Ein neuer Anlauf für ein AfD-Verbot ist gestartet. Während die Grünen keine Zeit verlieren wollen, stehen Union und SPD auf der Bremse. Der Verfassungsschutz bleibt der wesentliche Faktor, doch noch fehlt das entscheidende Gutachten.
Von Janine Beicht für Haintz Media
Die Grünen haben es eilig, sehr eilig. Mit einem neuen Antrag wollen sie die Alternative für Deutschland (AfD) schleunigst aus dem politischen Verkehr ziehen. Till Steffen, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, trommelt ungeduldig für einen fraktionsübergreifenden Vorstoß, der „schnellstmöglich“ im Bundestag landen soll. Die Botschaft ist klar: Keine Zeit verschwenden, die AfD muss weg.
„Allerdings denke ich, dass bereits jetzt klar erkennbar ist, wie radikal und gefährlich die AfD für unsere Demokratie ist und dass sie dringend verboten werden muss.“
Bereits in der vergangenen Legislaturperiode scheiterte ein ähnlicher Versuch des CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz, doch die Grünen lassen nicht locker. Über 100 Abgeordnete aus fast allen Fraktionen, ausgenommen AfD und FDP, hatten den Plan damals unterstützt. Nun soll es endlich klappen.
Es bleibt unser Ziel, in der nächsten Legislaturperiode noch mal ein Gruppenverfahren auf den Weg zu bringen.
Doch wie realistisch ist dieser Turbo-Ansatz in einer politischen Landschaft, die von Misstrauen und taktischen Spielchen geprägt ist? Die Grünen setzen auf Druck, aber ob die anderen mitziehen, bleibt fraglich.
Verfassungsschutz als Zünglein an der Waage
Der Schlüssel zum Erfolg liegt beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), einer nicht unabhängigen Institution. Ein Gutachten, das die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ einstufen soll, ist die zentrale Voraussetzung für ein Verbotsverfahren, dieses lässt jedoch auf sich warten. Ursprünglich für 2024 angekündigt, verschiebt sich die Veröffentlichung wegen des Ausscheidens von BfV-Chef Thomas Haldenwang. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat es bislang versäumt, einen Nachfolger zu präsentieren, und die Neuwahl des Bundestages hat die Sache weiter verzögert. Frühestens im Mai 2025, nach der Vereidigung eines neuen Bundeskanzlers, könnte Bewegung ins Spiel kommen. Steffen schäumt:
„Das BfV hat den Wahlkampf als Grund angeführt, warum es verschoben wurde. Und die Wahl ist vorbei.“
Auch Marco Wanderwitz, inzwischen aus dem Bundestag ausgeschieden, drängt:
„Das BfV muss sein Gutachten endlich vorlegen. Wenn die neue Regierung im Amt ist, sollte das eine Sache von wenigen Wochen sein.“
Doch die Verzögerung zeigt: Bürokratie und politische Trägheit könnten den großen Verbotsplan der Grünen noch lange auf Eis legen.
Union im Zwiespalt: Taktik statt Überzeugung
Die CDU-Fraktion bleibt ein Wackelkandidat. Friedrich Merz, der Anfang 2024 noch vor einem Verbotsverfahren warnte, soll in einer Fraktionssitzung Anfang 2025 angedeutet haben, dass die Union zustimmen könnte, aber nur nach der Bundestagswahl 2025 und wenn das BfV-Gutachten die AfD eindeutig als rechtsextrem brandmarkt. Quellen aus der Union deuten an: Eine Mehrheit im Bundestag wäre dann denkbar. Doch die Signale sind widersprüchlich.
Während Merz taktisch flexibel bleibt, sehen einflussreiche Figuren wie Jens Spahn und Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei ein Verbot skeptisch. Frei bleibt bei seiner Position:
„Ich denke, dass man die Strategie, die AfD ausgrenzen zu wollen, als gescheitert betrachten muss.“
Und dann ist da noch die pikante Erinnerung: Kurz vor der Wahl ließ Merz die AfD als Mehrheitsbeschafferin für einen Migrationsantrag ran. Prinzipien? Offenbar verhandelbar, wenn es opportun ist. Die Union unter Merz schwankt, und das macht sie unberechenbar.
„Man kann Unmut nicht verbieten“
SPD: Warten auf den Startschuss
Auch die SPD hält sich bedeckt. Carmen Wegge ist jedoch überzeugt:
„Die AfD stellt die größte Gefahr für unsere Demokratie dar und ich bin davon überzeugt, dass sie die Voraussetzungen für ein Parteiverbot erfüllt.“
Doch ohne das BfV-Gutachten bleibt es bei Worten. Die Sozialdemokraten warten ab, bis die Fakten auf dem Tisch liegen, eine Haltung, die zugleich Vorsicht und Abhängigkeit signalisiert. Ohne klare Einstufung der AfD bleibt die SPD handlungsunfähig, während die Grünen ungeduldig mit den Hufen scharren. Die Koalitionsgespräche nach der Neuwahl verstärken die Zurückhaltung zusätzlich. Hier wird nichts überstürzt – zumindest nicht, bis die Richtung klar ist.
Die Hürden: Recht, Macht und Timing
Ein Verbotsverfahren ist kein Spaziergang. Der Antrag, stellbar durch Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung, müsste das Bundesverfassungsgericht überzeugen, die AfD als verfassungsfeindlich einzustufen. Dafür braucht es Beweise, und die liefert bisher nur die aktuelle Beobachtung der AfD als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“. Die Hochstufung zur „gesicherten“ Gefahr fehlt noch und ohne sie bleibt das Vorhaben ein Luftschloss.
Wanderwitz hatte bereits nach der letzten Wahl gefordert, das Verbot im alten Bundestag durchzuziehen, bevor neue Mehrheiten alles erschweren. „Bis zur Konstituierung des 21. Bundestages könnten wir das erledigen“, schrieb er auf 𝕏. Doch die Chance verstrich.
Machtkritik: Wer entscheidet über die Demokratie?
Hinter dem Eifer der Grünen und der Zögerlichkeit der anderen steckt eine berechtigte Frage: Wer darf eigentlich definieren, was oder wer die Demokratie gefährdet? Die AfD als „gesichert rechtsextrem“ zu brandmarken ist der Akt einer Macht, die sich bedroht fühlt. Ein Verbot würde nicht nur eine Partei ausschalten, sondern Millionen Wähler entmündigen. Ist das der Preis, den die Demokratie der Herrschenden zahlen sollte, um sich vermeintlich zu schützen?

Wie glaubwürdig sind Parteien, die dann aber selbst taktisch mit der AfD kalkulieren, wenn es um Mehrheiten geht? Die Grünen inszenieren sich als moralische Instanz, wirken dabei aber gehetzt. Die Union taktiert, die SPD hält sich bedeckt. Am Ende bleibt der dem Innenministerium unterstellte Verfassungsschutz, geleitet von der als Antifa-nah geltenden Faeser als ungewählter Schiedsrichter. Eine Ironie, die in dieser Debatte zu selten thematisiert wird.