Die Koalition hat entschieden: Die „bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen“ sei nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt (Zeile 3929). Willkommen im Zeitalter des genehmigten Irrtums. Ab jetzt entscheidet der Staat, ob man sich geirrt hat oder ob man etwas gesagt hat.
Nicht zum ersten Mal wird brutal eingegriffen. 1934 kam das Heimtückegesetz. Wer Falsches sagte, galt als Staatsfeind. Heute nennt man es Desinformation. Die Frage bleibt: Wer bestimmt, was falsch ist und mit welcher Absicht es gesagt wurde? Wer Gedanken auf Gesinnung prüft, ist auf einem alten, dunklen Pfad unterwegs. Auf sehr bedenklichen Pfaden.
Politiker im Schonbereich
Brisanter noch: Politiker. Wer sagte „Die Impfung ist nebenwirkungsfrei“ oder „Niemand hat die Absicht, einen Lockdown zu verlängern“ oder „Die Rente ist sicher“, war das von der Meinungsfreiheit gedeckt? Ein Witz. Es würde sehr still im Bundestag. Abgeordnete dürfen jeden Unsinn erzählen, sie sind durch ihre Immunität geschützt. Diesen Schutzschirm gibt es für Bürger nicht. Bei ihm klicken morgens um sechs die Handschellen, wenn er im Bademantel vor die Tür tritt.
Lügen vor Gericht ausdrücklich erlaubt
Hier darf der Angeklagte lügen, um sich zu entlasten (Strafprozessordnung § 136). Der Bürger im Netz darf das nicht. Wahrheit ist, was das Wahrheitsministerium, vormals Rundfunkrat, dienstags beschließt. Mittwoch kann alles schon wieder falsch sein.
Schulen als Gefahrenzonen
Besonders gefährdet sind Schüler. Der „unfertige“ Staatsbürger muss sich irren dürfen, so lernt er, was richtig ist. „Napoleon war ein Preuße“ ist keine Bedrohung der Demokratie, sondern ein Klassenzimmerklassiker. Falsche Antworten gehören zum Lernen wie das Rot in der Korrektur. Warum sollte das nach Schulschluss im richtigen Leben plötzlich strafrechtlich relevant werden? Eine Demokratie, die so einengt wie eine Diktatur, ist keine.
Sollen wir jedem Wort einen Vorbehaltshinweis voranstellen?
Sollen wir wirklich jedem Wort, gesprochen oder geschrieben, einen Vorbehaltshinweis voranstellen? Etwa: „Diese Aussage könnte falsch sein. Bitte gehen Sie vorsichtig damit um, es könnte Ihrer geistigen Gesundheit schaden.“
Wilhelm Busch formulierte es so: Wer möchte diesen Erdenball noch fernerhin betreten / wenn wir Bewohner überall die Wahrheit sagen täten.