Autor Christian Baron: Als Polit-Analyst seiner Heimatstadt definitiv durchgefallen (Foto:ScreenshotYoutube/SWR)

Bestsellerautor Christian Baron: Unterkomplexe Erklärungen des AfD-Wahlerfolgs in Kaiserslautern

8e786551b9d045f6b53c83f1b8823182

Die Bundestagswahl hat endgültig bewiesen, dass die AfD die neue Arbeiterpartei in Deutschland ist. Erstmals holte sie auch in ehemaligen westdeutschen SPD-Hochburgen wie Kaiserslautern die meisten Stimmen. Dies veranlasste den aus Kaiserslautern stammenden Erfolgsschriftsteller Christian Baron („Ein Mann seiner Klasse”) in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) nach einer Erklärung für den AfD-Erfolg in seiner Heimatstadt zu suchen. Diese fiel allerdings arg dürftig und enttäuschend aus. Außer der auch seinen autobiographischen Milieustudien zur Armut in der Bundesrepublik zugrundeliegenden Beschwörung der ewigen Underdog-Mentalität in Kaiserslautern, die sich in der Liebe zum derzeit in der zweiten Liga spielenden städtischen Fußballclub, hoher Arbeitslosigkeit und überdurchschnittlicher Pro-Kopf-Verschuldung ausdrücke, fiel Baron nichts ein.

Es herrsche das Gefühl vor, „von den abgehobenen Eliten in Mainz, Berlin, Brüssel verachtet zu werden“. Außerdem nehme man die Eskalation des Ukraine-Krieges persönlich, weil die Region eines der ersten Ziele im Fall eines russischen Gegenschlags wäre. Nur die AfD habe derzeit eine sehr kritische Haltung zur NATO – und das BSW, dem aber durch die Regierungsbeteiligungen in Thüringen und Brandenburg der Nimbus der Anti-Establishment-Partei abhandengekommen sei. Den meisten AfD-Wählern in Kaiserslautern geht es nach Barons Ansicht darum, „denen da oben“ einen Denkzettel zu verpassen. Er räumt zwar ein, dass es die sozialen Probleme nicht beseitigen werde, „sie als dumm oder böse oder als Nazis zu beschimpfen“, sondern die Zustimmung zur AfD spätestens bei der nächsten Bundestagswahl nochmals verdoppeln werde, dennoch bleibt sein Befund enttäuschend unterkomplex.

Im eigenen Paradigma gefangen

Baron hat mit seinem zu Recht gefeierten Buchdebut „Ein Mann seiner Klasse“ in beeindruckender Weise seinen Aufstieg aus einer von Gewalt und Missachtung geprägten Prekariatskindheit geschildert. In diesem Paradigma bleibt er allerdings unfreiwillig gefangen – wobei ihn dieser persönliche Hintergrund offensichtlich nicht zum begabten Analytiker größerer sozialpolitischer Zusammenhänge macht. Das Thema Migration streift er nur ganz am Rande und auch nur als Ursache für Ressentiments, nicht als das existenzielle Problem des ganzen Landes. Für ihn kann man die AfD offenbar nicht deshalb wählen, weil man von ihrem Programm überzeugt ist, sondern nur, um persönlichen Frust zu kanalisieren. Das völlige Scheitern des Alt-Parteienkartells erwähnt er gar nicht, den Sieg der AfD in Kaiserslautern verortet er ausschließlich im Abstrakt-Psychologischen, die Wähler sieht er nur als Opfer, die ein Ventil für ihre Verzweiflung brauchen.

Rational begründbare Gründe für die Wahl der AfD kann sich Baron anscheinend gar nicht vorstellen. Stattdessen überträgt er die eigenen Minderwertigkeitskomplexe auf die ganze Stadt, biedert sich damit bei linken Medien an, zu denen auch die einst konservative FAZ längst gehört und inszeniert sich als scheinbar verständnisvoller Beobachter „seiner“ Leute, wobei jedoch die Gönnerhaftigkeit unverkennbar durchscheint, mit der er sich auf deren Kosten profiliert, indem er Verständnis heuchelt, dass die Menschen gar nicht brauchen. Baron wirkt wie jemand, der sich insgeheim dafür feiert, einem Milieu entronnen zu sein, das einfach nicht den politischen Durchblick hat, den er sich nun zugute hält. (AS)

image_printGerne ausdrucken
[hyvor-talk-comments]

Themen