„Im Namen der Regierung“ – das BfG als juristischer Arm des Untergangs
Natürlich deckt auch das Bundesverfassungsgericht den Taschenspielertrick, mit dem alten Bundestag noch am Grundgesetz herumzupfuschen – und schafft damit einen Präzendenzfall: Künftig kann jede Regierung in Ruhe das Wahlergebnis abwarten und bei einem unerwünschten Wahlergebnis seinen Nachfolgern noch möglichst viele faule Eier ins Nest legen – mit den alten Mehrheiten. Demokratie im freien Fall. (Peter Borbe)
Das Dinner muss hervorragend gewesen sein. Wie zu erwarten, hat sich das Bundesverfassungsgericht im Auftrag radikaler Minderheiten gegen das Land und seine Bürger entschieden und die Eilanträge abgelehnt, sich also gar nicht erst damit beschäftigt.
Auf X kommentieren jetzt Experten über diese schicksalshafte Entscheidung. Zuerst die Antragstellerin Joana Cotar:
Zur Ablehnung meines Antrags vor dem Bundesverfassungsgericht: Ich hatte diese Entwicklung befürchtet. Dennoch bin zutiefst enttäuscht und halte die Entscheidung für grundfalsch. Das Gericht will (bewusst) nicht sehen, welche Gefahr dieses Vorgehen für die demokratischen Rechte der Abgeordneten und für die Legitimität solch weitreichender Entscheidungen birgt. Die Abstimmung über ein Mega-Schuldenpaket von fast einer Billion Euro in einem abgewählten Parlament halte ich weiterhin für einen unfassbaren Betrug am Wähler.
Meine Klage zielte darauf ab, sicherzustellen, dass wir Abgeordneten ausreichend Zeit und Gelegenheit erhalten, um über Vorschläge dieser Tragweite ordnungsgemäß zu beraten. Dieses Recht wurde uns nun verwehrt. Juristisch ist nun ggf. auch gemeinsam mit den anderen Klägern zu prüfen, ob eine Verletzung des Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention, also des Rechts auf wirksame Beschwerde, vorliegt. Die Interessen der Bürger sowie die Integrität unseres demokratischen Systems müssen geschützt werden. Darüber hinaus wird deutlich, wie dringend wir eine Reform der politischen Prozesse brauchen, um Transparenz und Verantwortung sicherzustellen.
Volker Boehme-Neßler schreibt:
Das Bundesverfassungsgericht hat über die Eilanträge entschieden. Es hat die Anträge nicht abgelehnt, es hat sie buchstäblich abgebügelt. Die Antragsteller hatten ein wichtiges Problem aufgeworfen: Darf ein vom Bundespräsidenten aufgelöster und vom Wähler abgewählter Bundestag noch die Verfassung ändern und Schulden in exorbitanter Höhe machen? Wenige Tage, bevor der neu gewählte Bundestag sich konstituiert? Hat er dafür noch die demokratische Legitimation? Ja, sagt Karlsruhe. Begründung: Der Wortlaut von Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG. 12 Zeilen, mehr nicht.
Das war die ganze Begründung. Dass das Grundgesetz auch den Grundsatz der Demokratie enthält, kümmert die Richter nicht. Das ist eine extrem simplifizierte Verfassungsauslegung, die eines Bundesverfassungsgerichts nicht würdig ist. Sie wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Und sie ist respektlos gegenüber den Antragstellern, immerhin gewählten Abgeordneten des Parlaments. Die Parteien verletzen in ihrem Machtrausch den Geist der Verfassung. Wir hätten ein Verfassungsgericht gebraucht, das sich als Hüter der Verfassung versteht und sich einmischt. Leider haben wir das in Deutschland nicht.
Ulrich Voskerau schreibt:
Die – in mancher Hinsicht auch überraschenden – heutigen Entscheidungen des BVerfG über die Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, die die verfassungsändernde Beschlußfassung des Altbundestages (bevor sich im gewählten Bundestag die Mehrheiten ändern!) haben jedenfalls eine bislang offene Frage außer Streit gestellt: auch die konstituierende Sitzung des Bundestages kann unmittelbar aus dessen Mitte heraus verlangt werden; niemand braucht auf die traditionelle Einberufung durch die Präsidentin des bisherigen Bundestages zu warten. Das BVerfG will in seinen heutigen Entscheidungen – wie gesagt, etwas überraschend – darauf hinaus: die Einberufung des alten Bundestages sei nicht die Einberufung des „falschen“ Bundestages, und: (2) durch die Einberufung des alten Bundestages könnten die Rechte des neuen Bundestages und seiner Abgeordneten deshalb nicht verletzt werden, weil der neue Bundestag sich ja, auch auf Initiative eines Drittels seiner Mitglieder hin, jederzeit selbst konstituieren könnte – und damit wäre jede Handlungsmöglichkeit im oder des alten Bundestages sofort dahin! Weiter wird klargestellt: es müßten dafür nicht ein Drittel der Abgeordneten unterschreiben, sondern es genügt, wenn die Führungen zweier Fraktionen, die zusammen mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellen, sich bei der Bundestagspräsidentin melden! Nun gilt es, keine Zeit mehr zu verlieren!
Marcel Luthe (Good Governance) schreibt:
Das #Bundesverfassungsgericht hat zu meiner großen Enttäuschung Cherrypicking in Reinkultur betrieben: sie sehen unten (1) den Auszug aus dem Beschluss 2 BvE 2/25 einiger AfD-Kollegen und daneben einen aus unserem Schriftsatz (2) im Verfahren 2 BvE 4/25. das Gericht hat „elegant“ für die Ablehnung von (1) übersehen, dass wir bei (2) genau dieser Argumentation entgegengetreten sind. Dem Ansehen des Gerichts wäre es sicher hilfreich gewesen, wenn man sich mit diesen Argumenten dann auch auseinandergesetzt hätte und erklären würde, weshalb man „ein Drittel der Abgeordneten“ in „Fraktionsvorstände“ übersetzen kann oder wie man rechtlich ein Recht delegieren kann, das man selbst gar nicht hat.
Oder seit wann der Bundestagspräsident ein Amt ist, das die Abgeordneten aus eigenem Recht (!) anweisen kann, etwas zu tun – statt nur aus dem abgeleiteten Willen der Abgeordneten selbst (das Drittel z.B.). Ich fürchte, dass das Ansehen des Gerichts mit diesem Vorgehen weiter Schaden nimmt, auch international.
Markus Haintz bringt es auf den Punkt:
Das Bundesverfassungsgericht legitimiert damit einen finanzpolitischen Staatsstreich. Ich habe nichts anderes erwartet.