Gestern präsentierten die AfD-Vorsitzenden von Thüringen und Sachsen, Björn Höcke und Jörg Urban, in Berlin ein 62-seitiges Gutachten des Saarbrücker Staatsrechtsprofessors Michael Elicker zur Einschätzung der beiden Landesverbände als angeblich „gesichert rechtsextrem“. Dieses kommt unter Berufung auf die sogenannte Indemnitätsklausel für Abgeordnete in den Landesverfassungen von Thüringen und Sachsen zu dem Schluss, dass „alle die Mandatsausübung beeinträchtigenden Maßnahmen u.a. des Verfassungsschutzes untersagt sind“. Konkret geht es darum, dass die Verfassungsschutzämter der beiden Bundesländer sich bei ihren Einstufungen der AfD vorwiegend auf Äußerungen von Landtagsabgeordneten stützen, die sie in Ausübung ihres Mandats getätigt hatten. Diese dürften jedoch nicht gegen die Partei verwendet werden, so das Gutachten. Dies gelte ausdrücklich auch für außerparlamentarische Äußerungen, sofern diese „funktional dem Mandat zuzuordnen sind“.
Elicker bezieht sich auch auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere den sogenannten „Ramelow“-Beschluss von 2013. Der frühere Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte damals gegen seine Beobachtung durch den Verfassungsschutz geklagt und in Karlsruhe Recht bekommen. Das Gericht befand, dass die Beobachtung eines Abgeordneten durch den Verfassungsschutz unter dem Gesichtspunkt der Abgeordnetenfreiheit als Grundrechtseingriff einzustufen sei – und das, obwohl im Grundgesetz noch nicht einmal eine Indemnitätsklausel für außerparlamentarische Handlungen verankert ist. Auf Bundesebene sind Eingriffe in die Indemnität zwar grundgesetzlich vorgesehen, wenn es um die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geht, Elicker legt jedoch dar, dass mit dieser Begründung Maßnahmen nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sein können. Ein pauschaler Rückgriff auf das Prinzip der wehrhaften Demokratie genüge dafür jedenfalls nicht. Mit Berufung auf Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, in dem Freiheit des Mandats festgehalten ist, argumentiert das Gutachten, dass dieser Artikel insbesondere die Kommunikationsbeziehung zwischen dem Abgeordneten und den Wählern vor staatlicher Einflussnahme schütze.
Alles nur für das Stigma „gesichert rechtsextremistisch“
Dieser Schutz gelte nicht nur für innerparlamentarisches Handeln, sondern ausdrücklich auch für außerparlamentarische politische Aktivitäten. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Schutzes sei auch die Freiheit von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle, wie etwa durch Verfassungsschutzbehörden. Höcke forderte, dass alle Beiträge der Landesämter für Verfassungsschutz aus dem aktuellen Bundesgutachten zu entfernen seien. Die „Schnüffelarbeit des Verfassungsschutzes“ sei „sofort einzustellen“, so Höcke weiter, der dem Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Stephan J. Kramer Amtsmissbrauch vorwarf. Urban sprach von einer Beeinträchtigung der freien Meinungsbildung und von Stigmatisierung. Die Zustimmungswerte für die AfD könnten ohne diese deutlich größer sein, sagte er.
Das Gutachten zeigt auf, mit welcher Willkür der Verfassungsschutz in Thüringen und Sachsen vorging, um der AfD das Stigma „gesichert rechtsextremistisch“ zu verpassen.
Um dies zu erreichen, verstieß die Behörde selbst gegen die Verfassung, die sie schützen soll, indem sie die verbrieften Rechte von Landtagsabgeordneten einfach ignorierte. Auch für das „Gutachten“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das die gesamte AfD als angeblich „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einstuft, haben Elickers Argumente Bedeutung, denn auch hier wurden zahlreiche Äußerungen von Abgeordneten der AfD herangezogen. Abgesehen von der grundsätzlichen Absurdität dieser ganzen Farce, die völlig von der Meinungsfreiheit gedeckte Aussagen als rechtsextrem diffamiert, um einen für jeden erkennbaren politischen Zweck, nämlich ein AfD-Verbot, zu verfolgen, zeigen seine Ausführungen einmal mehr, dass der Verfassungsschutz zum reinen Werkzeug des Altparteienkartells und damit zur Gefahr für die Demokratie geworden ist. (TPL)