicht und gezeigt, dass die FDP noch so etwas wie in politisches Gewissen hat, was ihr vielleicht noch die lebensrettende Anerkennung eingebracht hätte. So aber ermöglichte er Scholz, eine sorgfältig vorbereitete, geplante Inszenierung durchzuziehen – samt Ultimatum und markiger Entlassung Lindners. Ja: Nicht Lindner warf am Ende hin – sondern Scholz schmiss ihn raus. So jedenfalls kommt es beim deutschen Michel an, und jetzt inszeniert sich Scholz sogar noch als Hintergangener, der nur konsequent gehandelt habe – und macht gemeinsam mit Prätorianermedien Lindner zum Sündenbock. Auch wenn ihm und seinem Vize Habeck immer weniger Menschen glauben, sind es doch immer noch genug, die diesem unsäglichen Kanzler seine noch unsäglichere Selbstinszenierung als ehrlicher Makler und verantwortungsbewusster Steuermann abkaufen. Deshalb wird dieses Aus, so überfällig es war, die FDP nicht mehr retten.
Und nun zeigt Scholz plötzlich mehr Aktionismus und Tatendrang als irgendwann zuvor in den letzten drei Jahren: Nach dem leicht paraphrasierten Motto des einzigen noch zerstörerischeren Kanzlers der deutschen Geschichte – “Gebt mir sechs Monate Zeit und ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen” – will er nun auf den letzten Metern handstreichartig, im Hauruckverfahren, möglichst viele vollendete Tatsachen schaffen. Die Frage, die sich dabei stellt, ist die: Wer ist schneller? Trump mit seinen angekündigten politischen Erdbeben von Ukraine bis möglichem Wirtschaftskrieg, die der deutschen Transformationspolitik den Boden unter den Füßen wegziehen wird? Oder die Ampel, die nun ein politisch fait accompli schaffen will, um die Weichen weit über ihre Restlaufzeit hinaus zu stellen? Dass Scholz sich nicht vorkommendem Frühjahr Neuwahlen stellen will (womöglich sogar überhaupt nicht mehr noch vor dem regulärem Ende der Legislatur), um bis dahin um jeden Preis den Great Reset einzuzementieren will, erscheint vor diesem Hintergrund schlüssig.
Scholz’sche Anmaßungen
Und so erklärt Scholz in seiner gestrigen Videoansprache dummdreist, es müsse “beides möglich sein”: Sowohl über die bereits verbrannten 30 Milliarden für die Ukraine (plus einen fast ebenso hohen deutschen Anteil an EU-Zuwendungen) hinaus weiter Schecks für Kiew zu schreiben, als auch weiter ungebremste soziale Wohltaten für alle Welt inklusive Flüchtlingsalimentierung (einschließlich 1,2 Millionen Ukrainern) zu garantieren. Woher das Geld dafür kommen soll, ist sekundär – weil es “richtig” ist; dann wird eben auf Kosten kommender Generationen die Schuldenbremse abgeräumt. Der Größenwahn kennt keine Grenzen, vor allem in der SPD nicht. Rot-Grün auf Abruf will und wird nun das im Schnelldurchlauf realisieren, was sie sich vorgenommen haben – auch wenn sie keine parlamentarische Mehrheit mehr haben – und zwar ohne jede Rücksichtnahme. Scholz-Genosse Michael Roth schwafelt da im “Spiegel” ganz offen, nach der Trump-Wahl müsse ein drohender Diktatfrieden für die Ukraine um jeden Preis verhindert werden. Ansonsten müsse man den USA eben sagen: “Wir sind bereit, die komplette Unterstützung der Ukraine finanziell zu schultern. Das ist unser Angebot.” Das wären dann eben nochmal 100 oder 200 Milliarden – auf Kosten der ausgepressten Deutschen, für die im eigenen Land nichts mehr übrigbleibt, und was doch, dürfen sie auf Pump dann eben doppelt bezahlen. Das ist eigentlich lupenreiner Hochverrat am eigenen Land. Doch für Sozen spielt die Herkunft von Geldern keine Rolle; Schulden und notfalls Enteignungen als “alternativlose” Maßnahmen sind keine Tabus mehr. Man wird hier alles tun, um zulasten Deutschlands die Ideologie mit der staatlichen Gießkanne zu verstetigen. Speziell über Roth kommentiert Peter Borbe: “Michael Roth würde wirklich alles opfern, um den Krieg am Laufen zu halten. Er würde lieber deutsche Rentner verhungern sehen, als einen Friedensschluss in der Ukraine zu dulden.”
Welcher Realitätsverlust in der SPD herrscht, zeigt das Statement von SPD-Co-Chefin Saskia Esken, die nach dem Auseinanderbrechen der Koalition ernsthaft damit rechnet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz im Fall von Neuwahlen erneut als Kanzlerkandidat antreten und siegreich sein werde. Bis jedoch auch diese Wahnvorstellungen an der Wirklichkeit zerschellen, sollen die Dogmen der Ampel-Politik erst einmal weiter gelten, auch wenn es gar keine Ampel mehr gibt: Aufrüstung und Weiterführung des Ukraine-Krieges; Fortführung der grünen Transformationspolitik; zunehmenden EU-Zentralismus als Gegenentwurf zu Donald Trumps Libertarismus. AUF1-Nachrichtenchef Martin Müller-Mertens bringt es auf den Punkt: “SPD und Grüne wollen in den verbleibenden Monaten die Politik der Transformation in Beton gießen. In der Phase ihrer Agonie wird die Politik der Scholz-Habeck-Regierung also noch aggressiver und radikaler. Es droht ein politischer Amoklauf.” Müller-Mertens spricht auch noch einen weiteren wichtigen Aspekt in dieser heiklen Phase an: Wie sich nämlich die AfD jetzt verhalten soll. Sie müsse wachsam bleiben – und dürfe keinen Anpassungskurs an die System-Union fahren und sich als Koalitionspartner andienen. Im Gegenteil: “Gerade weil eine Fortsetzung der Transformationspolitik unter Merz sicher ist, würde jede Annäherung nur die Selbstzerstörung der Opposition bedeuten.” Diese Standfestigkeit wird sich früher oder später auszahlen und könnte ihr dereinst womöglich, einen hinreichenden Leidensdruck der Bevölkerung vorausgesetzt, eine heute illusorisch erscheinende absolute (Kanzler-)Mehrheit bescheren. Mit Sicherheit noch nicht bei den nächsten Wahlen, ob diese nun als vorgezogene Neuwahlen oder regulär um nächsten September stattfinden – aber vermutlich dann bei den übernächsten. Bis dahin steigt Deutschland immer tiefer ins Tal der Tränen hinab. (DM)